Alles Zicken

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Ich stelle mich zu den anderen Dienstmädchen an die Wand in eine Reihe und gemeinsam warten wir, bis die Mädchen eintreten. Alex steht am Ende des roten Teppichs, der extra für heute ausgelegt wird und von der Tür, bis zur Hälfte des Raumes reicht. Ich finde es zu übertrieben, aber es muss wahrscheinlich so sein. Überall sind Kameras und Scheinwerfer aufgestellt und ich fühle mich schon beobachtet. Zwar sind die Kameras weder auf uns gerichtet, noch sind sie an, aber es ist ein komisches Gefühl. Wie ein Auge, was alles sieht und nie vergisst.
Man hört Menschen jubeln, welche dumpf durch die große Türe der Empfangshalle schallen.
Ein Mann gibt uns ein Zeichen, dass wir uns alle auf Position begeben sollen und ich raffe mein Schultern und falte meine Hände zusammen. Die Mädchen neben mir tun es mir gleich. Ich finde es eigentlich ziemliche Unnötige, das wir hier stehen. Ich habe schon mal nachgefragt, warum, aber irgendwie habe ich es vergessen. Einen Grund, den ich mir denken kann, ist, dass die Zicken sich direkt wie Leute aus der ersten Kaste vorkommen, da sie sehen können, wie viel Personal sich um die kümmern muss.
Abgesehen von uns, stehen schließlich auch, auf der anderen Seite, die Hälfte der Wachmänner, die im Moment keine Miene verziehen und stur geradeaus starren. Also über unseren Köpfen hinweg.
Durch die Wand.
Ich will gerade eine Grimasse schneiden, die für den Wachmann mir gegenüber bestimmt ist, da ich seinen Blick einfange und er nicht wie befohlen über mir hinweg starrt, doch mein Vorhaben wird unterbrochen, da die Kameras angehen und sich die gewaltige Tür öffnet und die Jubelschreie nun voll und ganz den Raum erfüllen.
Die erste Zicke tritt ein und wir müssen uns alle synchron verbeugen, was wir auch brav tun.
Man erzählt mir, dass man es diese Selection anders macht, als die Male davor. Sonst werden die Zicken erst mal alle auf ihre Zimmer gebracht und nach einem Tag im Palast erst dem Prinzen vorgestellt und jetzt wird der Prinz direkt begrüßt. Ich habe keine Ahnung, warum es dieses Mal so anders wird. Aber ja gut.
Zurecht gemacht werden alle Kandidatinnen auch schon vorher und das außerhalb des Palastes.
Die erste Zicke steht nun vor Alex. Sie hat eine sonnengebräunte Haut und dunkle hochgesteckte Haare.
Ihr Kleid ist gelb und fluffig. Ja sie sieht aus, wie die Sonne höchstpersönlich. Ob das jetzt gut ist, ist jedem selbst überlassen. Okay. Die Sonne ist gewaltig und rund. Aber sie ist doch zierlich und verdammt noch mal hübsch!
Ich mag sie jetzt schon nicht.
Sie streckt Alex die Hand entgegen und macht einen kurzen Knicks, während er einen Handkuss andeutete. Sie unterhalten sich kurz, bis Alex sie in einen anderen Raum schickt, wo sie warten müssen.
In dem Raum, in dem sie geht, steht ein langes Sofa und ein Bücherregal. Dort kann sie meinetwegen versauern, aber ich weiß es ja besser. Sie wird da von einem weiteren Kamera Team erwartet, das sie interviewen soll.
Kaum schließt sich die Tür hinter der einen, schon öffnet sich die Tür für ne andere. Wir wiederholen das Szenario, in dem wir uns tief verbeugen. Ohne Witz! Nach 30 Mädchen werde ich an massiven Rücken Problemen leiden! Okay die habe ich jetzt schon. Aber egal.
Dieses Mädchen hat ein schlichtes Kleid an, welches ihr gutsteht.
Nein es steht ihr nicht gut! Ich werde ganz bestimmt nicht mit einen von denen sympathisieren!
Sie ist nicht die Dünnste, aber trotzdem sehr hübsch.
HALT STOP!
Sie ist hässlich!
Auch sie bleibt vor Alex stehen, der, wie auch bei der anderen, kaum eine Miene verzieht.
Er macht keine Andeutungen von irgendwelchen Gefühlen. Also steht da nur ein Stein. Ja damit kann man ihn vergleichen. Ein Stein, der dir als Hindernis vor die Füße geschmissen wird und du nur über ihn fallen musst. Aber leider entwickelt man Gefühle für diesen Stein, sodass man ihn nach Hause mitnehmen muss.
Das erinnert mich an eine Situation damals mit Phill.
Es war Herbst und wir spielten auf der Straße mit Steinen.
Meistens so was, wie: wer den Stein am weitesten wirft. Oder Fußstein. (Eine Abwandlung von Fußball. Wir hatten schließlich keinen Ball und fanden das Wort Ball in dem Wort Fußball unnötig und deprimierend. Eine andere Variante von Phill war auch: „Steinfußball“ oder auch „Fußball-aber-ohne-Ball“ gewesen, aber wir entschieden uns dann doch für Fußstein. Okay das hört sich auch ein bisschen, wie eine Krankheit oder Infektion an, aber das ist ja auch egal.)
Jedenfalls hatten wir dann den perfekten Stein für unser Spiel gefunden und gegen Ende des Spiels, wollte er den Stein, nicht so, wie wir es sonst auch immer taten, auf der Straße liegen lassen, sondern mitnehmen. Irgendwie fand er es traurig, den Stein einsam und verlassen zurück zu lassen. Also fackelte er nicht lange und nahm den Stein mit. Eine Zeit lang durfte der Stein sogar mit am Tisch sitzen, doch irgendwann blieb der Stein auf dem Nachttisch von Phill liegen.
Immer mehr Mädchen kommen und ich habe den Überblick schon längst verloren. Eins ist hässlicher als das andere und so zieht sich der Tag auch in die Länge.
Alex ist immer noch Mr. Stein persönlich, aber ich finde es irgendwie beruhigend.

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