Nachdem das Fest beendet war, wurden alle Erstklässler in ihre Schlafräume geführt - darunter auch Lisa und Artemis. Die beiden hatten im Verlaufe des Festes viel miteinander geredet und schienen auf einer Wellenlänge zu sein. Artemis war froh, dass sie, abgesehen von Hermine, nun auch eine Freundin in ihrem Haus hatte. Das machte ihr den Anfang um einiges einfacher, als sie es sich vorher vorgestellt hatte.
Der Ravenclaw Gemeinschaftsraum und die damit verbundenen Schlafräume befanden sich tatsächlich im Astronomieturm, wie sie später festgestellt hatte. Als sie im großen Raum ankam, sog sie scharf die Luft ein. Auch Lisa hatte sich beinahe verschluckt, so überwältigt waren die beiden. Der Raum war -typisch- in den Ravenclaw-Farben gestrichen, blau und bronze. Oben sah es ein wenig aus wie in der Großen Halle. Überall waren Sterne an die Decke gemalt, die einem das Gefühl vermittelten, dass man unter dem freien Nachthimmel stand. Ein paar Sessel und Sofas standen dort auf dem Boden, sowie Statuen und Bücherregale. »Wofür braucht man da noch die Bibliothek?«, entwich es Lisa. Artemis lächelte. Sie fühlten sich schlagartig wohl und konnten sich kaum vorstellen, dass die anderen Gemeinschaftsräume schöner waren.
Leider konnten sie sich nicht viel mehr umsehen, da sie schon bald in die Schlafsäle geschickt wurden. Doch damit hatten die beiden kein Problem, da auch diese wunderschön waren. Die beiden Mädchen teilten sich ihren Schlafsaal mit Sue Li, Morag McDougal und Padma Patil, die, auf den ersten Blick, alle recht nett wirkten. Artemis hoffte nur, dass es auch dabei bleiben würde, da sie für Zickenkriege weder Zeit noch Nerven hatte.
»Artemis«, sagte Lisa leise, »Bist du noch wach?« Das Mädchen öffnete schlagartig die Augen, als sie ihren Namen hörte. »Ja«, antwortete sie darauf. Sie dachte, wenn Lisa ihr etwas sagen wollte, würde sie es schon von sich aus tun - was sie nicht viel später auch tat. »Ich kann nicht schlafen.« Artemis drehte sich auf die linke Seite, um im schwachen Mondlicht, das durch die Fenster schien, die Umrisse ihrer Freundin erkennen zu können. »Hat das einen bestimmten Grund?« Einen Moment lang war es ruhig. »Ich hab Angst.«
»Wovor?«, fragte sie. »Vor der Zeit in Hogwarts. Vor dem, was passieren wird. Ich hab Angst davor, was die Leute von mir denken und Angst, dass ich es nicht schaffe.« Lisa redete inzwischen leiser als noch vor ein paar Sekunden, weshalb sich Artemis fragte, ob es nun an den anderen schlafenden Mädchen im Raum lag oder doch an etwas anderem. Außerdem fiel es ihr schwer eine passende Antwort zu finden, da sie solche Gespräche nicht kannte. Wie sollte sie auch, wenn sie bis heute noch nie eine Freundin hatte?
»Aya?«, sagte Lisa, als sie auch nach einer Minute keine Antwort bekam. Artemis kniff leicht ihre Augen zusammen, obwohl ihr bewusst war, dass man es im Dunkeln nicht sehen konnte. »Aya?«, wiederholte sie fragend, »Wie kommst du auf den Spitznamen?«
»A wie Artemis und ya wie in Freya. Aya.« Erneut war es eine Zeit lang still, bis die Mädchen beinahe gleichzeitig anfingen leise zu lachen, um die anderen nicht zu wecken. »Gefällt mir«, sagte sie irgendwann. »'Tschuldigung, aber ich musste überlegen, was ich sagen sollte.« Sie setzte sich auf. »Ich verstehe dich. Ich hab auch Angst, Lisa. Aber Angst bringt uns nichts. Wir sollten in der Hinsicht ein wenig mehr Gryffindor sein.«
»Hast du Gryffindor gerade wirklich als Adjektiv benutzt?«, fragte das blonde Mädchen, bevor die beiden wieder anfingen zu lachen - immer noch so leise wie vorher. »Sieht so aus.« Auch Lisa setzte sich nun auf. »Gefällt mir.«
»Also, wie auch immer-«, fing sie an, »Wir sollten keine Angst vor der Zeit haben, eher sollten wir sie wertschätzen.« Als es wieder still wurde, dachte sie erst, dass sie etwas Falsches gesagt hatte - doch irgendwann durchbrach ihre neue Freundin die Stille erneut. »Du hast recht. Danke, Aya.« Und nicht viel später fielen den beiden schon die Augen zu, da sie ganz ausgeblendet hatten, wie müde die Reise und die anderen Ereignisse des Tages sie überhaupt machten.
- - - - - - -
Am nächsten Morgen wurde Artemis durch die letzten warmen Sonnenstrahlen auf ihrer Haut geweckt, die der Sommer noch übrig hatte. Langsam öffnete sie die Augen, um sich an das weiche Licht zu gewöhnen, das quer durch den Raum fiel. Doch als ihr Blick in die Richtung der Wanduhr glitt, riss sie diese weit auf. »Lisa!«, rief sie, um das schlafende Mädchen im Bett zu ihrer rechten zu wecken. »Wir haben verschlafen!«
Auch sie riss ihre Augen plötzlich auf, als die Worte ihrer Zimmernachbarin in ihren Kopf gingen und nach und nach einen Sinn ergaben. Sie verschwendeten keine Zeit mit unwichtigem Gequatsche über dies und jenes, sondern gingen geradeaus in das Badezimmer, um sich dort fertigzumachen. Als sie aufbruchsbereit waren, gingen sie in den Gemeinschaftsraum und liefen mit schnellen Schritten in die Richtung ihrer Klasse.
- - - - - - - -
»Entschuldigen Sie die Verspätung, Professor McGonnagall.« Artemis' Blick glitt an Lisa vorbei genau in die grauen Augen der streng aussehenden Lehrerin, mit der sie keinen Ärger wollte. »Seien Sie froh, dass heute ihr erster Tag ist«, sagte sie mit einem ebenso strengen Ton in ihrer Stimme, »Ansonsten hätte Ravenclaw 5 Punkte verloren.« Die beiden Mädchen sagten kein weiteres Wort, sondern liefen mit schnellen Schritten an den Tisch, der noch zwei freie Plätze hatte. Padma Patil saß vor den beiden, Lisa beugte sich ein Stückchen nach vorne und flüsterte ihren Namen. »Wieso habt ihr uns nicht geweckt?«
»Wir dachten, ihr steht schon auf«, antwortete sie schulterzuckend, bevor sie sich wieder auf die Worte der Lehrerin konzentrierte und sich umdrehte. Na toll, dachte sich Artemis, allzu freundlich sind sie dann wohl doch nicht. Lisa dachte anscheinend dasselbe, da sie die Augen rollte, kurz nachdem Padma sich umdrehte. Ein kleines Lächeln schlich sich in Artemis' Gesicht, bevor auch sie sich auf den Unterricht konzentrierte.
Als die Klassen vorbei waren, gingen die beiden Mädchen in die große Halle, um zu Mittag zu essen. Dabei glitt Artemis' Blick immer wieder rüber zu Hermine, die ziemlich nachdenklich aussah, während sie in ihrem Essen herumstocherte. Sie beschloss zu ihr rüber zu gehen, doch wurde aufgehalten von ihrem Vater. »Wir müssen uns unterhalten«, sagte er in seiner typischen kühlen Tonlage, die sie inzwischen mehr als gewohnt war. Gemeinsam gingen sie raus aus der Großen Halle und in die Kerker, in denen auch der Gemeinschaftsraum der Slytherins war.
»Ist es, weil ich nicht nach Slytherin gekommen bin?«, fragte sie mit einem Hauch von Angst in der Stimme. Es war nicht die Angst vor ihrem Vater selbst oder dem, was er machen würde - es war die Angst davor, dass sie ihn enttäuschte. Er ging aber nicht direkt auf ihre Frage ein. »Du hättest dir wünschen können, nach Slytherin zu kommen. Der Sprechende Hut berücksichtigt das, was man selbst will.«
»Ich wusste es nicht-«, begann das Mädchen, »Und ich kam gar nicht erst dazu, etwas zu antworten, als er mit mir sprach. Ich war zu aufgeregt, um überhaupt irgendwas zu sagen.« Snape hielt den Blickkontakt mit seiner Tochter. Es kam ihr dabei so vor, als würde ihre Befürchtung wahr sein. Sie merkte, dass er enttäuscht von ihr war. Doch bevor sie noch etwas sagen konnte, ging er, ohne ein weiteres Wort zu sagen, weg.
»Was ist los, Hermine? Du siehst so weggetreten aus«, sagte Artemis, als sie neben dem braunhaarigen Mädchen saß, das noch immer in ihrem Essen herumstocherte. »Es ist-«, einen kurzen Moment überlegte sie wohl, doch entschied sich schlussendlich um, »Nichts.« Artemis merkte, dass sie log. Doch sie merkte ebenso, dass ihre Freundin nicht darüber reden wollte. Also entschloss sie sich dazu, es dabei zu belassen und das Thema zu wechseln. Vielleicht konnte sie sie aufmuntern, wenn sie ihr schon keinen Rat geben konnte. »Heute ist es schön draußen-«, fing sie an, »Das ist vielleicht die letzte Chance, sich bei gutem Wetter an den Schwarzen See zu setzen. Sollen wir dorthin?«
Hermine sah zum ersten Mal von ihrem Teller hoch und genau in die Augen des schwarzhaarigen Mädchens, das sichtlich versuchte, sie aufzumuntern. »Na gut«, gab sie schließlich etwas widerwillig von sich. Vielleicht würde es ihr ja wirklich helfen. Vielleicht könnte sie es schaffen, ihre Gryffindor-Freundin etwas besser fühlen zu lassen. Und vielleicht würde es Artemis auch besser gehen, wenn sie mal die Gedanken ausschalten würde, die in ihrem Kopf herumschwirrten, während sie gemeinsam einfach nur am Fuße des Sees sitzen würden.
![](https://img.wattpad.com/cover/97019608-288-k918111.jpg)
DU LIEST GERADE
his fortune mahonia ➳ s. snape
FanficDas Leben von Artemis Freya Snape war von vornherein verflucht. Ihre Mutter starb kurz nach ihrer Geburt, ihr Vater tat sich schwer damit, Gefühle zu zeigen. Sie hatte nie viele Freunde, da viele meinten, sie wäre wie er - dabei war er gar nicht so...