Deserteur / h.s

30 - Louis&Elise

14.Mai 1912

„Guten Tag, mein Name ist Elise Lohmann und ich bin hier wegen der Bewerbung. Ich suche den Chef.", begrüßt die Frau den Mann vor sich und streckt die rechte Hand in seine Richtung aus. Mit dem linken Arm drückt sie ihre Unterlagen an ihre Brust.

Ein verschmitztes Grinsen schleicht sich auf die Lippen ihres Gegenübers, als er sie mit einem festen Händedruck willkommen heißt. „Freut mich, Frau Lohmann. Zu Ihrem Glück ist Ihre Suche nach dem Chef bereits beendet.", erklärt er ihr, woraufhin sie verwirrt die Augenbrauen zusammenzieht. Er winkt einen anderen Mann heran und weist diesen an: „Das hier ist meine potentielle neue Sekretärin, nimm ihr doch bitte die ganzen Papiere ab und bringe sie in mein Büro."

Anschließend wendet er sich wieder Elise zu und sieht zu, wie der Mitarbeiter nach ihren Unterlagen greift, welche sie ihm stumm dankend gibt. Die ganze Zeit über liegt ihr wachsamer Blick auf dem fremden Mann vor sich, irgendetwas an ihm weckt ihr Interesse.

„Nun, wo bleiben meine Manieren.", lacht er leise, seine strahlend blauen Augen wandern über ihren Körper, seine Zunge befeuchtet die Lippen. Nachdem er Elise den rechten Arm zum Einhaken angeboten hat und darauf wartet, dass sie seiner stummen Anweisung nachgeht, stellt er sich endlich vor: „Mein Name ist Louis Tomlinson, der Chef dieser Firma. Wenn ich Sie bitten dürfte, mit mir durch Ihren zukünftigen Arbeitsplatz zu wandern, damit Sie nicht gleich an Ihrem ersten Tag die Orientierung verlieren."

Während die Frau sich zögerlich bei ihm einhakt, forscht sie mit unsicher klingenden Stimme nach: „Sie hören sich an, als wäre ich bereits eingestellt. Sollten Sie mich nicht zuerst auf meine Qualifikationen testen, bevor Sie mir eine Arbeit geben?" „Mir gefällt Ihre durchdachte Denkweise, Frau Lohmann, aber allein Ihr Auftreten ist für mich Grund genug, sie als meine Sekretärin zu nehmen.", erklärt Louis ihr und setzt sich in Bewegung.

Sie gehen an stumm werkenden Arbeitern vorbei, deren Blicke sich jedoch sofort heben, als ihr Chef sich ihnen nähert. Höflich begrüßt dieser jeden einzelnen, bekommt als Reaktion lediglich staunende Gesichter. Sie alle starren die Frau an seinem Arm an, die sich interessiert umsieht. Ihre Aufmerksamkeit widmet sie wieder dem Mann rechts neben sich, als er sich räuspert.

„Weiters wäre es mir eine Ehre, Sie jeden Werktag an meiner Seite sehen zu dürfen.", zwinkert Louis ihr charmant zu, woraufhin sich ihre Wangen tiefrot färben. Geschmeichelt sowie auch ein klein wenig peinlich berührt, da sämtliche Arbeiter in diesem Raum sie ansehen, wendet sie ihr Gesicht dem Boden zu. Mit einer Hand vor den Mund gehalten kichert Elise leise und murmelt: „Ach, Sie schmeicheln mir viel zu sehr dafür, dass ich noch nichts für Sie getan habe."

„Das lässt sich schnell ändern.", flüstert der Mann nahe an ihrem Ohr und richtet sich anschließend wieder auf. Nun bemerkt auch er, wie seine Angestellten die Frau angaffen, Eifersucht macht sich in ihm breit, wodurch er laut ruft: „Alle zurück an die Arbeit! Ich bezahle euch nicht für das Anstarren meiner Sekretärin."

2.September 1912

Gestresst fährt Louis sich durch die Haare, die vielen Zettel vor seinen Augen bereiten ihm bereits Kopfschmerzen. Er stößt einen frustrierten Schrei auf und lehnt sich tiefer in seinen Ledersessel. Wenige Momente später öffnet sich die Tür zu seinem Büro und der Kopf seiner Sekretärin späht durch den Spalt hinein.

„Chef, ist alles ok? Ich wollte gerade nach Hause gehen, da habe ich Sie schreien gehört.", fragt sie nach und wird von dem Mann stumm mit einer Handbewegung aufgefordert, den Raum zur Gänze zu betreten. Er zeigt auf das Papier, das seinen ganzen Schreibtisch bedeckt und lacht sarkastisch auf, bevor er ihr antwortet: „Sieht das aus, als wäre alles ok? Ich hätte diese ganze Scheiße bereits heute Nachmittag erledigt haben sollen, aber dank meinen unnützen Arbeitern hat sich alles verzögert. Jetzt wird es bereits dunkel und ich sitze noch immer hier fest, bezweifle, dass ich bald dieses verdammte Büro verlassen kann."