Nachdem Scott das Haus verlassen hat, gehe ich zurück ins Esszimmer. Drei Augenpaare gucken mich gespannt an. Innerlich fange ich an zu stöhnen. Meine Mutter ist die erste, die das Schweigen bricht: "Wer war der nette junge Mann denn, Mitch?" War ja klar, dass die Frage kommen musste. Ich versuche, meine Antwort möglichst normal klingen zu lassen, indem ich besonders viele Informationen in meinen Satz packe: "Das ist Scott Hoying. Er singt im Schulmusical die Rolle von Captain Hook und bei der letzten Probe hat er mit im Tenor gesungen, obwohl er eigentlich Bariton ist und er hat das ziemlich gut gemacht und jetzt soll er das immer machen und er ist auch in meinem Jahrgang und hat einen kleinen Großneffen namens Niclas, den er öfter babysitted.", rattere ich herunter und muss danach erst mal tief Luft holen.
Meine Familie guckt mich immer noch skeptisch an,wenn nicht noch skeptischer als vorher, außer meine Schwester, die anfängt zu grinsen und ihre linke Augenbraue hochzieht. Außerdem fragt sie: "Und wieso war er hier?" Mir fällt zum Glück schnell eine Ausrede ein: "Er ist vor zwei Wochen drüben auf der anderen Seite des Sees eingezogen und wollte wissen, wann die Busse hier fahren."
Ich setze mich auf meinen Platz und esse endlich das lang ersehnte Nutellabrötchen. So schmeckt der Himmel. Herrlich. Wir beenden das Frühstück ohne weitere peinliche Nachfragen und reden weiter über das Konzert. Jenna besteht darauf, mir ein Bild vom Gitarristen zu zeigen. Ich kenne ihn irgendwo her. "Jenna, ich kenne ihn." Meine Schwester guckt perplex. "Echt? Woher?" Ich antworte: "Das weiß ich nicht mehr." Daraufhin habe ich meine wohlgemerkt ältere Schwester am Hals, die mich volljammert. "Mitchie, bitte, du MUSST dich einfach erinnern. Überleg!", befiehlt sie mir. Ich tue wie verlangt, aber mir fällt einfach nicht ein, woher ich ihn kennen sollte. Meine Gedanken schweifen zu gestern ab und da kommt mir die Erleuchtung: "Jenna, ich hab's! Der Gitarrist war gestern drüben bei Scott und hat mit ihm ein Duett gemacht. Er die Gitarre und Scott den Gesang." Jenna guckt mich mit großen Augen an: "Echt? Krass! Und das fällt dir nicht ein?" Um sie zu ärgern, füge ich hinzu: "Und Scott war einfach himmlisch. Sein Gesang, der ist einfach unbeschreiblich!" Ich merke, wie wahr meine Worte sind. "Dein Ernst Mitch? Du denkst noch an Scott? Mit AVI KAPLAN an der Gitarre?" [Edit: Ja, ich weiß, eigentlich war das nicht Avi an der Gitarre in dem Video, aber das passt zu gut.] Jenna hat vor Aufregung rote Flecken im Gesicht. "Hier, ich habe ein Foto gemacht", sage ich und zeige ihr das Foto, das ich gestern von den beiden und dem See geschossen habe. Als Reaktion fängt Jenna einfach an zu kreischen. "Mensch Jenna, jetzt beruhig dich mal! Ich liebe Scott Hoying und hab ich eben gekreischt, als er in Fleisch und Blut vor mir stand?" Erst, als ich es ausgesprochen habe, merke ich, was ich gesagt habe. Ich liebe Scott Hoying. Das wird Jennas Gesprächsthema Nummer eins sein, und wie gesagt, so tritt es ein: "Was Mitch? Hab ich das richtig gehört? Du LIEBST Scott Hoying??" Ich antworte so gelassen wie möglich: "Jenna, das habe ich nur so gesagt. Genauso, wie du gesagt hast, du liebst Avi Kaplan und in Wirklichkeit liebst du Jared. Das war nicht so gemeint."
An der Tür klingelt es und Jenna sagt: "Das ist Jared. Ich muss gehen. Aber wir sind noch nicht fertig." Sie grinst mich an und geht in Richtung der Haustür. "Tschüss Jenna. Bis später." Ich seufze erleichtert auf und beiße genüsslich in mein Brötchen. Aber das Essen soll mir wohl heute nicht vergönnt sein, denn keine Minute darauf kommt meine Mum ins Zimmer und setzt sich auf den Stuhl, auf dem gerade noch Jenna gethront hatte.
Ich gucke sie abwartend an. Als nichts kommt, wende ich mich wieder meinem Brötchen zu, aber spüre weiterhin den Blick meiner Mutter, der auf mir liegt. "Mum, was ist?", frage ich leicht genervt. Ich möchte doch einfach nur mein Nutellabrötchen genießen. Wieso versteht das denn hier niemand? "Mitch, du weißt, dass du mir alles sagen kannst, oder?" "Ja, ich weiß Mum, das sagst du mir täglich seit ich denken kann. Und nein, auch heute habe ich niemanden ermordet.", ziehe ich ihre Aussage ins Lustige. "Geht es dir gut? Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass es dir in den letzten Tagen nicht so gut ging. Hat dieser Scott auch etwas damit zu tun?" Wieso kennt sie mich bloß so gut? "Ist irgendetwas mit Kirstie? Sonst verbringt ihr doch meistens die Wochenenden zusammen." Wieso muss sie immer den Nagel auf den Kopf treffen? Ich merke, wie ich kurz davor bin, ihr von meiner neuesten Erkenntnis zu erzählen. Das ich... s-schwu-ul bin. Aber das kann ich doch nicht machen. Das muss doch für eine Mutter schrecklich sein. Der einzige Sohn. Schwul. Tränen sammeln sich wieder in meinen Augen. Das muss ich mir echt mal abgewöhnen. Ich HASSE es, dass ich so emotional bin. Nel sieht die Tränen in meinen Augen und nimmt mich einfach in den Arm. Das lässt meine Dämme brechen und ich fange hemmungslos an zu weinen.
"Mitch, erzähl mir doch was los ist. Ich bin deine Mutter. Ich liebe dich." Sie nimmt meine Hand. "Komm, lass uns ins Wohnzimmer gehen und du erzählst mir ganz in Ruhe, was los ist." Sie zieht mich in Richtung des Wohnzimmers und ich lasse mich einfach ziehen. Nachdem wir uns gesetzt haben, streicht sie sachte über meine Hand.
"Mum, ich kann dir das nicht erzählen. Ich kann einfach nicht." Ich gucke zu Boden. "Du kannst Mitch. Wieso hast du solch eine Angst davor? Ich bin deine Mutter, ich liebe dich!" Ich flüstere: "Danach wirst du mich nicht mehr lieben." Tränen fallen auf meine Beine. "Mitch, bitte. Guck mich an.", sagt meine Mutter. Ich gucke sie an, und sehe, dass auch ihre Augen mit Tränen benetzt sind. "Ich liebe dich Mitch. Und es tut mir weh, dich so zu sehen. Sag mir, dass du weinst, weil die Sache so schlimm ist, und nicht, weil du Angst davor hast, sie mir zu sagen. Weil du Angst vor mir hast." Ihr tropfen die Tränen auf die Wangen.
Ich ziehe sie in eine Umarmung. "Mum, ich habe keine Angst vor dir." Sie guckt mich an und drückt ermutigend meine Hand. "Du kannst mir alles erzählen Mitch. Wirklich alles." Ich hole tief Luft. "Mum, also.. Ich.." Sie drückt noch ein mal meine Hand. Jetzt oder nie. "Ich bin schwul."
Anders als erwartet entzieht Nel mir ihre Hand. Sie wendet sich von mir ab. Das tut unglaublich weh. Ich dachte, dass sie damit klarkommen würde. Aber nein, sie wendet sich einfach ab. Ich sacke in mich zusammen. Die Tränen fließen mir in Strömen über die Wangen und es ist mir egal, dass ich mein T-Shirt zurotze. Meine Mum hat gerade gezeigt, dass sie mit meiner Sexualität nicht klar kommt. Als wenn ich etwas dafür können würde, schwul zu sein.
NEIN! Das kann ich nicht. Ich merke, wie die Wut unglaublich schnell anfängt, in mir zu brodeln. Was erlaubt sie sich da eigentlich? Es ist ganz alleine meine Sache! Ich gucke zu ihr und sehe, dass sie immer noch von mir abgewendet sitzt. Sie kann mich mal! Ich stehe auf und drehe mich in Richtung Tür.
Nels Finger schließen sich um mein Handgelenk. "Mitch!"
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Ein Abschlussjahr ≠ 08/15 - Sup3rfruit Fanfiction
FanfictionMitch Grassi ist im totalen Gefühlschaos. Er liebt seine Freundin Kirstin, aber Scott Hoying, der Darsteller von Captain Hook im Schulmusical Peter Pan hat es ihm ziemlich angetan. Wie geht er mit seinen neuen Gefühlen um? Wie beichtet Mitch seiner...