2. Diagon Alley

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30. August 1991 - Spinners End/Winkelgasse


»Dad? Am besten gehen wir heute in die Winkelgasse. Am letzten Tag vor Schulbeginn wird es doch sicher zu voll sein, oder?«, fragte die inzwischen 11-jährige Tochter von Severus Snape mit großen Augen; die Liste schon in der Hand. Der Mann seufzte und ging dem Wunsch seiner Tochter nach. Es war wirklich eine bessere Idee, als erst morgen zu gehen, wenn alles voll sein würde. »Nimm meine Hand«, forderte er sie auf. Sie nahm seine Hand und gemeinsam apparierten sie.

Das komische Gefühl der Verzerrung breitete sich in Artemis' Magengegend aus, als sie zusammen praktisch durch Raum und Zeit glitten. Zum Glück war sie inzwischen schon einigermaßen daran gewöhnt, sodass ihr nicht mehr kotzübel dabei wurde. Der Ausgangspunkt war direkt vor einem Laden für Schulbücher: Flourish & Blotts. Artemis sah erneut auf den Zettel, auf dem alles stand, was sie brauchte. Danach gingen die beiden rein.

Das Geschäft sah von innen viel größer aus, als von außen. Überall lagen Bücher auf Regalen, die bis zur Decke gingen. Das Mädchen wollte es sich nicht anmerken lassen, aber sie freute sich wie ein kleines Kind. Natürlich war sie schon öfter in der Winkelgasse, aber da hatte sie nicht den Hintergedanken im Kopf, dass sie schon bald nach Hogwarts kommen würde. »Hier ist es so schön«, merkte sie an. Und das war es auch.

Artemis sah, abgesehen von ihren schwarzen, gewellten Haaren, vielleicht aus wie ihre Mutter, doch die wesentlichen Charakterzüge hatte sie von ihrem Vater. Daher war es auch kein Wunder, dass sie sich in einem Bücherladen so wohl fühlte. Die beiden gingen nach vorne an die Theke und Artemis gab dem Mann ihre Liste, der kurz darauf mit den benötigten Büchern zurückkam. 

Das nächste Ziel war Madam Malkins Anzüge für alle Gelegenheiten, wo sie die Uniform sowie einen einfachen Spitzhut, ein paar Schutzhandschuhe und einen Winterumhang herbekam, nachdem Madam Malkins ihre Maße nahm. Dabei stieg die Nervosität des Mädchens mit jeder Sekunde, die verging. Sogar Snape musste sich ein winziges Lächeln verkneifen - doch eigentlich musste er das öfter, wenn er sich seine Tochter so ansah. Obwohl sie ein ziemlich ruhiges und eher stilles Mädchen war, das nicht gerade zu Gefühlsausbrüchen neigte, -genau wie er auch-, konnte man in ihren Augen sehen, was sie gerade fühlte. Das war eine der Sachen, die sie von ihrer Mutter hatte.

Als sie auch die Kleidung hatten, holten sie noch die benötigten Hilfsmittel für den Zaubertränke Unterricht - eine von Artemis' Ängsten. Da ihr Vater der Professor für Zaubertränke war, hatte sie Angst davor, seinen Ansprüchen nicht gerecht zu werden. Doch sie verdrängte den Gedanken so gut es ging und schob ihn weit weg in ihren Hinterkopf, damit niemand daran kommen könnte.

»Ein Kessel, ein Sortiment Glasfläschchen, ein Teleskop und eine Waage aus Messing. Jetzt fehlt nur noch eine Katze und der Zauberstab«, sagte Artemis in einer fröhlichen Tonlage, die Snape von ihr nicht wirklich gewohnt war. Die Wahl des Haustieres war schnell gefallen, da die meisten Zaubererfamilien eh schon eine Eule besaßen, und das Mädchen nicht gerade der größte Krötenfan war. Außerdem waren Katzen ihre liebsten zahmen Tiere. Also holte sie sich eine schneeweiße, flauschige kleine Katze, die himmelblaue Augen hatte, in die sie sich auf Anhieb verliebte, und nannte sie Athena, da ihre Mutter Katzen ebenso liebte. Außerdem erinnerte sie der Charakter der Katze an den ihrer Mutter, soweit sie ihn aus Erzählungen beurteilen konnte.

Und somit waren sie auch damit fertig - was hieß, dass sie nun endlich ihren Zauberstab bekam. Das war wohl die Sache, auf die sich alle Schüler am meisten freuten, und auch Artemis gehörte dazu. Sie fragte sich schon immer, welches Holz ihr Zauberstab wohl haben würde, und welchen Kern er hätte. Nun war der Zeitpunkt gekommen, an dem sie es erfahren würde.

Gespannt ging sie durch die Tür des kleinen Ladens mit dem Namen Ollivanders. Dort drinnen erwartete sie schon ein älterer Mann mit weißen Haaren und einer schmächtigen Figur. »Ah, Snape. Guten Tag.« Danach wandte er seinen Blick von dem schwarzhaarigen, großen Mann ab und ließ ihn zu dem zierlichen Mädchen schweifen, das selbstbewusst und gleichzeitig irgendwie schüchtern neben ihm stand. »Wie ich sehe, haben Sie jemanden mitgebracht.«

»Artemis Freya Snape«, stellte sie sich vor, obwohl ihr klar war, dass er ihren Namen bereits kannte. »Freut mich, dich kennen zu lernen. Ich hab schon viel von dir gehört.« Mit dieser Antwort hatte das Mädchen nicht gerechnet, doch sie dachte sich nicht viel dabei. Schließlich hätte niemand je damit gerechnet, dass Severus Snape jemals ein Kind haben würde. »Mich freut es ebenfalls«, erwiderte sie später darauf.

Ihr Blick schweifte zu den vielen kleinen Verpackungen, in denen hunderte Zauberstäbe nur darauf warteten, ihren neuen Besitzer zu finden. Anscheinend bemerkte das auch Ollivander, da er leise in sich hinein lachte. »Nun gut, dann sehen wir mal nach einem geeigneten Zauberstab für dich.« Somit maß er Artemis' Arme und stellte fest, dass sie Rechtshänderin war. Danach drehte er sich um und ging zielsicher auf eine bestimmte Ecke zu, aus der er eine Schachtel holte, die er Artemis gab. Sie öffnete sie und holte ihn raus.

Es war ein schöner, ziemlich heller Zauberstab. »Kastanie, 9 1/2 Zoll, leicht federnd mit einem Einhornhaar als Kern.« Sie betrachtete ihn erst eine Weile, bevor sie mit der Hand wedelte. Plötzlich wirbelten ein paar Blätter herum, die dann allesamt auf dem Boden landeten. »Das ist dann wohl der Falsche«, sagte Mr. Ollivander eher zu sich selbst, als zu den beiden.

Er ging nochmal zu einem der Regale und suchte einen anderen heraus, den er anschließend wieder dem Mädchen gab. Dieses mal mit den Worten »Hartriegel, 10 Zoll, Drachenherzfaser, sehr flexibel.« Sie machte erneut die Bewegung von vorhin, doch dieser Stab gab noch mehr zu verstehen, dass er nichts für sie war. Ein paar Sachen fielen mit einem lauten Knall auf den Boden, sodass selbst Snape fast zusammenzuckte. »Mein Fehler, ich hätte es wissen müssen. Nun gut-«, sagte Ollivander, bevor er den dritten holte. Als er oben am Regal stand, hielt er mitten in seiner Bewegung inne. »Ja.. ja. Das muss es sein.«

Kaum hielt Artemis den Zauberstab in der Hand, fühlte sie eine kribbelnde Wärme an ihrem ganzen Körper. Im gleichen Augenblick flog ein Windzug durch den kleinen Laden, der komischerweise nicht kalt, sondern eher angenehm war. »Zedernholz, 10 1/4 Zoll, Einhornhaar-Kern und unbeugsame Flexibilität.« Das Mädchen sah ihn mit einem fragenden Blick an, weshalb er fortfuhr. »Zedernholz-Zauberstab-Träger weisen Charakterstärke und ungewöhnliche Loyalität auf. Jemand mit diesem Stab lässt sich niemals täuschen. Der Stab findet seinen idealen Platz dort, wo Scharfsinn und Aufnahmefähigkeit herrschen. In den Besitzern, die mit der Zeder gut zusammenpassen, steckt oft das Potential für einen furchterregenden Gegner, zum Entsetzen jener, die sie gedankenlos herausgefordert haben.«

Ihr Vater sah mit einem fast schon wissenden Blick zu ihr, auf den sie ein Lächeln entgegnete. »Keine Sorge, Dad. Du wirst mich schon nicht gedankenlos herausfordern.« Ollivander lachte als Antwort auf diesen Kommentar, bevor er die Galleonen entgegen nahm und die beiden verabschiedete. Das Mädchen nahm erneut die Hand von Snape, bevor sie wieder apparierten und bereits zu Hause waren.

»Hast du es geahnt?«, fragte sie Severus nach einer Zeit. Er sah von ihr weg und setzte sich auf den Sessel, in dem er immer saß. »Ich wusste schon immer, dass du eine ungewöhnliche Charakterstärke hast und äußerst loyal bist. Also ja, ich habe es geahnt«, war seine Antwort darauf. Genauer wollte er anscheinend nicht darauf eingehen, doch Artemis hatte kein großes Problem damit. Bevor sie allerdings auf ihr Zimmer ging, verabschiedete sie sich noch von ihrem Vater. »Danke, Dad-«, fing sie an, »Und gute Nacht. Ich hab dich lieb«, flüsterte sie, als sie ihn umarmte. Er reagierte -wie immer, wenn sie so etwas tat- etwas unbeholfen, doch erwiderte die Umarmung schließlich doch noch. Und als das Mädchen oben war und ihn somit in der Dunkelheit der Stille alleine ließ, fiel ihm noch einmal auf, wie einsam sein Leben ohne seine Tochter sein würde.

his fortune mahonia ➳ s. snapeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt