Hellblau 2 ~ Scavi

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„Ist alles okay?", fragte Scott bestürzt, als sich die Tür von dem kleinen Zimmer wieder öffnete und Avi hereinkam, mit verräterisch geröteten Augen.
Das kleine Herz auf seiner Wange war verwischt, und der Anblick stach in Scotts Herz wie ein eiskalter Dorn.
Avi nickte und griff nach seinem Pinsel, den er eben zu den Farbeimern gelegt hatte.
Er dachte, dass Scott nicht weiter nachfragen und weitermalen würde, aber er hatte sich geirrt.
Als er sich mit dem hellblau tropfenden Pinsel in der Hand wieder aufrichtete, stand Scott direkt vor ihm, mit zwei glänzenden Strichen auf jeder Wange.
Ein Lächeln stahl sich auf Avis Gesicht, als er sich ausmalte, wie begeistert von sich selbst Scott gewesen sein musste, als er sein Gesicht verzierte. Und dann wanderten seine Gedanken wieder zu dem Herz, und obwohl er fest davon überzeugt gewesen war, dass es ein Versehen und eigentlich nur ein normaler Punkt war, fragte er sich, wie er das hier überleben sollte.
„Komm her", murmelte Scott, noch immer seinen Pinsel in der Hand, doch das war ihm im Moment egal.
Innerlich sträubte sich der Ältere dagegen, in Scotts Arme zu sinken, und dennoch wusste er, dass es den Blonden nur noch misstrauischer machen würde, wenn er sich jetzt abwenden würde.
„Du kannst immer zu mir kommen, wenn was ist, das weißt du?", fragte Scott leise, als er die Arme um den Kleineren schloss, der mit geschlossenen Augen auf seiner Unterlippe kaute.
Er musste sich stark zusammenreißen, um Scotts Nähe nicht zu nahe an sich heranzulassen, sonst würde der Dolch in seinem Herzen nur noch tiefer stechen, und den Blutverlust würde er nicht aushalten.
Eigentlich hatte Scott den Älteren nur noch enger umarmen wollen, spürte er doch, dass es ihm ganz und gar nicht gut ging, allerdings stolperte er dabei über einen der Eimer und taumelte mit Avi in den Armen an die nächste Wand.
Avi beschwerte sich nicht, er ließ seinen Kopf weiterhin auf Scotts Schulter ruhen, um ihm nicht die Tränen zeigen zu müssen, die sich in seinen Augen gesammelt hatten.
Als dieser ihn jedoch sanft zurück und an die Wand drückte, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich so zu zeigen, wie er grade tief in seinem Innersten war: Zerbrochen und verletzt.
Der Schmerz funkelte noch immer in seinen Augen, als er seinen Blick vom Boden hob und Scott ansah.
Scott strich fassungslos über die Wange des Kleineren, die Menge an Gefühlen in dessen Augen erschlug ihn beinahe, ließ keinen klaren Gedanken seinerseits mehr zu.
Avi wandte seinen Blick wieder ab, sah aus dem Fenster.
Er hielt es nicht mehr aus, und er hasste sich selbst dafür.
„Scott, bitte", murmelte er mit brüchiger Stimme, die dem Größeren einen Schauer über den Rücken laufen ließ.
„Nein. Avi... Mir ist... Oh Gott, ich kann das nicht", sagte Scott mit einem hilflosen Lachen.
„Ist schon okay", flüsterte der Dunkelhaarige und strich sich eine Träne von der Wange.
„Ist es nicht! Avi, hör mir zu. Bitte." Das letzte Wort war kaum mehr als ein Wispern, und dennoch dröhnte es in Avis Kopf, als er seine Augen schloss, auf den alles vernichtenden Satz wartete.
Doch dieser kam nicht, ließ auf sich warten.
„Mir ist etwas klar geworden", begann Scott und räusperte sich. Auch seine Stimme wollte ihm nicht mehr gehorchen, brach immer wieder unter der Last der Worte.
„Es gibt eine Person in meinem Leben, die ich nicht mehr wegdenken kann und will. Mir ist klar geworden, wie viel sie mir bedeutet, und dass ich ohne sie wahrscheinlich gar keinen Sinn machen würde. Mir ist klar geworden, dass jeder andere Mann an meiner Seite eifersüchtig auf diese Person sein würde, weil ich mit ihr mehr Zeit verbringen will und würde als mit jedem anderen. Mir ist klar geworden, dass es sinnlos wäre, ihn gehen zu lassen, weil mein Herz nun mal ihm gehört. Und deswegen..."
„...kann ich nicht mit dir zusammen sein. Weil ich dich nicht betrügen will", vervollständigte Avi den Satz in Gedanken und schluckte die Tränen herunter, die schon wieder in ihm aufstiegen, auch wenn es nicht viel brachte, da Scott seine Arme neben Avis Kopf an der Wand platzierte und sich abstütze, während er sich gefährlich nahe zu dem Kleineren lehnte.
Tränen liefen über die Wangen des Basssängers, und der Größere wischte sie vorsichtig von seinem Gesicht, als würde er bei einer kräftigen Berührung zerbrechen.
Und genau so fühlte sich Avi, als würde es nur ein Wort von Scott brauchen, um seine Seele zu zerstören.
„...deswegen will ich mit dir zusammen sein, Avi. Weil ich es mir nicht vorstellen kann, dich an jemand anderen zu verlieren und ohne dich leben zu müssen", endete der Blonde und schloss die kleine Lücke zwischen ihnen.
Avi verlor sich in dem federleichten Kuss, in Scotts blütenzarten Berührungen, in dem berauschenden Schwindel, als Adrenalin wie Blut durch seinen Körper schoss und jede einzelne Zelle zum Kribbeln brachte, als seine Seele in tausend Einzelteile zerbrach, durcheinanderwirbelte, sich neu zusammenfügte.

Pentatonix - OneShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt