Nicht anders sein

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POV: Jim
Ich bekomme nur am Rande mit wie du deine Hand langsam sinken lässt. Alles worauf ich achten kann und will sind deine wunderschönen, unterschiedlich farbigen Augen. Ich verliere mich in diese und muss an früher denken.

Ich weiß noch wie du dich früher einmal über sie beklagt hast. "Ich will nicht anders sein", hast du eines Nachmittags gesagt, als wir in deinem Zimmer waren und über Gott und die Welt sprachen. Ich wusste gar nicht was du meintest, schaute dich nur verwirrt an. Du redetest unbeirrt weiter: "Alle sagen sie beneiden mich um meine Augen, aber ich möchte nicht wegen etwas beneidet werden wofür ich nichts gemacht habe. Ich möchte etwas in meinen Leben erreichen und dann hören, dass sie mich beneiden und nicht wegen meiner Augen. Und dann darf ich mir ständig auch noch anhören wie besonders und einzigartig so was ist. Dabei kann ich das gar nicht verstehen. Jeder hat doch etwas an sich was der andere nicht hat und die bekommen das auch nicht ständig zu hören. Ich finde, das total ungerecht." Ich weiß noch wie sprachlos ich damals war. Ich hätte nie gedacht, dass du so darüber denkst. Dachte ich doch immer, dass es dir schmeichelt so was zu hören. Aber an diesen Tag hast du mir gezeigt wie falsch ich doch lag. An diesen Tag beschlossen wir beide Anwalt zu werden. Du hast mir damals deine Weltansicht, deine Gedanken, dein Ich offenbart und was soll ich sagen? Es war der Tag bzw. die Nacht in der ich mir meiner Gefühle dir gegenüber bewusst wurde. Und seitdem finde ich dich nicht wegen deinen Augen besonders oder beneide dich gar um sie. Ich finde dich besonders, wegen deinem ganzen Sein. Du machst für mich diese Augen, die mich manchmal so an strahlen, besonders. Ich beneide dich nicht mehr um sie, denn ohne dich wären sie einfach nur wertlose, leere Gefäße, die einmal das Fenster zu deiner Seele waren. Ich bewundere dich jetzt viel mehr deines großen, warmen Herzens wegen.

Ich merke, wie die Gefühle sich einen Weg in mein Sprachzentrum suchen, mein Gehirn zur Seite stoßen und meinen Herzen Platz machen. Mein Mund öffnet sich, um dir meine Gefühle zu zeigen, dir das zu sagen, was ich seit diesem Tag verheimliche. Doch dazu komme ich nicht, denn in dem Moment öffnest du auch deinen. Obwohl mein Herz mich anschreit und mir befiehlt zuerst zu sprechen, lasse ich dir den Vortritt. Du siehst nervös aus. Ich frage mich warum, sollte ich es doch sein, schließlich will ich gleich meine Gefühle vor dir ausbreiten. Und wenn du die gleichen Gefühle für mich hast und mir die jetzt gestehen willst? Ich muss lächeln. Der Gedanke an diese Möglichkeit macht mich glücklich. Als du deinen Mund öffnest, scheint sich die Welt langsamer zu drehen. Mein Herz scheint, obwohl es in meiner Brust wie verrückt hämmert, wie in Zeitlupe zu schlagen. Deine tiefe Stimme dringt in meine Ohren und ich erfahre endlich was du mir sagen willst. Aber anstatt das erhoffte Liebesgeständniss von dir zu hören, höre ich lediglich, dass wir uns beeilen müssten. Hast du vielleicht keine Gefühle für mich? Ich sollte über diese Möglichkeit nachdenken bevor ich unsere Freundschaft mit einem Liebesgeständniss meiner Seits gefährde. Mein Herz zieht sich zusammen und macht meinem Gehirn wieder Platz. Es will nicht über die nicht vorhandenen Gefühle deinerseits nachdenken müssen. Und da du die Gefühle von mir nicht bemerken sollst, stimme ich dir lächelnd zu. Ich drehe mich erneut zur Tür um, gehe hindurch und hoffe doch innerlich, dass du mich erneut zurückziehst. Doch die Geste bleibt aus, stattdessen gehst du hinter mir her und schließt die Tür.

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