Ende

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Da. Da war sie. Stand vor ihm. Sah in an. Ihre großen Augen blickten ihn erschrocken an. Die Zeit stand still. Diesen Moment. Um dann gnadenlos im gewohnten Tempo weiter zu laufen.

Sie machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum fluchtartig. "So kann das doch nicht ewig weitergehen", mit diesem Gedanken im Hinterkopf, rannte er ihr nach.

Anna wollte ihn nicht sehen. Wollte nicht in seiner Nähe sein. Jedesmal wenn sie ihn sah, hatte sie das Gefühl seine Blicke würden sich in ihr Herz bohren. Jedesmal war sie hin und her gerissen. Und jedesmal ergriff sie die Flucht. Im Normalfall allerdings ein wenig unauffälliger und bevor er sie überhaupt bemerkte.  Das war ihr eben nicht wirklich gelungen. Eher gegenteilig.

So schnell sie konnte, sprintete sie die Treppen herunter bis es nicht mehr weiter ging, um sich dann in die hinterste Ecke zu kauern, in der Hoffnung keiner würde sie bemerken.

Diese Hoffnung wurde schlagartig zunichte gemacht.

Daniel stand nur wenige Sekunden später vor ihr und schaute von oben auf sie herab.
“Mensch Anna, lass den Mist. Wir sind alt genug. Und das macht so alles keinen Sinn“, platzte es aus ihm heraus. Sie zuckte zusammen, so emotionslos klang er. An seinen Pupillen erkannte sie, dass er Drogen genommen hatte. Schon als sie zusammen gewesen waren, war sie ihm dann bevorzugt aus dem Weg gegangen.

Jetzt hatte sie keine Möglichkeit dazu. Immernoch auf dem Boden hockend, schaute sie zu ihm hoch. Ihr Puls stieg, ihre Muskeln spannten sich an und sie konzentrierte sich darauf ruhig zu atmen.

Er sah es und trat zurück. Er kannte das. Sie hatte nicht zum ersten mal Angst vor ihm. Sie hatte oft schnell Angst. Aber wenn er ehrlich war, war es ihm egal.
Er konnte nichts für ihre psychischen Probleme. Und er hatte auch keinerlei Verantwortung für sie. Das sagte er sich immer wieder und wartete. Irgendwann musste dieser Panikmist schließlich vorbei sein.

In Annas Kopf spielte gerade alles verrückt. Sie erinnerte sich daran, wie er ihre Hände an die Wand gedrückt hatte und erst von ihr abließ, als seine Freunde dazu kamen. Wie er sie anschrie. Wie er sie danach ignorierte. Danach so tat, als wäre nichts passiert. Sie hatte selbst an ihrem Verstand gezweifelt.
Und jetzt. Jetzt kam sie sich ihm schutzlos ausgeliefert vor. Dabei hatte sie keinen Grund dazu. Das war alles nur ihr beschissener Fluchtinstinkt. Eigentlich war die Situation relativ entspannt. Er war schließlich sogar einen Schritt zurück gegangen. Sie konnte jederzeit gehen. Zögerlich stand die auf und probierte dabei so selbstbewusst wie möglich zu wirken. Wie kläglich sie dabei wirkte, konnte sie nur erahnen.

Anna stand vor ihm. Sie probierte sich zusammenzureißen. Wie schwer ihr das fiel, ließ ihre verbissene Miene nur erahnen. Sie wollte an ihm vorbei und er packte ihren Arm. Seine Stimme zerschnitt die Stille, welche in den letzten Minuten dominiert hatte:“Du bleibst jetzt hier“

“Lass mich gehen“

“Nein“

“Ich möchte weg“

“Wir reden jetzt“

“Lass mich bitte gehen“

“Nein, später“

“Daniel“

Ihre Stimme wurde zunehmend flehender. Er blieb unnachgiebig.

“Wir klären das jetzt. Du kannst nicht immer weglaufen Anna“

“Doch, dass kann ich“

Sie machte ihn aggressiv. Wieso wollte sie nicht mit ihm reden? Sie waren so ein schönes Paar gewesen. Alles war perfekt gewesen. Und jetzt tat sie so, als wäre er ein fremder Creep. Hatte Angst vor ihm. Was sollte das denn?

Er kam ihr wieder so nah. Sie waren nicht mehr zusammen. Sie wollte Abstand. Das war ihr viel zu intim. Das ging so nicht. Es war unangenehm. Aber wenn das vorbei war, wenn sie geredet hatten. Nun gut.
Sie machte den Anfang: “Dann reden wir jetzt. Mir tut leid was vorgefallen ist. Es war schön mit dir. Aber wir sind zu unterschiedlich. Das passt auf Dauer nicht, wie wir festgestellt haben.“

Er widersprach vehement: “Wir waren wunderbar zusammen. Das war wunderbar. Lass es uns doch nochmal versuchen. Es war doch nur dein einer Ausrutscher. Und das können wir doch vergessen. Ich kann nicht ohne dich Anna, ich kann das nicht. Komm zurück zu mir, du gehörst zu mir!“

Daniel klang immer fanatischer. Trotzdem probierte sie ihm halbwegs sachlich zu antworten:“Nein. Ich gehöre zu niemanden, außer zu mir selbst. Das klappt nicht mit uns. Ich kann das nicht mehr. Du bist das Gegenteil von mir. Ich mag dich und deine Freunde, aber das geht nicht mehr. Versteh doch das ich das nicht kann. Deine ganzen SMS. Die Anrufe. Das wird mir zu viel. Bitte lass mich ab jetzt in Ruhe. Es ist aus Daniel. Wir sind in keinem beschissenen Liebesfilm. Hier wird nicht am Ende alles gut. Kapier es doch.“

Er schüttelte nur stumm den Kopf und ließ Anna jetzt endlich los, die auch sofort ging.

Jetzt stand er da. Allein. Probierte zu verstehen was in den letzten Monaten so alles passiert war.

Und niemand war da.

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