Rückblende #3

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Rosenmontag

"Ich liebe dich unfassbar, aber muss das wirklich sein? Ich bitte dich! Können wir uns nicht einfach ein schönes Wochenende machen? Oder irgendwo hinfahren? Am besten weit weg? Dass muss doch nicht sein!", bettelte sie ihn an, aber er schüttelte gnadenlos den Kopf"

"Ich hab doch nicht gesagt, dass ich mit dir das Vereinstreffen der deutschen Pilzsammler besuchen möchte, sondern einfach nur, dass wir Rosenmontag erst den Karnevalsumzug ansehen und dann feiern gehen können. Was hast du überhaupt dagegen?"

"Die Musik ist teilweise fast so schlimm wie Schlager und dann diese ganze Verkleiderei und alles...Außerdem werde ich wohl noch selbst entscheiden dürfen, wo ich hingehe!", sie wusste, dass sie am Ende klein bei geben würde, versuchen wollte sie es trotzdem.

Aber sie war ihm eben hoffnungslos verfallen und so stand sie am Montagmorgen im Bad um sich karnevalistisch zu herzurichten. Eigentlich würde sie einfach nur eine viel zu farbenfrohe, geblümte, Jeans, mit Karohemd und Cowboyhut anziehen, dazu die Lippen knallrot schminken und hoffen, dass Daniel sie als kostümiert akzeptierte.
Der hatte schon gedroht sie in sein altes Clown Kostüm zu zwingen, sollte sie dem Verkleidungswahnsinn nicht nachkommen.

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Eher wenig begeistert ging sie mit ihrer Familie ins Nachbardorf, wo Daniel sie dann zusammen mit seinen Kumpels treffen wollte, um die kunstvoll gestalteten Wagen und Kostüme anzusehen.

Kaum da, fand sie die Gruppe auch schon. Daniel trug einen kunterbunten Pulli, bemalte Jeans und einen leuchtend gelben Hut. Felix, dessen Dreads mittlerweile grün waren, ging als Indianer, Maxi als Bodyguard und Björn als Björn, aber so war er wohl schon auffällig genug.
Seltsamerweise, kamen ihr die Kostüme alle ziemlich passend vor.
Die anderen begrüßten sie freundlich und die erste Runde Schnaps wurde verteilt.

Da es in diesem Tempo weiterging, war Anna als der Zug vorbei war, schon deutlich angeheitert und lehnte lachend an Daniel.
Was nicht hieß, dass sie gerne hier war. Oder Spaß hatte. Es lag einfach am Alkohol.

Jetzt ging es allerdings noch weiter ins Gemeintschaftshaus feiern. Es war erst früher Nachmittag und doch waren die meisten nicht mehr nüchtern.
Und das fand sie bedenklich.
Nur leider war sie selbst auch nicht besser.

Drinnen spielte eine Band, welche Anna schon alleine deshalb unsympathisch war, weil sie extremst nervig, ohne Erfolg und pausenlos probierten das Publikum zu animieren. Da die Leute lieber reden, trinken, oder mitgrölen wollten, als
gemeinsam affige Choreografien aufzuführen, wirkte das ganze bald schon recht armselig.

Bei einem besonders schnulzigem Lied, forderte Daniel sie allerdings doch zum tanzen auf und sie war froh nicht alles aus dem Tanzkurs vergessen zu haben.
Irgendwann packte die Band ihre Sachen zusammen und ein DJ übernahm die musikalische Gestaltung. Zwar waren es immer noch die typisch karnevalistischen Lieder, aber immerhin blieben die auswendig gelernten Ansagen des Frontmanns aus, der vergeblich versucht hatte, witzig zu sein.

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Maxi stellte eine neue Runde Bier auf dem Tisch ab und Anna griff direkt zu. Daniel betrachtete ihren Alkoholkonsum mit der Zeit immer kritischer, aber er vetraute ihr und wusste wie sehr sie es verabscheute die Kontrolle zu verlieren. Sie würde wissen was sie tat.

Als es später wurde, leerte sich der Saal langsam und sie wechselten ins Foyer, direkt an die Theke. Auf einmal verschwand Anna und Daniel sah sie bei einem rotblonden Mann mit drei Tage Bart stehen, welcher ihr gerade auf die Schulter klopfte.
Dass passte ihm nicht, er hatte den Typen heute schon ein paar mal gesehen, immer mit einem anderen Mädchen auf Tuchfühlung.
Fast schon etwas eifersüchtig auf den Fremden, begab er sich zu den beiden und zog fragend die Augenbraue hoch.

Sie wollte gerade etwas sagen, da unterbrach der Unbekannte sie:
"Ach, und du bist der Kerl von Anna? Pass bloß auf was du machst, es gibt hier so einige, die ganz schön böse werden würden, wenn sie hören sollten, dass du sie verletzt hast! Mich eingeschlossen"

"Mensch Jan, zieh keine Show ab, du bist schließlich nicht mein großer Bruder. Wenn was ist regel ich es selber und das kommt hoffentlich nichts vor!
Daniel, das ist Jan. Du weißt schon der aus dem Café. Der, der "Ein Herz für Künstler" moderiert. Davon hatte ich dir doch erzählt", entschärfte diese nun Jan Ansprache.

Immer noch kritisch, reichte Daniel diesem die Hand und sagte so unterkühlt wie nur möglich:"Daniel, schön dich kennenzulernen"
Der andere erwiderte:"Jan, wie du schon mitbekommen haben dürftest.
Junge, jetzt zieh nicht so ein Gesicht, ich bin der letzte der was von deiner Freundin will. Schau mal genau hin, ich bin definitiv etwas alt für Anna, keine Angst"

Jetzt merkte Daniel auch, dass der Mann vor ihm, wohl doch schon um die dreißig sein musste. Vermutlich hatte er selbst, doch schon einiges getrunken, sonst war er doch gar nicht so.
Seine Freundin war wohl nicht ganz glücklich über dieses Gespräch der beiden und schaute etwas vorwurfsvoll, bevor sie sich von Jan mit einer Umarmung verabschiedete und auch Daniel verkündete, jetzt gehen zu wollen. Er hörte den leicht genervten Unterton in ihrer Stimme und überlegte wie er reagieren sollte.

"Bleib doch noch etwas", versuchte er sie zu überreden.
"Komm du doch mit", entgegnete sie.
Er schüttelte den Kopf. Dann drückte er ihr einen kurzen Kuss auf die Stirn und sagte emotionslos: "Bis morgen".
Es war nicht seine Art klein bei zu geben.

Anna zuckte unmerklich zusammen, bevor sie sich auch von den anderen verabschiedete und ging. Draußen holte Björn sie ein und meinte er würde sie heimbringen, er hätte auch keine Lust mehr.

Anna nickte und sie gingen schweigend nebeneinander auf dem Bürgersteig, bis er anfing zu reden
"Nimm es nicht so schwer, er meint es nicht so. Er ist einfach ein Sturkopf. Den Willen anderer zu berücksichtigen, liegt ihm nicht so"

Anna nickte und antwortete stur geradeaus schauend"Ich weiß. Aber ich bin eigentlich selbst nicht besser. Es hat ihn einiges an Überzeugungskraft gekostet, dass ich überhaupt mitkomme. Ich kann Karneval nicht leiden. Und dann führt er sich Jan gegenüber auch noch so seltsam auf"

“Aber du willigst ein und machst Kompromisse. Das macht er seltenst. Daniel ist zwar definitiv nicht egoistisch und er hat ein riesiges Herz, aber an Sturheit nicht zu übertreffen“, beschrieb Björn ihr Daniels Wesen.

Es war nichts neues für Anna, sie kannte ihn schließlich schon einige Zeit durch die Schule. Sie wusste wie er tickte, dass er nicht so schnell von etwas abzubringen war, was er sich in den Kopf gesetzt hatte. Sie liebte ihn ja auch. Sie hätte sich eben nur gewünscht, dass er vielleicht diesesmal nachgab, wo sie doch extra für ihn mit zu der ihr so verhassten Karnevalistischen Feier gekommen war.

Als sie ihre Gedanken Björn mitteilte, blieb der erst stumm und verabschiedete sich dann mit den Worten:“Redet miteinander, sonst gibt es irgendwann den großen Knall. Wir sehen uns“, bevor er in einem Haus aus rotem Backstein verschwand.

Über seine Worte nachdenkend, legte sie die restlichen Meter ihres Heimweges zurück, bevor sie dann, Zuhause angekommen, Daniel eine Nachricht schickte.

'Kann ich morgen vorbeikommen?'

Sie würden reden. Und dieses mal würde sie nicht direkt klein bei geben, aber auch keine Vorwürfe machen. Das nahm sie sich vor.

Ich bin da.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt