08 - Vater und Sohn

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"Mitch!

Ich wende mich wieder meiner Mum zu, die mich am Handgelenk gepackt hat. "Es ist okay, dass du schwul bist. Es tut mir leid, dass ich das nicht sofort gesagt habe. Ich brauchte halt einen Moment, um es zu verdauen. Verzeihst du mir?"

Was soll ich anderes machen, als ihr zu verzeihen. Klar, ich bin wütend auf sie, aber sie kommt ja mit meiner Sexualität klar und das ist doch das wichtigste. 

"Mitch, können wir uns noch ein bisschen darüber unterhalten? Ich meine, ich habe viele Fragen. Was ist zum Beispiel mit Kirstin?", fragt Nel mich. Ich antworte: "Ja Mum, wir können uns darüber unterhalten. Das mit Kirstie ist schwierig. Ich liebe sie, sie ist mein sicherer Hafen und ohne sie hätte ich die High School nicht überstanden. Ich will sie nicht verlieren. Aber gleichzeitig liebe ich sie nicht mehr wie früher. Ich liebe sich von ganzem Herzen, das schon, aber mehr wie eine Schwester. Ich weiß gar nicht, wie ich ihr das beibringen soll."

"Du musst es ihr sagen. Du wirst schon einen guten Weg finden, ich vertraue dir da voll und ganz. Aber sie verdient es, das zu wissen. Als eine der ersten. Sag es ihr bald. Sie sollte es nicht über jemand anderen erfahren. Dann verlierst du sie sicher.

Mum gibt mir noch einige Ratschläge und hört mir aufmerksam zu, was mir ziemlich gut tut. Diese Mutter-Sohn-Gespräche haben mir ziemlich gefehlt in letzter Zeit. Ich erzähle ihr auch von Scott und meine Mutter ist ziemlich angetan von ihm. Es fühlt sich komisch an, mit ihr über sowas zu reden, aber es ist auch interessant zu sehen, woher man seinen Geschmack hat. Sie ist genauso sensitiv wie ich und versteht es, wenn ich Gefühlszeug über Scott erzähle. Den Geschmack vom Aussehen her muss ich von Dad haben. Mum steht nämlich nicht auf blond und blauäugig. Dad schon, glaub ich. Ich meine, er hat Mum geheiratet. 

Damit bin ich dann bei einem ziemlich wichtigen Punkt angelangt: "Mum, wie soll ich Dad sagen, dass ich schwul bin? Das ist mir irgendwie ziemlich unangenehm. Ich rede mit ihm niemals über Gefühle. Wie soll ich ihm dann sagen, dass ich schwul bin?" Ich seufze. Das ist wirklich ein Brocken, und ich hab einen ziemlichen Bammel davor. Mum antwortet: "Mach dir da mal keine Sorgen. Dad spricht zwar nicht viel über Gefühle, aber er ist ziemlich verständnisvoll. Sonst hätte ich ihn nicht geheiratet. Er wird es verstehen und gut damit klarkommen. Wahrscheinlich reagiert er sogar besser als ich." Sie seufzt und ich sehe, dass ihr ihre Reaktion ziemlich leid tut. "Mum, es ist okay. Ich verstehe, dass du ein bisschen Zeit gebraucht hast. Schwamm drüber." Ich nehme sie in den Arm und frage dann: "Weißt du, wo Dad ist? Ich sag es ihm direkt. Bringt ja nichts, es vor sich herzuschieben." "Ich glaube, er ist im Schuppen. Ich glaube an dich, du schaffst das!", antwortet Mum und gibt mir einen Schubser in Richtung Haustür. 

Ich gehe mit zittrigen Knien durch den Hausflur und lege meine Hand auf die Klinke der Tür. Irgendwie ist das doch nicht so einfach. Meine Entschlossenheit, die ich kurz vorher noch gespürt habe, schwindet dahin und ich muss erst einmal tief einatmen. Mums Worte kommen mir in den Kopf: "Dad spricht zwar nicht viel über Gefühle, aber er ist ziemlich verständnisvoll. Er wird es verstehen und gut damit klarkommen. " Mein Kampfgeist kehrt wieder und so reiße ich entschlossen die Haustür auf. Ich gehe in Richtung Schuppen und sehe durch das kleine Fenster, wie Dad an irgendetwas bastelt. Ich betrete den Schuppen: "Hey Dad, was machst du?" Dad dreht sich zu mir und lächelt mich an. "Hey Mitchieboy, interessierst du dich doch noch für Werkeln? Ich versuche, die Schublade von Jennas Nachttisch zu reparieren, die schließt nicht richtig. Willst du mir helfen?" Ich antworte ihm: "Ja, ich helfe dir meinetwegen. Aber eigentlich wollte ich mal mit dir reden Dad." Er runzelt die Stirn. "Ja, was gibt's denn?

Ich schlucke. Sag es einfach vorne raus. Das Rumgeschwafel bringt doch nichts. Er wird es verstehen und gut damit klarkommen. Wahrscheinlich reagiert er sogar besser als ich. Ich kratze all meinen Mut zusammen und sage: "Dad, ich bin schwul." Und schon ist es draußen. "Und?", fragt mein Dad. "Was und?", gebe ich verwirrt wieder. "Du wolltest mir doch etwas sagen.", scherzt Dad. "Das du schwul bist, hab ich mir schon lange gedacht." Ich gucke ihn erstaunt an. "Echt? Krass. Ich wusste es bis vor kurzem noch nicht ein mal selbst." Dad lächelt mich an: "Ob du es glaubst oder nicht, Kissyboy, ich kenn dich. Du bist mein Sohn." Ich umarme ihn und deute auf die Tür. "Ich geh dann mal, Dad, dir hier noch viel Spaß, ich bin ziemlich froh, dass du gut reagiert hast. Danke Dad." Er guckt mich schmunzelnd an: "Du bleibst hier und hilfst mir mit dem Nachttisch. Versprechen ist Versprechen."

Ich seufze. Das ist Dad. So pragmatisch wie immer. Gespielt schockiert sage ich: "Aber Dad, ich kann mir doch nicht meine Nägel schmutzig machen." Dad lacht mich an. Insgeheim bin ich froh, dass er darauf besteht, dass ich ihm helfe, das zeigt mir, dass sich an unserer Beziehung nichts geändert hat. 

Ich bin ziemlich dankbar dafür, wie meine Eltern reagiert haben. Ich weiß, dass nicht jeder, der nicht heterosexuell ist, dieses Verständnis und diese bedingungslose Liebe von ihren Eltern entgegengebracht bekommen. Ich liebe meine Familie. 

Mary, Mum und Dad habe ich das jetzt schon erzählt. Bleiben noch drei. Jenna, Kirstie und Scott. Bei Jenna mache ich mir da überhaupt keine Sorgen, sie liebt mich so, wie ich bin. Aber wie soll ich Kirstie das sagen? Das wird total schwierig. Aber desto früher, desto besser. Und Scott? Soll ich ihm überhaupt etwas sagen? 

Ich sollte mit Kirstie anfangen. Sie will mich dieses Wochenende nicht mehr sehen, das weiß ich. Sie ist enttäuscht. Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, dass ich Kirstie sozusagen von der Bettkante gestoßen habe. Dabei war es am Freitag, vor zwei Tagen. 

Den restlichen Tag kann ich mich ausruhen, aber vielleicht sollte ich Kirstie eine SMS senden, dass sie Montag vorgewarnt ist und das nicht aus heiterem Himmel kommt.

Ich an Kirstiexx: Hey Kirst, können wir reden? Hast du Montag Zeit dazu? Nach der Schule? Bitte                                    Kirst..

Kirstiexx: Okay

 

Ein Abschlussjahr ≠ 08/15 - Sup3rfruit FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt