9. Undiscovered Myths

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Drei Tage. Drei Tage waren seit dem Gespräch mit Artemis' Vater vergangen, und seit drei Tagen benahm sie sich komisch. Zumindest kam es Lisa und Hermine so vor. Die beiden Mädchen stellten schon so einige Vermutungen und Spekulationen auf, doch keine wollte so richtig ins Bild passen. Was sollten sie also tun, um den Grund dafür herauszufinden?

Sie beide wussten, wie eigentlich jeder andere auch, dass Artemis von Grund auf ein introvertierter, verschlossener Mensch war, also brauchten sie sich gar nicht die Mühe zu machen, sie zu fragen - nicht, dass sie es nicht trotzdem versucht hätten. Doch irgendetwas kam den beiden an der Sache komisch vor, sie wussten nur noch nicht was.

»Aya-«, sagte das blonde Mädchen mit den strahlend grünen Augen, »Zeit zum Aufstehen.« Ihre Freundin gab nur ein halbherziges »Hm« als Antwort, bevor sie sich in das Badezimmer verzog, um sich dort für den Unterricht fertigzumachen. Seit drei Tagen ging das so, und es ließ Lisa einfach nicht los. Was passierte an dem Tag, dass es Artemis so mitnahm?

Bevor Lisa erneut jegliche Spekulationen aufstellen konnte, zwang sie sich selbst dazu, es dabei zu belassen. Im Endeffekt würde es ihr nicht weiter helfen, ganz im Gegenteil, es würde ihr nur noch mehr zusetzen. Stattdessen dachte sie daran, dass sie es zusammen schaffen könnten, sie aufzuheitern. Deshalb hatten die beiden Mädchen zusammen mit Neville am Vortag auch einen Plan gemacht. Jetzt mussten die Drei nur noch darauf hoffen, dass er auch funktionierte.

An diesem Tag, es war ein Mittwoch, sah der Stundenplan der Ravenclaws ganz gut aus. Verteidigung gegen die dunklen Künste mit den Hufflepuffs, Geschichte der Zauberei mit den Gryffindors und Astronomie mit den Slytherins.

In Verteidigung gegen die dunklen Künste passierte nicht viel, das hieß bis auf einen Vorfall mit Professor Quirrel. Als Hannah Abbot ihn nach seinem Kampf mit dem Vampir fragte, wurde er immer leiser und sein Stottern wurde noch schlimmer, als es eh schon war. Danach wurde er so blass, als wäre er selbst ein Vampir gewesen.

»Wenn du mich fragst, ist das Schwachsinn, was er da erzählt«, sagte Lisa zu Artemis, um den Einstieg in ein Gespräch einzuleiten, »Wie soll er den Vampir denn besiegt haben? Der wurde sicher verscheucht von seinem Gestottere. Oder von dem Geruch, der aus seinem Turban kommt. Igitt.«

Auf diese Aussage erwiderte Artemis zu Lisa's Erstaunen sogar ein ernstgemeintes Lächeln. »Ich tippe eher auf letzteres«, antwortete sie schließlich darauf. Lisa wollte eigentlich noch etwas sagen wie Redest du jetzt wieder mit uns? oder Zum Glück hast du wieder etwas gesagt, aber sie dachte, dass Artemis diese Aussagen falsch verstehen könnte, also ließ sie es bleiben und erwiderte darauf nichts außer ein Lächeln.

Der Geschichte der Zauberei-Unterricht verlief genauso trocken, wie die Hogwartsschüler es gewohnt waren. Lisa und Hermine waren wohl die einzigen Schüler, die dieses Fach liebten - selbst Artemis fand den Unterricht langweilig. Doch damit, dass ihre beiden Freundinnen eine weitere Gemeinsamkeit hatten, hatte Snapes Tochter kein Problem. Ganz im Gegenteil.

Als auch der Astronomie-Unterricht, der eines von Artemis Lieblingsfächern war, beendet wurde, gingen die Schüler erst einmal in die Große Halle, um dort etwas zu essen. Danach wurde es für Hermine, Lisa und Neville Zeit, ihren Plan einzuleiten. Dabei hatten sie Hilfe von keinen Geringeren, als den Meistern persönlich: Fred und George Weasley.

Den Dreien kam es somit mehr als gelegen, dass Artemis noch einen Abstecher in die Bibliothek machen wollte. Sie bereiteten alles vor, solang sie weg war. Danach blieb sogar noch etwas Zeit übrig, in denen sie sich über dies und jenes unterhalten konnten - bis zu dem Zeitpunkt, an dem das schwarzhaarige Mädchen zurückkam.

Die drei Freunde versteckten sich hinter den Bäumen auf der Wiese des Schulgeländes, während sie jeden ihrer Schritte genau beobachteten. »Hermine?«, rief das Mädchen halblaut, »Neville? Lisa?«, versuchte sie es erneut. Sie fragte sich, wo ihre Freunde wohl waren. Eigentlich hatten sie ausgemacht, sich um diese Uhrzeit dort zu treffen. Oder waren sie schon gegangen, weil Artemis sich um ein paar Minuten verspätete?

Noch bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, flog etwas direkt vor ihrem Gesicht an ihr vorbei. Einen Moment lang dachte sie noch, sie hätte es sich nur eingebildet, bis der zweite Funken auf sie zuflog. »Was zum-«, konnte sie noch von sich geben, bevor sie bereits losrannte. Leider brachte es nicht viel, da die Funken sie einholten; doch als sie ihren Körper berührten, verwandelten sie sich in winzig kleine Schmetterlinge, die schließlich kreuz und quer um das Mädchen herumflogen.

Sie stand einfach dort, lachte und versuchte später, die Schmetterlinge zu fangen. In diesem Moment beobachtete sie jemand. Es war ihr Vater, der sich seinen Teil dazu dachte. Auch für ihn war es, seit sie erfuhr, was sie höchstwahrscheinlich war, das erste Mal, dass er sie lachen sah. Sie sah so sorglos aus wie nie zuvor. Dann kamen auch Neville, Hermine und Lisa ins Bild, die mitmachten. Und zum ersten Mal seit Jahren fühlte sie sich wieder wie ein Kind.

»Ich danke euch, Leute. Ihr seid die Besten«, sagte Artemis, als sich auch die letzten Schmetterlinge wieder in Luft auflösten. Erst ganz langsam, dann mit einem lauten Knall. Anstatt etwas darauf zu antworten, umarmten die Drei sie einfach.

Als sie sich nach dem Abendessen vorerst voneinander verabschiedeten, hatte Hermine jedoch noch etwas vor. Während der Überraschung von eben ließ Artemis etwas fallen. Um genau zu sein war es ein Buch mit einem farbenfrohen Bund, auf das in großen, roten, grünen, gelben und blauen Buchstaben etwas geschrieben stand: Eamus quaesitum quatuor elementorum naturas.

Hermines Latein war zwar nicht fortgeschritten, doch sie wusste, dass quatuor elementorum naturas so etwas bedeutete, wie vier Elemente der Natur. Auch das quaesitum konnte sie ableiten. Falls sie sich also nicht komplett täuschte, sollte es so etwas heißen, wie gehe auf die Suche nach den vier Elementen der Natur.

Aber was hatte das nun zu bedeuten, und wieso trug Artemis so etwas mit sich herum? Hermine dachte, die Antwort darauf in genau diesem Buch zu finden, doch nach der ersten Seite wurde ihre Hoffnung zerstört. Das Buch war in alten Runen geschrieben. »Merkwürdig«, sagte sie zu sich selbst.

»Was ist merkwürdig?«, fragte Neville, der sich von hinten an sie heran schlich und Hermine somit erschreckte. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie es ihm sagen sollte. »Ach, nichts.« Er sah sie mit einem fragenden Blick an, doch ging nicht weiter darauf ein. Eines stand jedoch fest: das braunhaarige Mädchen hatte es sich zur Aufgabe gemacht, herauszufinden, was es mit diesem mysteriösen Buch auf sich hatte - und vor allem, wieso Artemis sich mit so etwas beschäftigte. Vorerst würde sie aber erst einmal schlafen gehen.

* * * * *

»Aya?«, fragte Lisa ihre Freundin in einem Flüsterton, »Bist du noch wach?« Diese setzte sich auf und sah in die Richtung des Bettes, in dem das blonde Mädchen mit den leuchtend grünen Augen lag. »Ja, wieso fragst du?«

Für eine Sekunde war es vollkommen ruhig. Die anderen Mädchen im Schlafsaal waren wie immer schon am Schlafen. Außer des Windes, der durch die schmale Öffnung der Fenster in das Zimmer kam, und dem Atemgeräusch der Kinder war nichts zu hören. Das hieß bis Lisa sich entschied, doch noch auf die Frage zu antworten. »Ich habe mir Sorgen gemacht, weißt du?«

Artemis runzelte die Stirn; nicht, dass Lisa es sehen konnte. »Wieso das?«, fragte sie. Eigentlich war sie sich sicher, die Antwort zu kennen, doch sie fragte sicherheitshalber trotzdem nochmal nach. »Du weißt, wieso«, erwiderte das andere Mädchen darauf. Also lag es an dem Grund, den die Tochter von Snape vermutet hatte.

Draußen war es dunkel, und doch fiel ein heller Lichtstrahl durch die Nachtluft herunter auf die Erde, der das Verborgene sichtbar machte. Artemis fühlte sich in diesem Moment genau so, wie die Erde sich fühlen würde, wenn sie denn fühlen könnte.

Auch in ihr schlummerte etwas Verborgenes; Kräfte, von denen sie bis vor kurzem nichts wusste. Diese waren in gewisser Weise wie das Mondlicht, das einen Teil der Dunkelheit wieder erleuchtete. Gleichzeitig waren sie aber auch wie Nebel; undurchschaubar, trüb, blind machend, und somit vor allem gefährlich.

»Aya?«, hakte ihre Freundin nach, als sie auch nach einer Minute keine Antwort bekam. Schließlich konnte sie sich doch noch auf die Unterhaltung konzentrieren. »'Tschuldige«, begann sie leise, »Bei mir ist alles in Ordnung. Und wie sieht es bei dir aus?«

»Aya-«, wiederholte die Blondine in einem -versucht- bedrohenden Ton. »Du denkst doch nicht wirklich, dass ich dir das jetzt glaube, oder?« Wieder ließ sich das Mädchen Zeit, zu antworten. Dafür war diese Antwort jedoch umso verwirrender für Lisa. »Es gibt gewisse Dinge, die lieber unentdeckt bleiben sollten«, sagte sie leise. Danach drehte sie sich um und ließ ihre Freundin somit weiterhin in der Dunkelheit tappen.

his fortune mahonia ➳ s. snapeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt