12 - Brokenhearted

65 7 2
                                    

Zwei Stunden später sitze ich vor meinen Mathehausaufgaben. Es klappt ohne Probleme und ich bin Scott echt dankbar, dass er sich die Zeit genommen hat, mir Mathe zu erklären. Denn sonst würde ich a) durch meine Prüfung fallen oder b)mir einen teuren Nachhilfelehrer leisten müssen oder c)bei unserem Mathelehrer, der wirklich ein Arschloch ist, ankriechen müssen oder d)Jenna um eine Erklärung bitten müssen, was höchstwahrscheinlich in einem Schreikrampf geendet hätte, weil sie im Erklären ungefähr genauso begabt ist wie ich – nämlich null.

Als ich bei der letzten Aufgabe angelange, klingelt es an der Tür. Wahrscheinlich hat Jenna mal wieder ihren Schlüssel liegen lassen und ich bin jetzt derjenige, der ihr die Tür öffnen darf. Versteht mich nicht falsch, ich liebe meine Schwester, aber sie ist total chaotisch, genau wie unser Dad.

Ich raffe mich vom Schreibtisch auf und mache mich auf den Weg zur Haustür. Ich öffne die Tür mit einem genervten Blick. Anders als erwartet steht nicht Jenna, sondern Kirstie dahinter. Mit gerunzelter Stirn guckt sie mich an. „Hey Mitch. Du wolltest mit mir reden. Und du warst nicht in der Schule. Also reden wir jetzt." Sie drängt sich an mir vorbei und geht in Richtung des Wohnzimmers.

Na, was ist? Kommst du, oder bist du festgefroren?", ruft sie aus dem Wohnzimmer.

Ich bin ziemlich geschockt, soweit ich das beurteilen kann. Ich dachte, ich hätte noch Zeit, mich ordentlich vorzubereiten. Aber nein, sie sitzt im Wohnzimmer. In Fleisch und Blut.

Ich löse mich aus meiner Starre und gehe langsam in Richtung Wohnzimmer. In meinem Kopf herrscht ein Riesenchaos, aber ich versuche, mich zu sammeln. Kirstie sitzt auf dem Wohnzimmer und guckt mich abwartend und leicht genervt an.

Ich setze mich auf den Platz neben sie. Von allen Outings, die ich bis jetzt hatte, ist dies das schwierigste. Sich vor der eigenen Freundin als schwul zu outen – props.

Ich nehme ihre Hände in meine, um sie zu beruhigen. Oder vielleicht doch eher, um mich zu beruhigen.

Ich kann ihr das nicht sagen. Wirklich, ich..

Ich kann das nicht.

Ich liebe sie. JA, ich bin schwul. Aber das ändert nichts daran, dass ich sie liebe. Ich fühle mich nicht mehr sexuell von ihr angezogen. Aber ich liebe sie als den Menschen, der sie ist. Kirstin ist wunderbar. Bei ihr fühle ich mich geborgen. Bei ihr fühle ich mich geliebt. Mit ihr fühle ich mich, als wenn wir zusammen die ganze Welt erobern könnten.

Aber... es wäre unfair gegenüber uns beiden, wenn ich nicht mit ihr reden würde. Sie hat etwas Besseres verdient. Einen Jungen, der sie genauso liebt wie ich, und der sie auch körperlich begehrt. Bei dem sie sich nicht immer fragen werden muss, wieso er mit ihr zusammen ist, wenn er doch gar nicht auf das Geschlecht steht.

Ich verdiene etwas Besseres. Ich verdiene es auch, meine Sexualität auszuüben. Ich liebe sie. Sehr. Aber wer weiß, ob ich jemand anderes, einen Jungen, noch mehr lieben werden kann.

Kirstin guckt mich erwartungsvoll an. „Mitch, was ist?"

Wie ich es immer tue vor schwierigen Gesprächen, hole ich tief Luft. Diesmal kann ich es nicht einfach gerade heraus sagen. Dazu liebe ich sie zu sehr. Ich kann ihr nicht so wehtun.

Kirstin. Am Freitag. Ich konnte nicht mit dir schlafen." Als ich wieder ansetzen will, unterbricht Kirstie mich: „Das ist okay Mitch. Ich habe es verstanden. Wir können warten." Sie lächelt mich an. „Weißt du, ich dachte, dass du mich nicht mehr liebst und deshalb nicht mit mir schlafen wolltest. Aber du liebst mich, das spüre ich."

Das Gespräch nimmt ja eine super Wendung. Bevor sie weiterreden kann, unterbreche ich sie. „Kirstie. Ja, ich liebe dich. Sehr." Sie lächelt mich an. Ich schlucke. „Aber ich habe in den letzten Monaten etwas in mir entdeckt. Ein neuer.." Ich setze ab und gucke zu Boden.

Was hast du entdeckt Mitch? Sag es mir. Bitte. Es quält mich. Rede mit mir."

Ich antworte ihr: „Ja Kirstie, mich quält es auch. Ich.. Ich bin..." Sie streicht mir über den Arm: „Du schaffst das." Ich gucke sie an. Ihre Rehaugen lächeln mich ermutigend an. „Ich bin schwul." Es ist raus. Geschafft.

Kirstie braucht erst mal einen Moment, um zu realisieren, was ich gesagt habe. Dann geht es Schlag auf Schlag.

Tränen laufen ihr über die Wangen und sie stößt mich von ihr weg. Sie springt auf und stürmt in den Raum. Als sie sich wieder zu mir umdreht, sehe ich, wie verletzt sie ist. Ihre Augen zeigen so viel Schmerz. Ich kann nicht anders, als auch anzufangen zu weinen.

Bitte Kirstie.."

Bitte Kirstie? Wie bitte Mich? Was geht denn bei dir ab? Du bist mein Freund. Und du outest dich vor mir als schwul?!", schreit sie mich an. „Ganz ehrlich Mitch, bist du eigentlich bescheuert? Wieso bist du mit mir zusammen, wenn du schwul bist? Geht's noch? Weißt du, wie sehr du mich damit gerade verletzt? Weißt du, wie verraten ich mich fühle?". Bei den letzten Worten bricht ihre Stimme und sie sieht mich einfach nur noch verletzt, wütend und traurig an.

„Kirstie, ich wusste das doch nicht. Ich liebe dich." Das war wahrscheinlich unklug.

Ja. Sie fängt wieder an zu schreien: „Du liebst mich? Wie kannst du dir das erlauben? Sag mal, schämst du dich eigentlich gar nicht? Wie kannst du mir sagen, dass du mich liebst, wenn du schwul bist? War ich für dich nur ein Spiel?".

Ich halte das nicht aus. Hätte ich das einfach nicht gesagt. Wäre ich doch einfach nicht schwul. Dann wäre jetzt alles gut. Wenn ich Kirstie verliere, dann verliere ich nicht nur meine Freundin, sondern eine meiner besten Freundinnen, eine Seelenverwandte.

Und was ist das mit Scott Mitch? Deine erste Erfahrung, oder wie? Hast du mit ihm..? Wolltest du deswegen nicht mit mir schlafen?", sie guckt mich wütend an.

Nein, ich habe nichts mit Scott. Aber ja, ich habe mich in ihn verliebt..", mache ich reinen Tisch. Bevor ich wieder ansetzten kann, ist Kirstie zur Tür hinausgerannt.

Und dahin ist sie – meine erste große Liebe.

Ein Abschlussjahr ≠ 08/15 - Sup3rfruit FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt