Kapitel 6

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27. Mai 1997

In unserer Familie ist es üblich, dass die Frauen Tagebuch über die Geschehnisse unseres Zirkels und dem persönlichen Leben führen. Den Männern ist es nicht gestattet in dieses Buch einen Blick zuwagen. Da ich, aber auf Nummer sicher gehen will, dass mein Vater nichts von dem versteht, schreibe ich in englischer Sprache, statt auf französisch. Vater sagt es ist nun, seit dem Tod meiner Mutter Josephine  Eng am 25. Mai 1997, an der Zeit das ich (Natalie Eng) die Tradition weiter führe. Also schreibe ich alles auf. 

Meine Mutter ist durch die Hand von Christoph Rubis gestorben. Da ich eine Frau bin, habe ich keine Erlaubnis dieses Geschehen zu hinter fragen. Ich weiß nicht viel darüber, woher sollte ich es auch wissen, aber wie es scheint wollte meine Mutter sich dem Zirkel nicht mehr weit genug beugen und musste so zum Schweigen gebracht werden. Mein Vater verlor kein einziges Wort darüber, aber Madam Lester war so nett und erzählte mir, dass meine Mutter sich nicht das Leben genommen hatte, wie es jeder behauptete. Natürlich ist es mir nicht erlaubt die ganze Situation in Frage zustellen, ich bin schließlich die Tochter einer der Mitanführer, aber ich zweifle trotzdem. Mich nerven die Regeln derzeit enorm. Die Vorschrift, dass ich nur mit jemandem aus dem inneren Kreis zusammen sein darf, ist am schlimmsten. Beim Studium sind so viele hübsche Männer, einer zeigt sogar Interesse an mir. Er heißt Sören und kommt aus Stockholm, am liebsten würde ich für ihn die Regeln brechen. Was mich allerdings am meisten stört ist, dass keiner weiß wo das Tagebuch von Mutter ist oder es mir nur keiner geben will. Ich möchte es unbedingt lesen, vielleicht hat sie darin aufgeschrieben was im Innersten Zirkel vor sich geht, denn Vater hat ihr alles anvertraut. Das ist die einzige Möglichkeit für Frauen hier überhaupt etwas zu erfahren, was legal ist. Furchtbar frauenfeindlich sind sie hier. Ich bin froh das ich wenigstens Modemanagement studieren kann, Vater brauchte ewig um den Großmeister davon zu überzeugen. Nun zu Heute: Ich war zusammen mit Juliette Agent ein Kleid für die Beerdigung kaufen und anschließend in einem Cafe in der Nähe vom Louvre. Vater drängte mich dazu endlich mit dem Tagebucheintrag zu beginnen und Christoph Widerling von Rubis hat mir ins Gesicht gelächelt, so getan als wäre nichts gewesen und gesagt das ich ja mal mit seinem Sohn Paul ausgehen könnte. Was denkt der sich denn?! Als ob ich mit dem Sohn des Mörders meiner Mutter ausgehen würde. Natürlich sagte ich ihm das nicht, ich hatte ja keine Beweise für die Tat und dürfte es auch eigentlich nicht wissen. Also hatte ich ihm nur gesagt das ich darüber nachdenken würde, logischer Weise tat ich es nicht. Zum Abendbrot saßen wie immer alle Urfamilien zusammen, ich schwieg. Ich hatte schlechte Laune  durch Rubis bekommen. 

28. Mai 1997

Heut war ein mehr oder weniger Erfolgreicher Tag in der Uni, aber darum soll es hier nicht gehen. Am Nachmittag fand die Beerdigung statt, es war die zweite auf der ich jemals war. Unsere Beerdigungen kann man nicht mit normalen vergleichen. Als ich das zum ersten mal erlebte, war es der Schock meines Lebens. Damals war es mein Onkel Steve Eng. Die Toten werden bei unseren Beerdigungen nicht herausgeputzt, weder gereinigt noch in andere Sachen gesteckt. Die Toten werden lediglich so gelegt das sie in den Sarg passen, das ist die einzige Veränderung die an ihnen vorgenommen werden darf. Keine Ahnung wer sich das ausgedacht hat. Bei Onkel Steve ging es noch, er starb an Krebs und sah deshalb noch ganz in Ordnung aus. Bei Mutter allerdings war es furchtbar. In ihr steckte noch das Messer, welches ihren Tod verursachte, überall war Blut und ihr Augen waren weit aufgerissen. Ich musste mich sehr zusammenreißen um Christoph nichts anzutun. Hätte er sie nicht anders töten können?  Die Feier fand im großen Saal statt und es waren viele Menschen anwesend. Wenn jemand aus einer Urfamilie stirbt, dann wird ihm zu Ehren ein großes Fest veranstaltet, jedes Mitglied des Zirkels ist eingeladen und erscheint meist auch. Nach dem jeder Mann einer Urfamilie etwas zur gestorbenen Familie sagt und eine Rose in den Sarg legt, verändert sich die Veranstaltung von einer Beerdigung zur Party. Es wird viel getrunken, geredet und wenn der Sarg weggeräumt wird, sogar getanzt, natürlich nur Standardtänze. Die ganze Sache ähnelt sehr einem Ball und wer nicht schon immer mit so etwas aufgewachsen ist, fände das auch sehr geschmacklos und unrespektvoll. Es wurde viel gelacht, aber ich und mein Vater gehörten nicht zu ihnen. Ich verbrachte den restlichen Abend mit Juliette und Toren Agent. Sie fühlten wie immer mit mir. Am späten Abend kam noch ein Ehrengast den ich vorher nicht kannte. Wie sich herausstellte war es Jasper Tuteur, der Sohn des Großmeisters, bis dahin wusste ich gar nicht das er überhaupt einen Sohn hatte, ich kannte nur seine vier Töchter. Ich hörte von Toren das er nur drei Jahre älter sei als ich und die restlichen fünf in Marseille gelebt hat. Ich hätte ihn gern kennen gelernt, man freut sich immer über andere Gesichter, allerdings hatte ich ihn den ganzen Abend nicht gesehen. 





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