Blöder Wachmann

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,,Maskenball", schoss es mir durch den Kopf, als ich durch die, mit Fenstern gesäumten, Gänge zurück in die Küche schlenderte. Er will doch jetzt nicht wirklich, dass ich mich mit einer Maske bewaffnet auf den Ball schleiche, um dann dort mit ihm zu tanzen. Es reizte mich ja schon aber das darf ich doch nicht machen! Abgesehen davon, dass da sehr viele (auch fremde) Menschen da sein werden und ich vielleicht eine von vielen sein werde, die mit ihm tanzt. Dann muss es ja nicht unbedingt auffallen, dass grade ein Dienstmädchen unter ihnen ist und das nicht nur zum Kellnern oder was man da auch immer machen muss. Die Idee von Alex ist total absurd. Immerhin sind die ganzen Kandidatinnen dabei und vielleicht wird mich jemand erkennen. Das kann ich im Moment auf keinen Fall riskieren. Es soll ja schließlich noch geheim bleiben. Ich schlug mir mit der Hand gegen den Kopf. Und woher soll ich bitte ein Kleid her bekommen, ohne, dass die anderen Mädchen das merken? Am besten ich rede gleich sofort mit Ann. Vielleicht hat sie ja eine Idee oder sie rät mir ganz davon ab. Nein wahrscheinlich nicht. Sie wird eher diejenige sein, die mich dazu nötigen wird, auf den Ball zu gehen. Oder ich sage gar nichts und gehe nicht auf den Ball. Es wird bestimmt auch nicht schön werden. Überall schick gekleidete Menschen. Musik. Tanz. Spaß. Nein alles nichts für mich. 
Ich seufzte. Ich kann es mir einfach nicht schlecht reden. Ich würde wirklich gerne hin gehen. 
,,Ellie und ich haben grade ein Gespräch vom König belauscht", flüsterte Ann, als ich grade in die Küche ging, die nun Menschenleer war.
Sie biss sich auf die Unterlippe und wartete auf eine Reaktion meinerseits.
,,Sie wollen einen Maskenball organisieren!", quietschte sie nun und guckte mich vielsagend an.
,,Ja... Das habe ich schon mitbekommen", murmelte ich und kratze mich am Hinterkopf.
,,Und weißt du, was für eine Idee ich hatte?" Ihre Stimme könnte wohl kaum noch eine  Oktave höher werden und ich befürchtete, dass sie die selbe Idee hatte, wie Alex.
,,Die da wäre?", fragte ich.
,,Wir manipulieren den Ball!", schoss es aus ihr heraus und ihre Gesichtszüge wirkten so entschlossen, dass ich mir ein Kichern nicht verkneifen konnte. So viel zu ,,Die selbe Idee, wie Alex's". 
,,Und wie willst du das anstellen?" Fragte ich und lehnte mich gegen den Tresen.
,,Ich dachte da so an blamieren. Du weißt schon. Das Klischee eben. Wein über die kostbaren Kleider kippen. Oder Essen auf die Haare...", erklärte sie.
,,Wir könnten das Essen auch sehr heiß machen und gegebenem falls Chili mit rein tun", ergänzte ich kichernd und sie starrte mich an, als wäre sie grade stolze Mutter geworden.
,,Gute Idee! Oder Abführ-Mittel!"
,,Witzig wäre es auf jeden Fall! Stell dir mal Rachel vor, die die ganze Zeit auf die Toilette rennt!", Ich brach in schallendes Gelächter aus und Ann stimmte mit ein.
,,Oder die im Pinken Kleid!", sie lachte weiter, während mir das lachen verging.
,,Ach ja... Dazu wollte ich dir auch noch was gesagt haben", fing ich an und Ann wurde leiser, konnte das lachen aber nicht komplett abstellen.
,,Schieß los."
,,Ich hab ja das Essen zu den Kandidatinnen gebracht und darunter natürlich auch dem Mädchen im Pinken Kleid. Sie heißt übrigens Lassie. Und uns, viel mehr ihr, ist aufgefallen, dass wir uns schon früher kannten. Wir waren damals super gut befreundet, bis sie weg zog."
Ann machte einen verstehenden ,,Uuuuhhh" laut.
,,Daraus schließe ich, dass wir ihr besser nichts tun sollten?" 
,,Sie war mal meine beste Freundin... Das wäre nicht fair", sagte ich.
,,Ja schon. Aber willst du für sie deswegen den Prinzen ,aufgeben'. " Sie schaute mich ernst an. 
,,Vielleicht solltest du ein bisschen verhindern, dass sie sich in ihn verliebt. Sonst wird es sowohl für dich als auch für sie schmerzhaft", sagte sie und in ihrem Gesicht konnte ich sehen, dass es ihr leid tat, so etwas zu sagen. Aber es war nun mal die Wahrheit aber wie soll ich das bitte verhindern? Ich kann doch nicht bestimmen, wer sich wann und wo in wen verliebt. 
,,Ich weiß, das klingt jetzt bescheuert und unmöglich aber es ist so", fügte sie noch hinzu.
,,Sie wird auch so enttäuscht sein, wenn ich diejenige bin, die Alex bekommt." Das ,wenn' betonte ich besonders, weil noch schloss ich es nicht aus, dass es doch noch jemand anderes werden könnte.
,,Ja das kann sein", fuhr sie fort und ich merkte, dass das Thema für sie jetzt erst mal erledigt war, weswegen ich zum neuen ansetzte und ihr von Alex's toller Idee erzählte, worauf sie mich wieder angrinste und sich ein Kichern unterdrückte.
,,Ich finde das nicht so witzig", setze ich an. ,,Wie soll ich das bitte machen? Ich denke man wird da erkannt und das auch wenn man eine Maske aufhat. Dann können sich die Mädchen irgendwann eins und eins zusammenzählen und... Ach ich weiß nicht. Ich will noch nicht diese Schlagzeilen bieten... Abgesehen davon hab ich weder ein Kleid noch ne Maske..."
,,Irgendwann wirst du eh der Presse zum fraß vorgeworfen und mit dem Kleid... Das ist kein Problem", sagte sie, verschränkte die Arme vor der Brust und zog die Augenbrauen lächelnd hoch.
,,Du meinst also, ich soll da hin gehen?"
,,Auf jeden Fall!"
,,Und ich hatte noch gehofft, du würdest mir sagen, dass es eine schlechte Idee ist...", seufzte ich.
,,Tja. Da scheinst du mich schlecht zu kennen", antwortete sie und zwinkerte mir zu.
,,Ich muss aber Ellie einweihen", fügte sie noch hinzu und lächelte mich entschuldigend an. ,,Sie ist die beste Schneiderin von uns und du kannst ja nicht in Dienstmädchen Kleidung da aufkreuzen."
,,Ja ich weiß...", setzte ich an, wurde jedoch wieder unterbrochen.
,,Ich kann verstehen, wenn du es nicht willst, dass sie es auch noch weiß, da sie auch eine kleine Tratschtante ist aber in solchen Dingen kannst du ihr echt vertrauen. Ich kenn sie schon so lange und ich bin mir sicher, dass sie darüber kein sterbends Wörtchen verlieren wird. Abgesehen davon, dass sie das nachvollziehen kann, denn sie ist auch im Moment nicht grade ,legal' verliebt" Sie schenkte mir ein lächeln. ,legal verliebt'? Ich musste lachen. Schön, dass die Gesellschaft uns vorschreibt, was in Sachen Liebe legal ist und was nicht. Aber ich hätte jetzt nicht gedacht, dass zwischen Wachmännern und Dienstmädchen nichts laufen darf. Und ich bin mir sogar fast sicher, dass Ellie in dem Fall auch nicht die einzige ist. Aber ich bin die Einzige der Dienstmädchen, die was mit dem Prinzen am Laufen hat. Denke ich zumindest. 
,,Wir können nachher ja mit ihr reden", gab ich meine Zustimmung und Ann klatschte nun begeistert in die Hände.
,,Dann müssen wir ja einen Stoff auswählen und die Farbe. Und den Schnitt! Es wird so toll! Sie ist echt eine Super Designerin, Schneiderin und alles zusammen! Ihr kannst du vertrauen!", kicherte sie voller Euphorie und Vorfreude worauf sie mich mitriss und ich auch schon bisschen anfing mich auf das Kleid und den Ball zu freuen.
,,Da haben wir nur ein Problem", lachte ich und Ann blickte mich nur fragend an.
,,Ich kann nicht auf hohen Schuhen laufen." Und Ann legte den Kopf in den Nacken und lachte erneut.
,,Lach mich doch nicht aus!", grinste ich und schlug ihr spielerisch auf die Schulter.
,,Es tut mir leid", lachte sie. ,,Wir bringen es dir noch bei. Und falls alle Stricke reißen sollten... Dann gibt es immerhin noch das lange Kleid, das die Sicht auf flache Schuhe versperrt."
,,Schön zu hören." 

,,Und an welche Farbe hast du Gedacht?", fragte Ellie lächelnd, nachdem wir versucht hatten ihr alles zu erklären. Sie war nicht so überrascht gewesen, wie ich gedacht hatte. Sie hatte einfach nur lächelnd zugehört und hier und da mal wie ein Meerschweinchen gequiekt, was ganz dem quieken von Ann ähnelte.
,,Ich bin mir nicht so sicher. Was würdest du denn vorschlagen?", fragte ich.
,,Also ich würde Rot vorschlagen", warf Ann ein.
Ich lachte auf. ,,Noch unauffälliger geht's nicht, oder?"
,,Ich denke auch, dass das eine Nummer zu viel ist. Wie wäre es mit Lila? Oder blau?", sagte Ellie.
,,Dann eben kein Rot...", gab sich Ann geschlagen.
