Sonnenstrahlen rieseln durch die Rollladen, fluten den Raum mit fahlem Licht. Es erinnert mich daran, dass meine Steifmutter bald aufwachen wird.
Seufzend streiche ich dem schlafenden Aloysius die blonden Haarsträhnen aus der Stirn, begutachte sein Gesicht. Würde seine Wange nicht von solch einer auffälligen Narbe geziert werden, würden viele sein Gesicht als gutaussehend bezeichnen. Er ist nicht hübsch, dieser unübersehbare Makel verleiht ihm Perfektion, zumindest in meinen Augen.
Zu gerne würde ich sein Gesicht intensiv mustern, nie wieder damit aufhören, allerdings darf er von niemandem meiner Familie gesehen werden.
Schüchtern drücke ich ihm einen Kuss auf die Wange um daraufhin seinen Namen in sein Ohr zu hauchen. Schmatzend blinzelt er der Helligkeit entgegen, blickt dann mit verengten Augen zu mir hoch.
„Du musst gehen", weise ich ihm betrübt an. Er runzelt die Stirn.
„Willst du mich loswerden?", fragt er neckend, rappelt sich dennoch auf. Er trottet offenbar noch schlaftrunken zu seinen Klamotten, die er sich am Vorabend übergestreift hat. Seine Arme sind so muskulös sein Rücken kräftig. Möglichst leise versuche ich den sich ansammelnden Speichel hinunterzuschlucken, während ich ihn insgeheim beobachte, wie er in seine Jeans schlüpft.
„Willst du noch ein Foto machen?" Über seine Schulter wirft er mir ein spottendes Grinsen zu. Lautstark räuspernd erhebe ich mich von der Matratze, drehe ihm den Rücken zu um mein glühendes Gesicht zu verbergen. Ich vergrabe meine roten Wangen in meinen Handflächen, lausche dem schnellen Beben meines Herzens.
Auf einmal schlingen sich von hinten zwei starke Arme um mich. Sein Körper schiegt sich an meinen.
„Du bist so niedlich", wispert er mir ins Ohr. Mir wird heiß, ich tauche in kochendes Wasser. Ich schwebe auf Wolkenschaum, versinke in meinem Traum.
„Aber ich muss jetzt gehen." Mit diesen Worten löst er sich von mir. Die Wärme schwindet, der Traum stirbt.
Ich bin sein Sklave, erinnere ich mich um die Enttäuschung zu verscheuchen, ich bin eine flügellose Taube, gefangen in Aloysius' Wünschen.
*
Spät abends liegen wir auf dem Grund des Schuldaches. Im Sommer halten sich die Steinplatten warm und die Nächte sind kaum mehr kühl, deswegen ist die Wahrscheinlichkeit einer Erkältung gering.
„Weshalb musste ich gestern so früh verschwinden", erkundigt sich Aloysius, wobei er möglichst neutral zu klingen versucht. Mir entgeht dennoch nicht der besorgte Unterton. Ich scheue keinesfalls davor zurück, ihm die Wahrheit zu erzählen. Ich vertraue ihm, er ist alles.
„Meine Stiefmutter und -schwester wären nicht begeistert gewesen." Ein genervtes Schnauben kann ich mir beim Gedanken an die beiden unmöglich verkneifen. „Sie betrachten mich als Abschaum und sperren mich in den Käfig ihrer Bedingungen."
„Weshalb wehrst du dich nicht?" Aloysius wirft mir einen Blick von der Seite zu. Ich kann diesen nicht erwidern, bin zu feige dafür.
„Ich kann nicht riskieren auf die Straße gesetzt zu werden", nuschle ich, so sehr es mir auch wiederstrebt die Wahrheit auszusprechen.
„Deswegen bin ich alles, weil du nichts Anderes hast", stellt er betrübt fest, interpretiert das Szenario falsch. Hektisch drehe ich mich zu ihm um.
„Sag das nicht!", fahre ich ihn boshafter als beabsichtigt an. Erst jetzt werde ich mir meinem Herzschmerz bewusst, wie enttäusch ich davon bin, dass er meinen Worten nicht glaubt. Meine Hände klammern sich in seine Schultern.
„Du bist alles, weil deine Augen hell wie tausende von Sternen funkeln. Weil du ein Universum bist, ein offenes Buch, das vielerlei Geheimnisse bergt. Weil deine Besonderheit faszinierend ist. Weil ich deine warme, selbstsichere Ausstrahlung genieße. Weil dein Lächeln das einzigartigste dieser Welt ist. Du bist alles, weil ich dich mehr als das gesamte Universum, mehr als jeder einzelne Stern liebe." Tränen brennen in meinen Augenwinkel, meine Fingernägel bohren sich krampfhaft in seine Jacke.
„Vertrau mir", füge ich zitternd, beinahe flehend hinzu. Aloysius scheint überfordert, zeitgleich von meinem Geständnis gerührt.
„Okay", haucht er, ehe sich seine Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen heben. „Cyan, für mich bist du der Himmel und das Meer zugleich. Du bist transparent, aber von Wolken verschleiert. Du wirkst klar, trägst jedoch etwas Dunkels in dir. Du bist wunderschön und voller Geheimnisse. Du bist ein Mysterium."
„Deswegen will keiner mich lieben", wird mir wehleidig bewusst. Aloysius drückt mir einen Kuss auf die Stirn, schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln.
„Ich tue es, aus ganzem Herzen."
*
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Mitternachtstanz [Cinderella Story]
Historia Corta„Wer lange genug zum Himmel blickt, wird alle Sterne funkeln sehen." Ein zaghaftes Lächeln schleicht sich auf meine Gesichtszüge. „Wir alle bergen ein ganzes Universum, doch jeder entscheidet für sich, wie lange man dieses betrachtet." Eine nicht ga...