Märchen

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Das Kleid, welches Ellie geschneidert hatte, saß perfekt und es sah wunderschön aus. Es bestand aus dunkelblauen Stoff. Das Oberteil des Kleides war am Ausschnitt herzförmig geschnitten und kleine Verschnörkelungen verliefen bis zu einer Schleife an der Taille, von da der Stoff weich auf den Boden viel. Ich werde echt aufpassen müssen, dass ich nicht auf das Kleid trete und der Länge nach hin falle. Aber dieses Risiko musste ich eben eingehen. Ellie musterte mich von oben bis unten, um ihr Werk zu betrachten während Ann einfach nur grinste. 
,,Du wirst da die schönste sein!", quiekte Ann erfreut doch Ellie ermahnte sie leise zu sein, da wir uns nämlich im Nähsalon befanden und jeden Moment ein anderes Dienstmädchen herein kommen konnte. Zwar muss keiner der Mädchen heute hier arbeiten, trotzdem hatten wir Angst, dass uns irgendjemand bemerken könnte.
,,Ach ja!" Ellie schlug sich gegen den Kopf. ,,Fast hätte ich die Maske vergessen", sie kramte in einer Kiste, und zog eine schwarze Maske hervor, die mit den selben Verschnörkelungen verziert war, wie bei dem Oberteil des Kleides. Jedoch waren diese an der Maske nicht überall, sondern schlicht gehalten an der rechten Seite.
,,Aber die brauchen wir gleich erst", warf Ann ein, nahm die Maske schnell aus Ellies Hand und legte sie behutsam auf den Tisch neben einer Nähmaschine. ,,Denn jetzt geht es erst mal an's Make-Up!" Sie wackelte mit den Fingern und griff als erstes zu einer Creme, dessen Farbe meiner Hautfarbe sehr ähnelte, und trug davon ein paar Tropfen auf einen Pinsel auf, den sie mir danach durchs Gesicht rieb. ,,Da du eigentlich ein reines Hautbild hast, brauchen wir nicht so viel. Und da du nachher eine Maske trägst, werde ich auch nicht viel an den Augen machen. Jedoch was Betonung schadet nie." Ann tippte mir zwei mal spielerisch mit dem Pinsel auf die Nasenspitze, ehe sie zu einem Maskara griff (Diesen Begriff kannte ich auch nur, da mir schon mehrmals, wenn Ann oder sonst wer, die Königin geschminkt hatte, dieses Wort zu Ohren gekommen ist).
Sie fuhr mit zick-zack Bewegungen über meine Wimpern, die sich so schwarz färbten und länger wurden.
,,Ach verdammt Ann!", fuhr Ellie sie von der Seite an und die angesprochene zuckte leicht zusammen. ,,Da guckt man ein mal weg, schon vergisst du den Eyeliner." 
Ann murmelte einen Fluch, während ich nur dämlich da saß. ,,Einen was?"
,,Mach dir keine Sorgen, Eve. Wir machen das schon." Ellie tätschelte meinen Kopf und griff nach diesem Eyeliner und bat mich, die Augen zu schließen, was ich gehorsam tat. Ich merkte, wie sie mit einem feuchten, dünnen Pinsel über mein Lied fuhr und ich konnte nicht anders, als bei jeder Berührung mit dem Pinsel zusammen zu zucken. Es war einfach unangenehm und beinahe hätte sie mir den Pinsel ins Auge gestochen. 
,,Verdammt... Voll verschmiert", murmelte Ellie, wobei von Ann ein ,,Nichts kannst du auch!", folgte. 
,,Ja wenn sie so wackelt", murrte sie zurück, weswegen ich ein ,,Tschuldigung", von mir gab. ,,Das ist nun mal unangenehm." Ich war versucht mir das Auge zu reiben, konnte mich jedoch noch zurück halten, bevor ich aus dem kleinen Missgeschick ein noch größeres machte. Ann nahm Ellie den Pinsel aus der Hand und ließ es sich nicht nehmen noch ein ,,Jetzt pass auf und lerne", zu faseln. Doch auch bei diesem Versuch fing mein Auge an zu tränen. Ann schaffte es jedoch ohne Probleme diesen Strich über mein Lied zu ziehen. ,,Et voilà!" Sie betrachtete ihr Werk gründlich, bevor sie sich ans andere Auge zuschaffen machte.
,,Das werde ich nicht noch mal machen", stöhnte ich, während ich durch blinzeln versuchte, mir die Tränen zurück zu halten und mir gleichzeitig mit meinen Händen Wind zufächerte.
,,Hoffentlich ist der Eyeliner heute das einzige, was dich zum weinen bringt", brach Ellie zwischen zusammen gebissenen Zähen hervor. 
Ich hielt in meiner Bewegung inne. ,,Wie meinst du das?"
,,Ja du weißt schon... Viele Mädchen... Umschwärmen einen Prinzen... Alkohol..." Sie machte eine Pause. ,,Da kann schon mal was passieren, was nicht passieren sollte."
,,Ich denke er wird jetzt nicht mit irgendeiner in der Ecke knutschen", warf Ann ein und zog ihr Kleid zurecht.
Ich wollte grade irgendwas dazu sagen, da wurde ich schon von Ellie unterbrochen, die mich zum Schweigen brachte, indem sie mir Lippenstift in einem schlichten Altrosa Ton auf die Lippen malte.
Ann klatschte begeistert in die Hände und sagte, als würde sie mit einem Kleinkind reden: ,,Hey super, Ellie! Ganz ohne zu vermalen!", was bei Ellie nur einen Augenverdreher hervorlockte.
,,Jetzt nur noch die Maske und Haare, dann sind wir Fertig", sagte Ann diesmal mit Euphorie.
Die Haare gingen schneller. Sanfte, blonde locken fielen nun über meine Schultern. Ja. Das war's. Mehr wollte ich auch garnicht, da ich es sonst zu unnatürlich gefunden hätte. Schließlich wurde mir die Maske umgebunden und der Knoten am Hinterkopf, wurde unter ein Paar lagen Haare verdeckt.
Ich richtete meine Augen auf das Spiegelbild vor mir. Ich erkannte mich kaum darin wieder. Vor mir stand eine wunderschöne Dame und kein Dienstmädchen, welches den lieben langen Tag nichts weiteres zu tun hatte, als Wäsche zu waschen, zu putzen oder der Königlichen Familie hinterher zu laufen. Nein. Diesmal sah ich richtig hübsch aus. Man könnte glatt denken, dass ich wirklich ein Mädchen von der Kaste Zwei bin. Traurig, dass diese Illusion nur die Aufmachung zustande gebracht hatte.
,,Wir sind ein bisschen hinter der Zeit!" Ich schaute in das Schockierte Gesicht von Ann und musste beinahe hysterisch loslachen, da mir nun klar wurde, dass es jetzt soweit ist. 
,,Ach quatsch!", warf Ellie ein und machte eine wegwerfende Handbewegung. ,,Cinderella kam auch zu spät zum Ball."
,,Aber das hier ist kein Märchen", sagte ich eher zu mir als zu den anderen.
,,Es könnte zu eins werden.", hauchte Ann.
,,Das hast du aber schön gesagt." Ellie wischte sich eine imaginäre Träne von der Wange. 

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