Fröstelnd reibe ich mir meine kalten Hände. Die Luft ist kälter geworden, der Schnee höher. Meine Knöchel versinken komplett in dem Neuschnee, was mir das Tanzen untersagt. Ich bin in der Hoffnung hierhergekommen, Aloysius wiederzusehen, jedoch ist es verständlich, findet das heutige Bogenschießen bei dieser Kälte nicht statt.
Dennoch begehe ich den Fehler zu warten, in meiner lächerlichen Hoffnung ihn nochmals zu sehen. Der kindliche Trotz in mir lähmt mich, gefriert mich zu einer Eisstatue und macht mich zu einem Teil der winterlichen Landschaft. Er zwingt mich an Ort und Stelle zu verweilen. Ich warte und warte – vergeblich. Er kommt nicht.
Betrübt sehe ich hoch zum Dämmerungshimmel. In diesem Augenblick ist mir gleichgültig was mir Zuhause blüht, denn die unergründliche Sehnsucht nach ihm, taucht all meine Sorgen in einen dunklen Fleck, einen kalten Schatten.
*
Kaum verrät das unüberhörbare Quietschen der Haustüre meine Anwesenheit, rauscht meine Stiefmutter aus der Küche. Ihre stampfenden Schritte und die hängenden Mundwinkel lassen darauf schließen, dass Wut sie zähmt.
„Wo warst du, verdammt nochmal?", donnert sie, hebt dabei ihre zur Faust geballten Hand. „Hast du jemals daran gedacht, wer den ganzen Haushalt erledigen soll?" Liebend gerne würde ich jetzt entgegnen, sie sei lediglich zu geizig um eine Putzfrau einzustellen. Welch Ironie, dass sie Geld wie ihr größter Schatz hütet obwohl es ihr nicht gehört. Dieses Geld ist die harte Arbeit meines Vaters, doch diese Frau kauft damit alles was ihr Herz begehrt und wofür sie zu geizig ist, drängt sie mir auf. Die Gier macht diese Frau unglücklich. Sie wird immer mehr wollen, selbst wenn ihr die Welt gehören würde. Dieser unstillbare Durst hungert sie aus, verschlingt sie in seinem sehnlichen Drang.
Ergeben nicke ich. Es ist besser, wenn ich es unterlasse einen Kampf zu beginnen, den ich keinesfalls gewinnen kann. Dieselbe Ausrede benutze ich, um meine Hilflosigkeit in der Schule zu rechtfertigen. Ich wehre mich nicht, weil es mich nur noch mehr kaputtmachen würde.
Demotiviert schlurfe ich in die Küche und blicke dem Berg von Geschirr entgegen, der darauf wartet gewaschen zu werden. Bei diesem Anblick gibt mein Magen ein unglückliches Grollen von sich, jedoch ist an Abendessen nicht mehr zu denken. Meine Stiefmutter würde es mir unterbieten, weswegen ich wohl oder übel mit leerem Magen ins Bett gehen muss. Das alles, lediglich meiner naiven Hoffnung wegen. Mir wird klar, dass ich das Kind in mir noch nicht ablegen will, andernfalls müsste ich aufhören zu träumen und der Realität ins Auge blicken.
*
Einen Tag danach stochere ich lustlos in dem unappetitlichen Mensaessen. Der Lärm der von mir gehassten Schüler raubt mir jeglichen Appetit. Ich kann nicht leugnen, wie sehr ich unter ihren Sprüchen leide.
In meiner Unzufriedenheit verirre ich mich in dem Gedankenwirrwarr in meinem Kopf, vertiefe mich in gedanklichen Sätzen, Erinnerungen und Träumen.
Ich falle erst wieder aus diesem Zustand, als mir gegenüber ein großzügig gefülltes Tablett auf die hellhölzerne Tischplatte geknallt wird.
Überrascht sehe ich auf und blicke demjenigen ins Gesicht, der mir jede Nacht den Schlaf raubt.
„Aloysius", schwebt sein Name leise über meine Lippen, hinterlässt auf meiner Zunge einen süßlichen Geschmack.
„Hey Cyan." Er strahlt mich an und setzt sich wie selbstverständlich mir gegenüber. „Ich wusste doch, dass ich dich schon irgendwo gesehen habe." Seine grünen Augen funkeln wunderschön, schimmern mir voller Lebensfreude entgegen. Mein Herz schlägt höher, pulsiert lautstark in meiner Brust. Mit ihm wurde ein Rettungsring in den gefährlichen Sumpf meines Leidens geworfen. Er ist eine Überlebenshilfe in dieser Qual.
„Wie konnten wir uns zuvor nie treffen?", seufze ich und ertappe mich selbst dabei, wie ich mein Gegenüber verträumt anstarre.
„Vielleicht sollten wir uns gegenseitig bei der Ausübung unserer Leidenschaft erwischen." Er zwinkert mir schmunzelnd zu. „Faszination verbindet."
Zaghaft lächle ich mein Gegenüber an, fahre mir verlegen durch mein braunes Haar.
„Was fasziniert dich an mir?", erkunde ich mich schüchtern, weiche dabei unwillkürlich seinem Blick aus. „Ich befürchte, nicht gewöhnlich zu sein."
„Bin ich denn normal?", erkundigt sich mein Gegenüber, während er demonstrativ mit dem Zeigefinger über seine Narbe fährt. „Laut dir bin ich besonders, jedoch anders als du. Deswegen will ich dich als einzigartig bezeichnen, einzigartig auf eine niedliche Art." Liebevoll wuschelt er mir durch die Haare, was mir ein verzaubertes Lachen entlockt.
Aloysius ist kein Fremder, er war ab dem ersten Augenblick alles andere als das.
*
Mitternachtstanz hat es auf den 485 Platz im Ranking der Kurzgeschichten geschafft. Mich, als Kleinautor auf Wattpad freut dies selbstverständlich, daher will ich mich bei jedem bedanken, der Cyans ein bisschen andere Cinderella-Story weiterverfolgt. Vielen Dank dafür, ehrlich!
Dieses Kapitel kommt nun einen Tag früher, da ich morgen keine Zeit zum updaten werden habe. Das nächste Kapitel wird dann erst Sonntags erscheinen. Ich wolle das nur mal angemerkt haben.
Wie dem auch sei... Ich hoffe das Kapitel hat euch gefallen. :3
GLG~
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Mitternachtstanz [Cinderella Story]
Conto„Wer lange genug zum Himmel blickt, wird alle Sterne funkeln sehen." Ein zaghaftes Lächeln schleicht sich auf meine Gesichtszüge. „Wir alle bergen ein ganzes Universum, doch jeder entscheidet für sich, wie lange man dieses betrachtet." Eine nicht ga...