So viele schöne Dinge

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„Scheiße.“ Nein, das kann doch nicht sein! Ich habe den verdammten Prinzen geküsst! Nein er hat mich geküsst ... Wie auch immer. Es kommt auf dasselbe hinaus. Wir haben uns geküsst und das ist nicht gut. Das ist alles andere als gut. Das ist Mega ungut!
Ich trete einen Schritt zurück, um ein bisschen Abstand zu schaffen, was aber nicht viel bringt, denn er kommt mir wieder einen Schritt näher.
„War der Kuss so schlecht?“, er zieht eine Augenbraue hoch und mustert mich mit einem schiefen Grinsen.
Nein, war er auf keinen Fall. Er war sogar ein richtig guter Küsser, sofern ich das beurteilen kann. Der einzige Kerl, der mich schon mal geküsst hat, war der Nachbarsjunge und da waren wir acht Jahre alt. Damals meinte er, er würde mich lieben, bis zu dem Tag, wo ich sein selbst gemachtes Fernglas - wenn auch nicht mit Absicht - zerstört hatte. Das Ding konnte man eigentlich nicht Fernglas nennen, da es einfach nur aus zwei Papprollen bestand, welche in der Mitte nur mit einem Seil zusammengebunden waren. Also nicht relativ stabil und vergrößert hat das Ding auch nichts. Aber jetzt stehe ich hier und bringe keinen Satz heraus.
Außerdem muss ich mir auf den Kuss eigentlich gar nichts einbilden. Ihm sind bestimmt die Nerven durchgebrannt und braucht jemanden zum Küssen. So einfach ist das. Es waren die Nerven.
„Ich glaube, ich sollte jetzt Gehen“, bringe ich hervor und wende mich schon zum Gehen, doch da habe ich die Rechnung ohne ihn gemacht. Er hält mich am Arm fest.
„Dann kannst du das ja direkt mitnehmen“, raunt er mir ins Ohr und streicht mit seinen Lippen über meine. Doch ehe wir den Kuss vertiefen können, hält er mir das Tablett hin und richtet sich auf.
„Gute Nacht Evelyn.“
Ich nehme das Tablett und verlasse fluchtartig den Raum.
Das ist jetzt nicht die feine und coole Art, um aus der Sache wieder rauszukommen, aber ich bin draußen.
Ich mache mich auf den Weg runter in die Küche, um die Sachen abzustellen und gehe sofort rüber in den Schlafsaal, wo die anderen Mädchen sitzen und reden.
Ich habe ehrlich gesagt keine Lust an dem Gespräch teilzuhaben und werfe mich in mein Bett. Ich merke erst jetzt, wie müde ich bin und habe keine andere Wahl, als den anderen zuzuhören, da sie sich lautstark über Ellie's Lover unterhalten.
„Laut einer Studie hält Schwärmerei nur vier Monate, danach soll es Liebe sein und die Liebesphase soll auch nur um die 18 Monate halten.“
„Natürlich musst du wieder dein Wissen raus klopfen, Ann! Lass sie doch verliebt sein!“ Das war Helen, was man an der hohen Stimme unschwer erkennen kann.
„ Echt? Nur 18?“ Das ist Lia.
„Soweit ich weiß schon. Ist aber bei jedem anders.“
„Ey Leute! In einem Monat fängt die Selection an!“ Ich wurde hellhörig.
„Hast du das in deiner Glaskugel gesehen oder was, Helen?“ Man kann den Spott deutlich aus Lia's Stimme heraushören
„Haha. Sehr witzig ... unterschätzt die Kraft nicht...“
„Welche Kraft denn bitte?“ Lia lacht.
„Ich hab gehört, wie der König und die Königin darüber gesprochen haben und in anderthalb Monaten sollen die Anmeldungen eintreffen.“
„Woohoo noch mehr Arbeit und Stress ich freu mich ja so! Dann dürfen wir irgendwelchen Gören den Hintern hinterher tragen!“ Noa setzt noch eine gespielt euphorische Miene auf und klatscht in die Hände.
Das habe ich total vergessen.
Mein Herz zerbirst in tausend Stücke.
32 Mädchen werden kommen, und um seine Liebe kämpfen und ich werde wie das vertrottelte Ding dastehen, zwischen schönen Mädchen in pompösen Kleidern.
Ich habe keine Chance. Nein, falsch.
Die hatte ich noch nie.

Der Nächste Tag bricht an und ich habe überhaupt keine Lust aufzustehen... Am liebsten würde ich mich einfach nur verkriechen und in Selbstmitleid baden.
„Jetzt steh auf du Trantüte! Ein wunderschöner Morgen ist angebrochen und eine noch schönere Arbeit wartet auf uns.“
Um ihren Worten Nachdruck zu geben, zieht Ann mir daraufhin die Decke weg und ich hätte nur noch heulen können. Es war so schön warm gewesen.
„Jetzt steh auf, mach dich fertig. Die Gärtner sind ausgefallen und wir müssen Laub kehren. Das wird so spaßig.“ Ann zieht an meinem Arm.
Ich steh ja schon auf'“, grummel ich und schlurfe in den Waschraum und gehe Duschen.
Das Wasser umhüllt mich, wie ein Schleier und ich fühle mich abgeschottet von der Welt. Doch Ann macht diese Illusion zu nichte, indem sie mich hetzt.
Ich springe aus der Dusche, trockne mich ab, putze die Zähne, binde die Haare hoch, ziehe mich an und folge Ann nach draußen.
Die kühle Herbstluft umfängt mich und ich liebe diesen Geruch nach nassen Blättern einfach.
Doch gerade, wo das Herbstwetter meine Laune ein bisschen angehoben hat, wird diese sofort zunichtegemacht, als ich sehe, wie groß die Wiese ist und wie viel Laub auf dem Boden liegt. Und Ann und ich dürfen das Ganze alleine wegkehren.
Wir machen uns an die Arbeit und sind immer drauf bedacht, von West nach Ost zu kehren.
„Ich hab jetzt schon keine Lust mehr“, meckert Ann.
„Also. Es gibt wirklich schönere Dinge...“ Wie zum Beispiel Alex küssen... Stopp! Nein!
„Allerdings ... Außerdem steht auch bald eine dämliche Halloween Party an, um die wir uns auch kümmern müssen ... Adelige und politisch wichtige Menschen aus anderen Ländern sollen wohl kommen ... Wird wohl ein riesen Fest werden.“
Ich kommentiere das nur mit einem Stöhnen. Ich habe Halloween noch nie gemocht, da die unteren Kasten das nicht feierten. Zumindest nicht so wie die Anderen. Aber darauf will ich nicht eingehen. Es weckt nur unschöne Erinnerungen.
Meine Arme schmerzen und mir ist zu warm und Ann geht es nicht anders. Wir haben aber schon das meiste geschafft.
„Wann genau soll die Feier denn stattfinden?“, frage ich.
„In zwei Tagen. Die Organisation läuft schon."

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