,,Pssssst", machte Ellie und schaute um die Ecke. Wir standen grade in einer kleinen Nische im Flur, wo wir Ellie abgefangen hatten und ja. Dieser Ort war echt nicht so ideal zum Pläne schmieden. Abgesehen von der Tatsache, dass hier jeder vorbeikommen konnte, hatte ich das Gefühl, die Wände haben Augen und Ohren.
Ich hörte Schwere Schritte, die sich uns näherten. Wir versuchten uns weiter in die Ecke rein zu quetschen doch unsichtbar machen konnten wir uns so nicht. Ich hoffte nur, dass der Schatten uns verschluckte.
Die Schritte blieben vor uns zum stehen.
,,Ladies?", fragte die tiefe Stimme und ich merkte erst jetzt, dass ich die Augen geschlossen hatte. So ganz nach dem Motto ,,Wenn ich nichts sehe. Sieht man mich auch nicht". Ich öffnete sie und vor mir stand der eine Wachmann, der mich beim Empfang der Kandidatinnen so blöd angeschaut hatte. Er was bisschen kleiner als Alex und hatte Nussbraune Haare. Die Augenfarbe konnte ich grade nicht erkennen aber stören tut es mich nicht wirklich.
,,Was habt ihr hier zu suchen? Soweit ich weiß ist für euch um 22.00 Uhr schluss mit rumlaufen. Oder habt ihr etwa noch was zu tun?", fuhr er fort.
,,Äh ja...", murmelte Ann. Ich lugte über ihre Schulter hervor und als der Typ seinen Blick auf mich richtet verengten sich seine Augen.
,,Wir haben nur was gesucht", ergänzte Ellie, deren Stimme zitterte. Seine Augen lagen nicht mehr auf mir sondern schauten nun Ellie an und ein süffisantes Grinsen schlich sich auf seine Lippen. Anscheinend gefällt es ihm, im Moment die höhere Positionen von uns zu haben. Er könnte uns schließlich jeden Augenblick verpetzen. Ich denke Miss Vanwallow wird nicht grade erfreut darüber sein, dass sich drei Mädchen tuschelnd in eine Ecke verkrochen haben, statt im Bett zu liegen.
,,Ach ja? Und ihr sucht alle drei in einer Ecke?", lachte er. Ich musste sagen, er hatte ein angenehmes lachen, dafür, dass er so eine tiefe Stimme hatte.
,,Ja", sagte ich mit fester Stimme und trat einen Schritt nach vorne, woraufhin ich von Ann einen hieb mit dem Ellbogen kassierte.
,,Was denn? Hast du deinen Respekt verloren?", sagte er scharf und ich schnaufte. Der hat gesessen.
,,Pff. Nein? Ist ja egal was wir gesucht haben. Aber Ihren Respekt haben wir leider auch nicht gefunden. Und die Würde ist auch weg. Sie scheinen ja beides verloren zu haben", sagte ich. Ja ich weiß, der Konter war nicht so gut und man merkt ja wohl ganz deutlich, das er mehr als nur Würde besaß. Aber wenigstens hab ich was gesagt. Und ich habe gesiezt! Um den ganzen noch einen drauf zu setzen verschränkte ich die Arme vor der Brust und schaute ihn von oben bis unten verächtlich an. Ann kicherte leise neben mir.
,,Jetzt pass mal auf, was du sagst, Fräulein", mahnte er und seine Stimme klang gepresst. Er kam mit dem Zeigefinger auf mich gerichtet eine Schritt näher. ,,Ich würde mich nicht mit mir anlegen denn ich denke, ich bin ein bisschen größer als du und ich denke auch mal, dass du nicht ganz so stark bist. Im Gegensatz zu deinem Mundwerk."
Ein ,,bisschen" ist vielleicht etwas untertrieben. Er war zwar etwas kleiner als Alex aber im Gegensatz zu mir war er sehr groß.
,,Aha. Mein Mundwerk ist also zu groß?", hakte ich nach.
,,Für deine Größe und deinen beruflichen Stand? Auf jeden Fall", sagte er und verschränkt die Arme vor der Brust.
,,Evelyn...", meldete Ellie sich und warf mir einen Blick zu, der mir sagte, dass ich besser nicht provozieren sollte.
,,Soso. Evelyn...", wiederholte der Typ und lächelte hämisch. Vielen dank Ellie.
,,Am besten wir nehmen uns alle in die Arme und vergessen das ganze. Ich hab gehört, dass eine Umarmung die länger als 5 Sekunden andauert, das vertrauen stärkt", sagte sie und lächelte. ,,Oder so ähnlich", murmelte sie noch durch zusammen gebissenen Zähnen und breitete ihre Arme aus, die sie nach wenigen Sekunden aber wieder fallen ließ, weil keiner anstalten machte, sich zu umarmen. 
,,Verschwindet, bevor ich es mir noch anders überlege", knurrte er.
Wir Schritten eilig los, doch er ließ es sich nicht nehmen, mich noch mal am Handgelenk zu packen und mir ,,Ich warne dich" ins Ohr zu raunen.

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