Rückblende #1

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Neujahr

Was zur Hölle war nur los mit ihr?
Daniel hatte ihr eine Memo gesendet und ihr Herz raste.
Alles in ihr spielte verrückt, dabei hatte sie ihm nur ein Frohes Neues Jahr gewünscht und das hier war seine Antwort, eigentlich total dumm da so verrückt zu spielen. Aber so war sie eben.

Ihr Finger drückte hastig auf das Display ihres Handys und Daniels Stimme erklang:“Yoo Anna, dir auch ein frohes Neues, komm rum, hier ist Partyy“

Er klang als wäre er total dicht und sprach dazu mit aufgesetztem amerikanischen Slang, sodass ihr Name wie “Ännaa klang. Die Einladung zur Party ignorierte sie...oder? Die war eh nicht ernst gemeint. Andererseits könnte sie einen nächtlichen Spaziergang wagen, der sie ganz zufällig an der Feier vorbeiführte.
Hier hielt sie eh nichts, ihren besoffenen Schulkameraden konnte sie auch später noch hinterherräumen. Zumal sie hier auch nur zufällig zu Gast war.

Und vielleicht wollte Daniel sie ja wirklich sehen? Im Krankenhaus waren sie sich schließlich schon recht nah gewesen. Und er konnte auch total nett sein.
Halbwegs entschlossen zog sie ihre Jacke zu und ging los. Obwohl man ab und zu immer noch von weiter weg Böller hörte, waren die Straßen im Dorf regelrecht verlassen. Aus den Häusern hörte man hingegen öfter laute Musik. Fast wäre sie über eine Sektflasche gestolpert welche auf dem Boden lag. Das hätte ihr gerade noch gefehlt mit ihrem Fuß.
Generell verfluchte sie sich jetzt dafür, die Krücken nicht mitgenommen zu haben.
Stark humpelnd ging sie weiter die Straße runter, bis sie eine Gruppe Leute vor einem Haus stehen sah. Unverkennbar Daniel und Freunde, das wurde schon alleine am Lärmpegel deutlich.

Vorsichtig näherte sie sich ihnen, bedacht darauf möglichst uninteressiert zu wirken. Plötzlich fragte sie sich was sie hier überhaupt mache und probierte recht unbeteiligt an der Gruppe vorbei zu gehen. Daniel hatte sie jedoch schon entdeckt.

“Du bist echt gekommen..cool“, sagte er und sie war sich nicht sicher, ob er es Ernst meinte.
Dann legte er einen Arm um sie, stützte Anna auf dem Weg ins Haus und gab ihr ein Bier.
Ein paar der Leute schauten sie etwas seltsam an und sofort überkam sie das Gefühl, den Raum verlassen zu wollen.

Eigentlich auch eine ganz dumme Idee herzukommen. Die waren alle viel älter und sie gehörte nun wirklich nicht dazu. Nervös nippte sie an ihrem Bier und achtete darauf niemanden anzusehen.
“Spielst du mit?“, erschrocken sah sie auf. Daniel.
“Was denn?“
“Flaschendrehen.“

“Ehh, ne. Ich glaube ich muss jetzt auch gehen, denke ich und überhaupt, also..“, er ließ sie nicht ausreden:“Nichts da, du bist erst seit fünf Minuten hier. Die Frage war wenn du es so willst rhetorisch gemeint. Du hast keine Wahl“.
Sie antwortete stumpf:“Ich glaube nicht, dass es eine rhetorische Frage war, er eine als Frage getarnte Aussage“.
“Ich hab definitiv schon zu viel getrunken um mich auf eine Diskussion über den korrekten Gebrauch von Wörtern einzulassen und jetzt komm“, mit diesen Worten packte er sie am Handgelenk und zog sie zu den Anderen.

Ehe Anna sich versah, saß sie zwischen Daniel und einem anderen Kerl auf dem Boden und schaute auf die sich drehende Flasche, die immer langsamer wurde und irgendwann auf einen dunkelhaarigen Jungen zeigte, den sie vom sehen kannte.
Er sollte den andern für fünf Minuten sein Handy überlassen.

Als nächstes war Daniel an der Reihe, er sollte zehn Fakten über sich nennen, die keiner kannte.

Ab der Hälfte kam er langsam ins stocken:“...sechstens..ehh, ich will gar nicht so gerne von der Schule weg. Siebtens ich habe bis zur sechsten Klasse im Verein Tischtennis gespielt. Achtens..scheiße Mann...ähm ich höre manchmal Klassik. Neuntens ich überlege manchmal, was wäre wenn ich nur Träume und irgendwann aufwache und all das hier gar nicht real war und zehntens: Ich habe eine Topfpflanze mit dem Namen Benjamin“

Anna musste leicht grinsen, das hätte sie ihm gar nicht alles zugetraut.
Ein paar weitere waren dran, bis die Flasche schließlich auf sie zeigte.
“Pflicht.“, sagte sie und hoffte, dass die Aufgabe erträglich sein würde.
Felix, ein Kerl mit blauen Dreads und Nasenpiercing, grinste undefinierbar, bevor er ihre Aufgabe verkündete:“Performe zum nächsten Song der gespielt wird. Und zwar richtig, nicht nur so Schritt vor, Schritt zurück“

Fuck. Das war das Schlimmste was sie hätte treffen können. Sie konnte weder singen, noch hatte sie wirklich Taktgefühl.
Der momentane Song endete und Holland wurde gespielt. Anna freute sich ausnahmsweise mal darüber, das ihre Schwester sie ab und zu, zu Videos auf dieser Music-App nötigte und wandelte den Text in übertriebene Gesten um. Es sah zwar definitiv nicht professionell, oder besonders kunstvoll aus, aber es war immerhin unterhaltsam und authentisch.

Als die Aufgaben und Fragestellungen immer extremer und intimer wurden, verabschiedete sie sich allerdings, auch mit Blick auf die bereits sehr fortgeschrittene Uhrzeit.
Daniel probierte sie zwar noch zum bleiben zu überreden, aber langsam fiel es ihr auch immer schwerer die Augen offen zu halten.
Er überzeugte sie schließlich davon, dass er sie wenigstens begleiten würde, auch um sie zu stützen.

Still liefen sie ineinander eingehakt, zu dem Haus von ihrer Freundin.
Zum Abschied umarmte er sie, schaute sie ähnlich treu wie ein Hund an, und winkte, während er die ersten paar Schritte rückwärts die Straße herrunter ging.

Sie wiederum betrat das Haus und begann aufzuräumen.

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Irgendwie ist mir dieser Teil echt schwer gefallen und ich bin auch nicht wirklich zufrieden damit. Aber ich hoffe ihr verzeiht mir das,
Aileen.

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