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Spät in der Nacht, schickte Anna ihm eine WhatsApp Nachricht. «Danke» stand da. Mehr nicht. Sie hatte nicht gewusst was sie noch hätte schreiben können, wollte aber nicht nichts sagen.

Er laß es am nächsten Morgen und lachte leise.
Er kannte seinen Ruf, er galt als Arschloch, als regelrechter Player und war jemand, der sich nicht an Regeln hielt. In den Augen von diveresen kleinen Mädchen.
Er kiffte, er klebte Sticker und er hatte ein Ego, das nicht gerade klein war.
Er ging feiern. War aber auch engagiert.
Da war nichts schwerkriminelles bei.

Aber irgendwie passte dieses Mädchen, nicht in sein Bild.
Oder nicht in das Bild, was die Leute von ihm hatten.
Wenn er an die Kommentare seiner Kumpels dachte, die diese von sich gegeben hatten, als sie ihn mal wegen eines sozialen Projekts angesprochen hatte, was sie beide mit organisierten.

Klar, das Mädchen, in den zu weiten Band T-Shirts, welches selten geschminkt war und dessen Haare oft etwas wirr aussahen, konnte weder mit irgendwelchen Models mithalten, noch passte es in die klassischen Schubladen, die in den Köpfen vieler verankert waren.

Allerdings hatte Anna dafür etwas anderes und zwar eine Persönlichkeit mit eigener Meinung und Charakter.
Das brachte sie auch ein, und das mochte er.
Generell, sie war korrekt. Sie half wo sie konnte und engagierte sich.

Er wusste, das meiste was er über sie wusste von Snapchat. Das war gewissermaßen armselig, vor allem wenn man bedachte, das sie sich schon rund zwei Jahre kannten, nur redeten sie eben recht wenig.
Wenn doch, hauptsächlich wegen der Schule.

Dieses Schuljahr war sie in die elfte gekommen, in etwa einem Monat müsste sie 16 werden.
Er hatte im Oberstufen-Raum mitbekommen, wie sie sich mit einer Freundin über ihre geplante Feier unterhalten hatte.

Er selbst war sogar auch gewissermaßen eingeladen, das hatte sie im Krankenhaus zu ihm gesagt.
Wenn Daniel darüber nachdachte, hätte es auch ein Scherz sein können. Während sie die Einladung ausgesprochen hatte, hatte sie gelacht und direkt danach einen blöden Witz gemacht.
Was sie nicht wusste war, das er so oder so gekommen wäre. Einer seiner Kumpels, welcher in ihrem engeren Bekanntenkreis war, war eingeladen und hatte ihn schon überredet gehabt mitzukommen. 

Dieser wollte nicht alleine, auf so einen "kleine Mädchen Geburtstag", wobei das Quatsch war. Anna hatte mehrere männliche Freunde und war generell mit die Jüngste in ihrem Freundeskreis. 

Aus sicheren Quellen wusste er, das auch ein paar Leute da sein würden, die die Schule schon hinter sich hatten. Alles in allem würde es eine für Annas Verhältnisse große Feier werden.

Das wusste sie allerdings noch gar nicht, denn die Anzahl der Leute, die sie eingeladen hatte, beschränkte sich auf zehn. Ihr Cousin hatte allerdings eine kleine 'Erweiterung' vorgenommen und so würden sie wohl um die 30 Menschen mit ihrer Anwesenheit beglücken.

Jedoch war das zeitlich gesehen noch weit entfernt, im Moment standen die Weihnachtsferien vor der Tür und da sie für morgen natürlich noch krank geschrieben war, würde er sie wohl erst im neuem Jahr wiedersehen. Schon alleine wenn er daran dachte, kam ihm die Zeit unüberbrückbar vor und letztendlich, verflogen die Wochen doch, wie im Flug.

Doch damit war er nicht alleine.

*

Gefühlt eben gerade noch aus dem Krankenhaus entlassen, fand Anna sich jetzt in der Pausenhalle ihrer Schule wieder. Noch waren recht wenig Menschen da. Ihr Bus war einer der ersten, der morgens ankam. Doch langsam füllte es sich und ihr Blick streifte über die Menge, in der stillen Hoffnung, irgendwo einen braunen Wuschelkopf mit Etwas-mehr-als-Drei-Tage-Bart erblicken zu können.

Enttäuscht musste sie feststellen, das er zwar da war, allerdings gerade in eine Unterhaltung mit seinen Kumpels verwickelt war. So kindisch es klang, aber da traute sie sich nicht hin. Also vielleicht doch, wenn es wirklich wichtig wäre, aber so, einfach nein.

Sie wandte sich Nelly zu, diese war mit die beste Freundin, die sie in der Stufe hatte. Früher waren sie in einer Klasse gewesen, jetzt hatte sie allerdings bis auf diverse Grundkurse keinen Unterricht mehr zusammen.

Nelly wollte wissen, was jetzt eigentlich vor den Ferien passiert war, Anna hatte sie am Handy immer auf die Schule vertröstet, wenn sie etwas wissen wollte.
Also erzählte sie nun eine Schnellfassung der Ereignisse.
Gerade wollte sie von Daniel erzählen, da räusperte sich hinter ihr jemand.
Erschrocken drehte sie sich um, wenn man vom Teufel spricht, da stand er und sagte nur trocken:"Ich wollte dir die peinlichkeit ersparen, mich erst zu bemerken, nachdem du erzählt hast wie toll, perfekt und gutaussehend ich bin. Und dich darauf hinweisen, das ich dich jetzt entführe."

Anna merkte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss, sie musste aussehen wie eine Tomate. Dann stutze sie, "dich jetzt entführe"? Was meinte er damit und wieso? Also sie hatte die ersten beiden Stunden frei, das hatte sie schon halb verärgert festgestellt. Sie hätte heute morgen locker, eine Stunde länger schlafen können...
Nur war das hier gerade nicht das Thema.

Mittlerweile sah sie ihn regelrecht entsetzt an. Was nicht besser wurde, als er sie am Handgelenk packte und geradezu hinter sich her schleifte, denn von selbst bewegte sie Anna zunächst kaum.
Nach ihrer kurzen Starre, bemühte sie sich jedoch, möglichst schnell hinter ihm her zu kommen. Was gar nicht so einfach war, da sich ihr Knöchel immer noch in einer Schiene befand. Ein Bruch verheilte nun mal nicht eben so.
Nachdem sie ihn darauf hingewiesen hatte, ging er langsamer und sie waren gleichauf.

“Wohin gehen wir? Und warum? Und Hallo erst mal“, meinte sie betont lässig.
Er grinste breit, blieb jedoch stumm. Als sie daraufhin Anstalten machte, einfach stehen zu bleiben, lockerte sich sein Griff und kurz darauf fand sie sich über seiner Schulter hängend vor. Ihre Begeisterung darüber hielt sich allerdings in Grenzen.

Darum musste er sie, zu seinem Bedauern, nach kurzer Zeit wieder absetzen.
Er war zwar athletisch gebaut, aber kein Muskelprotz und ein zappelndes Etwas, welches nun mal auch ein paar Kilo wog, ließ sich nicht so leicht festhalten.
Jedoch, neckte er sie im gehen weiterhin. Es machte viel zu viel Spaß, zu sehen wie sie sich ärgerte.

Bald waren sie am Ziel angekommen, Daniel hatte sich wirklich Gedanken gemacht, als er den Ort ausgewählt hatte. Auch wenn das alles etwas spontan war.

Sie waren an einer kleiner Wetterhütte am Waldrand, die in der Nähe des Flusses war, welcher durch den Ort floss.
Hier kamen eigentlich selten Leute hin, obwohl es nur etwa zehn Minuten Fußweg von der Schule aus waren, vom Dorfzentrum sogar noch weniger.

Sie setzten sich in das kleine Holzhäusschen mit drei Wänden. Als der eisige Wind herein wehte, rückte Anna unauffällig näher zu Daniel, welcher einen Arm um sie legte.
Es war, als verstanden sie sich, ohne ein Wort zu sagen.

Keiner von ihnen beiden unterbrach die anhaltende Stille, zu schön war dieser Moment gerade, vor ihnen die mit einer Frostschicht überzogene Landschaft, die im Sonnenlicht glitzerte und niemand der einen blöden Kommentar abließ, oder sonst wie störte.

Irgendwann bemerkte Anna, das Daniel sie anschaute und drehte sich zu ihm. Ihre Augen musterten sein von der Kälte leicht gerötetes Gesicht, bevor sie ebenfalls in seine blickte.

Langsam kamen sich ihre Gesichter  näher. Annas Herz raste.
Sein Blick wechselte zwischen ihren Augen und Lippen hin und her, bis er sie schließlich küsste.
Nur kurz und fast schon schüchtern, aber doch sagte dieser Kuss viel aus.
So gefühlvoll war er gewesen.

Danach beugte er sich etwas weiter vor und raunte in ihr Ohr:
“Das war schon längst überfällig!“, woraufhin sie ihn glücklich umarmte und er ebenfalls die Arme um sie legte und den Wunsch hatte, die Zeit würde stehen bleiben. Jetzt in diesem einem Augenblick.

Ich bin da.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt