Kapitel 3

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Am nächsten Tag wurde ich von einem nervigen Staubsaugergeräusch geweckt. Wollt ihr mich verarschen? Anscheinend war jemand sehr erpicht darauf, sich mir meinem Zorn zu unterziehen. Ich versuchte erst das störende Geräusch abzuwehren in dem ich mir die Bettdecke über das Gesicht zog, aber das half nicht wirklich. Also entschloss ich mich, erst einmal einen Blick auf die Uhr zu wagen und stellte fest das es schon halb Elf war. Da es leider auch keinen Grund gab warum ich hätte im Bett bleiben können, stand ich auf. Mein erster Blick in den Spiegel verriet, dass ich in der Nacht weder Lust hatte mich abzuschminken noch meinen Schmuck abzulegen. Ich hatte lediglich mein Kleid ausgezogen, in dem es ohnehin zu ungemütlich zum schlafen gewesen wäre. Nach dem ich mir etwas anderes angezogen, meine Pandaaugen beseitigt und meine Haare von Fitzen befreit hatte ging ich runter und wollte dem Übeltäter Feuer unterm Hintern machen. "Wer um alles in der Hölle kommt auf die Idee jetzt Staub zu saugen?!" fragte ich sehr laut, damit es auch jeder hörte, als ich die Treppe runter ging. "Mama." sagte Melisandre die im Wohnzimmer ein Bild malte. "Wo ist sie? Die kann was hören!" entgegnete ich ihr, als ich in die Stube ging um zusehen was Mel malte. Es war ein Mädchen mit roten Haaren, einem gelben Kleid und Flügel. "Bist du das?" fragte ich als Mel mir keine Antwort auf meine erste Frage stellte. "Natürlich nicht. Oder siehst du hier irgendwo Flügel? Das ist einfach nur eine Elfe." antwortete die sieben Jährige darauf nur. Viel zu ernst für ihr Alter, die Kleine. Ich lächelte und machte mich wieder auf die Suche nach Mom. Ich fand sie schließlich im Garten, aber meine Wut war mittlerweile zu sehr abgeklungen und deshalb fragte ich einfach nur: "Warum machst du denn heute Großputz? Das ist doch sonst nicht deine Art.". Sie lächelte mich an und wickelte den Gartenschlauch auf. "Wir haben heute mit Juliette und Paul was zu feiern. Hatte ich das nicht erzählt?" Ich dachte kurz nach und schüttelte dann mit dem Kopf. "Was gibts denn zu feiern?" fragte ich neugierig, denn mir viel nicht mal ansatzweise irgendein Ereignis ein. "Heute vor 17 Jahren sind wir gemeinsam aus Paris hierher gezogen!" sagte sie freudig. "Die Geschichte habe ich euch doch schon so oft erzählt." Damit hatte sie Recht, so oft wie es nur ging erzählten sie es. Miara und Tyler hörten von ihrer Familie auch immer genau die gleiche Geschichte. Unsere Eltern haben sich während des Studiums kennengelernt und wollten aus dem stressigen Leben der Frankreicher Hauptstadt entfliehen. Sie wollten in einer ganz anderen Stadt und einem anderen Land, ganz weit weg von ihrer Familie, ein behütetes Leben führen. Miara und Tyler waren damals schon auf der Welt und meine Mutter hochschwanger. Wie ich durch die Geschichte lernte, scheint es sehr anstrengend zu sein mit Zwillingen umzuziehen, gerade für so junge Eltern. Seit dem Umzug hatte keiner Kontakt mit seiner Familie und wir Kinder lernten unsere Großeltern nie kennen. Ich weiß das Dad vier Schwestern hat, aber sonst hatte ich keine Ahnung von irgendwelchen Tanten oder Onkel. Miara und Tyler ging es ähnlich, sie wussten von einem Onkel, dem Bruder ihrer Mutter und mehr nicht. Unsere Eltern feierten den Umzug jedes Jahr, aber ich konnte mir das datum nie merken. "Und dieses Mal steigt die Party bei uns?" fragte ich, weil ich mir irgendwie ein bisschen seltsam vor kam, wie ich neben ihr stand während sie aufräumte. "Ja siehst du doch. Es wäre sehr nett wenn du mit helfen könntest, dein Vater ist gerade im Baumarkt und holt Grillkohle. Wir hatten sie Gestern vergessen und ich sagte noch das irgendetwas fehlt!" Aha. "Naja auf jeden Fall hat Melisandre ihr Zimmer schon aufgeräumt und du könntest das auch langsam mal machen." Genau das war mein Stichwort. Natürlich bin ich nicht direkt in mein Zimmer gegangen und habe im Eiltempo die Klamotten vom Boden aufgehoben, stattdessen hatte ich erstmal was gegessen. Es lässt sich schließlich viel besser mit gefülltem Margen arbeiten. Während ich mein Toast aß kontrollierte ich auch gleich meine Whatsappnachrichten. Drei Sprachmemos von Miara, zeigte es mir als erstes an. Neugierig hörte ich die erste an. Man hörte nicht besonders viel, aber das was man verstand war: "Elli! Elli!... Tyler... Kira... Schluss... gemacht... Nicht... Klasse" WOW, was für eine informative Nachricht. Die zweite Klang klar und deutlich und war mega kurz. "Tyler hat mit Kira Schluss gemacht!" Die letzte Nachricht hatte sie mir am Morgen 9:55 geschickt. "Tyler und Kira haben Schluss gemacht! Schreib mir wenn du wach bist! Ich muss dir alles erzählen, das ist so spannend! Aber Tyler ist mega genervt und aufgekratzt, nach dem Footballspiel heute Nachmittag will er unbedingt mit dir reden. Ich glaube er will einen Rat von seiner besten Freundin, aber es kann natürlich auch sein das er dich Gestern so mega in dem Kleid fand das er nicht mit dir als Kumpel sprechen will. Also schreib mir! Ich bin so aufgeregt." schrie sie fast in ihr Telefon. Deswegen saß sie also gestern nicht mit im Auto. Ich schrieb ihr, dass sie rüber kommen soll, da ich ja mein Zimmer aufräumen musste. Während ich auf sie wartete sah ich mir noch die anderen Nachrichten an. Eine Nachricht war von Tyler in der "Können wir heute Abend quatschen?" stand, ich antwortete mit "Ja klar" und sah mir die restlichen an. Von Emma hatte ich die Whatsapp:"Die Bilder von der Party sind auf meinem Blog online." und von einer unbekannten Nummer: "Hey, ich bins Finn. Ich hab deine Nummer von Emma. War echt ein schöner Abend gestern." Mehr hatte ich nicht. Ich speicherte Finn noch fix ein und ging dann Zähneputzen, ich hatte fürchterlichen Mundgeruch und wollte das Miara nicht antun. Gerade als ich fertig war klingelte sie, wir gingen in mein Zimmer und sie fing sofort an los zu erzählen, während ich erstmal meine Kleidung vom Boden aufhob und auf einen Haufen schmiss. "Also Gestern bei der Party waren Kira und Tyler ja noch zusammen da und du glaubst nicht wie es dazu gekommen ist, dass sie Schluss gemacht haben! Naja Tyler hat Schluss gemacht, sie ruft ihn immer noch aller ner halben Stunde an und will ihn davon überzeugen das er wieder mit ihr zusammen sein soll." brabbelte sie drauf los. "Und wie kam es dazu?" fragte ich um sie endlich mal auf den Punkt zu bringen. "Während der Party ist sie zu ihren Weibern gegangen und er hat mit seinem Footballteam rumgequatscht, als er sie dann suchen wollte war sie gar nicht mehr bei den Mädels ausm Cheerleaderteam und keine von denen hatte eine Ahnung wo sie ist." erzählte sie weiter während ich meine Klamotten zusammenlegte. "Er fragte Emma und sie meinte, dass sie Kira gesehen hat. Während sie einen Jungen küsst! Natürlich war es nicht Tyler, er war ja die ganze Zeit auf der Suche nach ihr, aber das wusste Emma nicht. Sie sagte zu ihm, ich zitiere, "Sie ist schon mal voraus in mein Zimmer gegangen, aber bitte beschädigt nichts!" Also ging Tyler in Emmas Zimmer und fand dort tatsächlich Kira mit Tim vor! Tim!!" Oh Shit "Wer ist Tim?" fragte ich als ich gerade eine Strickjacke auf den Bügel hing. "Kennst du überhaupt jemanden? Tim ist im Footballteam und recht gut mit Tyler befreundet. Naja auf jeden Fall hat Tyler sofort mit ihr Schluss gemacht. Ich mein, wer hätte das nicht? Er hat sie ja total erwischt, direkter gehts gar nicht! Ich erspar dir die Einzelheiten, auch wenn sie mir nicht erspart geblieben sind. Natürlich hat er ihr keine Zeit gelassen sich zu erklären. Er hat lediglich "Ich lass euch mal ein bissl Zeit für euch." gesagt und die Tür wieder zu gemacht. Darauf bin ich auch wirklich stolz, er ist überhaupt nicht ausgeflippt und hatte sich total unter Kontrolle." Noch nicht. Früher hatte Tyler Aggressionsprobleme und verkloppte jeden der ihm im Weg stand, seine Eltern konnten ihm nur durch eine Therapie lernen, dass man diese Aggression auch steuern kann und wie man es macht. "Das er noch nicht eskaliert ist ist gut. Ich wette das Footballtraining ist das beste für ihn." sagte ich zustimmend. Mir viel nichts besonders gutes für diese Situation ein. "Ich wusste schon immer das sie eine falsche Schlampe ist." sagte Miara und half mir beim einsortieren meiner Kleider nach Farbe. "Denkst du er hat sie geliebt?" fragte ich als ich das letzte Kleid in den Schrank hing. "SIE? Das bezweifel ich, sie war sicher eher ein Mittel zum Zweck, er mochte sie das weiß ich, aber wir müssens ja nicht übertreiben und gleich von Liebe sprechen... Was müssen wir noch machen?" fragte Miara als sie sich im Raum umsah. Mein Bett war noch von der Nacht zerwühlt, mein Bücherregal könnte mal aufgeräumt werden, mein Fernsehr abgestaubt, das Schminkzeug welches auf meinem Schminktisch lag könnte weg geräumt werden und das Schulzeug was auf meinem Schreibtisch verteilt war hätte auch mal wieder in die Schränke geräumt werden müssen. Stattdessen sagte ich: "Nur das Bett dann sind wir fertig.". Miara nickte und machte sich sofort daran die Kissen ordentlich zu sortieren, während ich die Bettdecke faltete. "Ich kann nur nicht verstehen, dass sie ihn betrügt. Schließlich hing sie ihm ja die ganze Zeit an den Lippen, er hat sie nicht andauernd befummelt." erklärte ich ihr. "Stimmt. Sind ihre Eltern nicht eigentlich strenge Christen?" fragte Miara und legte das letzte Kissen hin. "Keine Ahnung, ich habe mich nicht wirklich mit Kiras Leben auseinandergesetzt." antwortete ich lächelnd. "Hmm.. Was nun?" "Wie wärs mit surfen gehen? Der Tag ist noch jung und wir müssen eh erst um vier heute Nachmittag wieder hier sein." schlug ich vor, um das Thema zu wechseln. Wir gingen sehr oft surfen, ich liebe es. Ich kenne keinen anderen Sport bei dem man sich so leicht fühlt und wir leben schließlich in San Diego, wer will da denn nicht surfen?! "Klasse Idee, ich geh rüber, zieh mich um und hol mein Board. Wir sehen uns in einer halben Stunde am Strand." sagte Miara und rannte schon die Treppe runter, ehe ich hätte auch nur irgendetwas erwidern können. Darüber musste ich lächeln und ging ebenfalls runter, aber nur um Mom Bescheid zu sagen.

Ich liebte das surfen, aber dieses mal machten uns die Wellen einen Strich durch die Rechnung, denn es waren keine da. Das Wasser so hellblau und eben wie der Himmel über uns. Wir hatten keine einzige schöne Welle, die höchste war ca. zwei Meter hoch und nun wirklich nichts. Also lagen wir eigentlich die ganze Zeit nur auf unseren Brettern, warteten auf eine unwahrscheinliche Welle und sonnten uns. "Ich kann es mir irgendwie nicht vorstellen." sagte Miara plötzlich, als wir auf dem Wasser trieben. "Was? Das mit Tyler und Kira?" fragte ich etwas unsicher, ich hatte keine Lust schon wieder über dieses Thema zu reden. "Ja das auch, aber ich meinte eigentlich das unsere Eltern damals ausgewandert sind." Ich setzte mich auf und war etwas erschrocken darüber. Wir sprachen eigentlich selten darüber, es war halt einfach so und das ist Fakt. Ich wusste natürlich das Miara es nicht wirklich verstand, allerdings hatte ich nicht gedacht das sie es noch immer so beschäftigt. "Wieso?" fragte ich also. "Paris ist so eine tolle Stadt und wer gibt denn freiwillig seine Familie komplett auf? Wer bricht den Kontakt so drastisch ab nur weil man einen behüteteren Ort für seine Kinder will?" stellte sie die Fragen in den Raum. Ich kannte die Antworten nicht. "Warst du jemals in Paris?" fragte ich also zurück. "Woher willst du denn wissen ob es dort toll ist? Vielleicht lebten unsere Eltern ja in einem der ärmeren Stadtteile." Sie sah mich nur überlegt an und sagte:"ist schon möglich".

Irgendwann gaben wir die Hoffnung auf Wellen auf und gingen nach Hause. Also erst zu Miara und dann zu mir, wir mussten ja noch ihr Board wegräumen und sie sich was ordentliches anziehen. Als wir dann bei mir Zuhause waren warteten die anderen, also meine Eltern, Mel und die restliche Familie Rubis, abgesehen von Miara schon auf uns. Ich lehnte das Board an unsere Hauswand und rannte hoch um mir was anderes anzuziehen, Miara ging in der Zeit schonmal zu den anderen in den Garten. Ich entschloss mich schnell für ein schwarzes Top und eine blaue Hotpants und rannte wieder runter. Als ich in den Garten kam, begrüsste ich die Eltern von Miara und Tyler, Juliette und Paul. Außerdem sagte ich meinem Dad Hallo, der gerade den Grill vorbereitete und setzte mich neben Tyler, den ich ebenfalls mit einer Umarmung begrüsste. "Wie gehts dir?" fragte ich ihn. "Auch schon von gehört? Ich nehme an Miara hat dir alles erzählt?" Ich nickte "Bis ins kleinste Detail." Tyler drückte die Lippen zusammen und meinte nur:"Das spielt jetzt erstmal keine Rolle mehr." und damit hatten wir den restlichen Abend keine Chance mehr auf dieses Thema zu sprechen zu kommen. Melisandre beschwerte sich noch vier mal darüber das ich nicht noch einmal mit ihr Monopoly gespielt hatte, obwohl ich es ihr ja versprochen hatte und ich entschuldigte mich jedes mal dafür. Es gab genügend zu Essen für alle und es wurde viel geredet, über alles mögliche: die Nachbarschaft, die Arbeit, unsere Schule, was die Regierung neues wollte und welche anderen Feiern in Zukunft anstehen würden. Als es draußen kalt wurde gingen unsere Eltern schon einmal rein, aber wir blieben noch eine weile mit Melisandre draußen am Lagerfeuer sitzen und erzählten Witze. Doch Plötzlich hörten wir aus der Küche einen lauten Knall und einige seltsame Geräusche die folgten. "Was warn das?" fragte Tyler ein wenig irritiert, da er gerade am erzählen war. "Mom, Dad? Alles Okay?"rief ich, aber da keine Antwort kam sahen wir uns alle nur an und rannten rein. "Mama? Papa?" rief Melisandre etwas verängstigt. "Wenn das ein Scherz sein soll, dann ist er nicht lustig!" sagte Tyler, als wir im Wohnzimmer niemanden fanden. Kaum betrat ich die Küche, bekam ich den Schock meines Lebens. Sie war total ruiniert; Scherben eines Weinglases lagen auf dem Boden, Messer waren aus dem Messerblock gezogen, ein Fenster war eingeschlagen, die Stühle umgeschmissen, die Schubladen einiger Küchenschränke geöffnet und deren Inhalt quer über den Fußboden verteilt. "Ich habe einen Zettel gefunden!" rief Mel und hob den besagten Zettel vom Boden auf. "Es wurde was drauf gekritzelt, aber ich kann es nicht lesen." sagte sie und hielt ihn mir hin. "Sucht in der Vergangenheit"las ich vor. "Was soll das heißen und wo ist Mama?" fragte Mel erneut. "Ich habe keine Ahnung."

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