Zu viel Alkohol

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„Ich weiß aber nicht, ob ich absagen kann“, flüstert er. „Die Vorbereitungen kommen langsam ins Rollen und mein Vater wäre sauer auf mich, wenn ich es nicht tun würde wegen Tradition und so ein Dreck. Ich werde trotzdem gucken, ob sich was ändern lässt.“
Seine Stimme klingt voller Hoffnung.
„Nein lass es besser. Vielleicht ist eine Andere dabei und es würde kein Stress geben. Außerdem denke ich, dass es jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist, darüber zu sprechen.“
„Du hast recht“, er seufzt und schaut zu den ganzen Anderen rüber, die sich zu amüsieren scheinen.
„An deiner Stelle würde ich mal Alkohol holen gehen. Von den Muffins hast du ja keine mehr und ich denke, ab jetzt geht es eh nur ums Saufen.“ Mit diesen Worten verschwindet er in der Menge und ich nutze die Gelegenheit wirklich noch mal in die Küche zu gehen und etwas zu trinken zu besorgen.

Mit irgendwelchem streng riechenden Zeug mache ich mich wieder auf den Weg in den Garten, wo die mehr oder weniger tanzenden Affen auf noch mehr Alkohol warten.
Die ersten Hände greifen schon gierig nach dem Gesöff und ich bemerke nur nebenbei, dass Alex sich auch ein Glas genommen hat und in einem Zug runter kippt.
Er stellt das leere Glas auf das Tablett und greift nach dem Nächsten.
„Sich ins Koma zu trinken bringt jetzt auch nichts“, zische ich ihm zu.
„Glaub mir... Ich muss den langweiligen Abend ja irgendwie überstehen“, flüstert er zurück.
Also nach langweilig sieht das alles eigentlich nicht aus. Es wird gequatscht, laut gelacht und einige tanzen sogar.
„Also so schlimm ist das hier alles doch nicht“, sage ich.
„Oh doch. Für mich ist das kein Spaß, sondern Arbeit. Von einem Botschafter zum nächsten Grafen oder so rennen. Immer schön die Hand schütteln und freundlich sein. Ich meine... Die ganzen Kontakte braucht man ja später mal.“ Seine Stimme trieft voller Sarkasmus.
„Dann ist das ja besonders wichtig, dass du nüchtern bleibst!“
„Ach...“ Er macht eine wegwerfende Handbewegung. „Die ganzen Höflichkeitsfloskeln kann ich auch im Schlaf.“ Er nimmt noch ein Schluck von seinem... Whisky?
Zumindest riecht es stark und nicht sonderlich lecker.
Ehe ich mich versehe, hat er auch dieses Glas bereits leer und greift nach einem Neuen, woraufhin ich ihn mit einem bösen Blick zu bestraffen versuche, doch er ignoriert es gekonnt und guckt mich über den Rand des Glases provokant an.
Ich stöhne und gehe weiter, sodass Andere auch noch etwas von dem Zeug abbekommen können.
Im Laufe des Abends merke ich immer wieder, wie Alex sich einen nach dem Anderen bechert und dafür, dass er meiner Meinung nach viel getrunken hat, steht er noch ziemlich gut auf den Beinen.
Aber nicht nur er hat viel getrunken, sondern Andere auch. Zumindest sticht dann nicht nur einer aus der Masse raus.
Zum Beispiel dieser Dicke dahinten. Er war schon oft bei mir beziehungsweise beim Tablett, welches ich halte, gewesen, um immer neu nach zu kippen, aber dementsprechend sieht er auch aus. Die Nase ist schon rot angelaufen.
Die Frau, mit der er sich unterhalten hat, ist genauso hageldicht. Und ich dachte immer, dass solche Leute wenigstens ein bisschen Anstand hatten.
„Da bist du ja! Ich hab dich überall gesucht!“ Ich fahre erschrocken herum.
„Was geeeeht?“, fragt Alex mich und sieht mich mit funkelnden Augen an. Ich nehme es zurück. Man merkt, dass er ein bisschen zu tief ins Glas geschaut hat.
Er greift nach dem nächsten Whisky.
„Ich glaube, du hast zu viel getrunken“, tadel ich.
„Habe ich das? Merkt man das? Lalle ich?“ Er greift sich schockierend an den Mund, als ob er dort fühlen könnte, ob er lallt oder nicht.
„Ein bisschen.“
„Oh je...“ Er macht ein entsetztes Gesicht.
„Glaubst du...“, setzt er an, spricht aber erst weiter, nachdem er sich prüfend umgesehen hat und einen Schritt näher gekommen ist. „Glaubst du... Ein Dinosaurier wird mich deswegen fressen?“ In seinem Gesicht steht der pure Schock geschrieben, bis sich sein Gesicht etwas entspannt und er lachen muss.
„Als ob mich ein Dinosaurier fressen würde! Evelyn bitte! Mach dich nicht lächerlich!“ Er lacht mich grundlos aus. Und irgendwie ist die Situation sehr komisch.
„Mir reicht es. Ich bring dich jetzt hoch. Wir haben sowieso schon 2.00 Uhr morgens.“
Ich stelle das Tablett auf einen der Tische ab und schiebe Alex vorwärts, darauf bedacht so wenig Körperkontakt wie möglich zu halten.
Wir schlängeln uns durch die Gäste in den Palast und von da aus den Flur entlang. Alex torkelt neben mir und labert irgendetwas vor sich hin. Irgendetwas von wegen Zeitung und Adventskalender.
Ich schiebe ihn unzählige Treppen rauf, bis wir endlich in den Flur ankommen, wo sich sein Zimmer befindet. Er stößt die Tür auf und ich komme hinter Alex ins Zimmer rein.
„Endlich“, seufze ich.
„Also das ist mein Zimmer“, kündigt Alex stolz an.
Ich gehe schnellen Schrittes durch den Raum zu seinem Kleiderschrank und ziehe irgendein T-Shirt und eine Hose heraus und lege die Klamotten auf das Bett.
„Zieh dich mal aus, Alex.“
Er seufzt widerwillig und macht sich daran, das komische Halstuch zu lösen, woran er schon scheitert.
„Lass mich das machen.“ Ich trete auf ihn zu und griff an das Halstuch, wobei er seine Hände auf meine legt und mich ein bisschen beim Aufknoten behindert. Trotzdem lasse ich die Hände, wo sie sind.
„Das machst du sehr toll“, murmelt Alex.
„Schaffst du den Rest alleine?“, frage ich, aber eigentlich habe ich kein Problem damit, ihm zu helfen.
„Ich denke. Ich bin schließlich schon erwachsen.“
Er zieht sich die Jacke und das mit Spitze besetzt Hemd aus und zum Vorschein kommt sein Oberkörper und ich merke, wie ich wieder rot werde.
Jedoch bleibt der Anblick nicht lange, denn er zieht sich sofort das T-Shirt über und macht sich erst mal an der Hose zu schaffen.
An der Strumpfhose scheitert er wieder, denn er versucht hüpfend die Strumpfhose von den Beinen zu ziehen.
Schließlich setzt er sich erschöpft auf das Bett.
„Hilf mir mal bitte“, stöhnt er.
„Bin schon da.“ Ich eile zu ihm hinüber und ziehe an der Strumpfhose, bis ich sie komplett in den Händen halte und über einen Stuhl werfe. Er trägt eine Boxershorts und macht sich sofort daran, sich die Schlafhose überzustreifen.
„Ich bin fix und fertig.“ Er lässt sich stöhnend auf das Bett fallen.
„Ich auch.“ Ich habe jedoch kein Alkohol getrunken, bei mir liegt es wahrscheinlich am Schlafmangel.
Er klopft neben sich auf das Bett und deutet mir so, mich neben ihn zu legen und das tue ich auch.
Ich lasse mich ebenfalls auf das Bett plumpsen und das ist ein großer Fehler. Das Bett ist so gemütlich und ich will auch gleich nicht aufstehen.
Die Betten für die Dienstmädchen sind nicht annähernd so bequem wie das hier, was ich aber auch verstehen kann. Er ist schließlich der Prinz.
Er zieht mich in seine Arme und kuschelt sich an mich und ich platziere meinen Kopf auf seine Schulter. Das ist sogar noch bequemer.
„Wir schaffen das“, murmelt er.
Sein Atem wird flacher und sein Herz schlägt langsamer.
Als ich mir sicher bin, dass er wirklich eingeschlafen ist, stehe ich auf, versuche die Decke unter seinem Körper wegzuziehen und ihn zu zudecken. Ich gehe wieder runter in den Garten und die Leute feiern immer noch.
Ich nehme mein Tablett wieder (was zum Glück noch dastehe. Zwar ohne Gläser aber immerhin) und halte Ausschau nach der Königin, die ich in einer Sitzgruppe auch schließlich finde. Ich gehe zu ihr, um ihr mitzuteilen, dass der Prinz bereits zu Bett gegangen ist.

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