Kapitel 10

94 8 0
                                    

Ich erwachte. Max schlief noch, während er mich umarmte. Vorsichtig befreite ich mich. Als Ersatz bekam er den großen Plüschteddy, der in der Ecke stand. Ich hatte ihn vor 4 Jahren von einem Verehrer geschenkt bekommen. Er hatte mich extrem verfolgt. Das war unmenschliches Stalking. Lars hatte ihn angezeigt. Er hatte nie eine Strafe bekommen. Seine größte Strafe war, dass ich vergeben war. An Lars. Ich verwarf diese Erinnerung. Ich ging zu Roman. Ich fütterte ihn. Er war mein Baby. Er war Lars' Baby. Er war meine Erinnerung. Meine lebende Erinnerung. Meine Erinnerung an Lars. Ich vermisste ihn. Ich fütterte Roman. Er gluckste. Er lachte. Er war glücklich. Ich nicht. Er kennt seinen Vater nicht. Er wird ihn nie kennenlernen. Ich kannte meinen Vater auch nicht. Es war schrecklich. Besonders in der Schule. Alle hatten einen Vater. Ich nicht. Roman hatte wenigstens Max. Aber nicht Lars. Ich weinte. Roman guckte mich mit großen Augen an. Dann fing er auch an zu weinen. Er weinte, weil ich weinte. Ich nahm Roman auf den Arm. Ich zog ihm seine dicksten Wintersachen an. Dann zog ich meine Sachen an. Ich holte meinen großen türkisen Rucksack. Ich hatte ihn von Tedi geschenkt bekommen. Ich hatte nämlich vor einigen Jahren bei Tedi an der Kasse gearbeitet. Der Rucksack war mein Abschiedsgeschenk. Ich füllte ihn mit Windeln, Taschentüchern, dem Rest Schokokuchen, 3 Bananen, einer Gurke, Melonenkaugummi, 4 mal Lidlwasser und einem 20€-Schein. Den Rucksack zog ich mir auf den Rücken und Roman dand ich mir im Tragetuch vor die Brust. Außerdem nahm ich noch eine Fleece-Decke mit. Dann verließen wir das Haus. Wir gingen durch den Ort in den Wald. In dem Wald bin ich in meiner Kindheit schon gewesen. Als wir das Reich der Bäume betraten, atmete ich tief ein. Auch Roman's Wimmern verstummte. Ich lächelte. Er lächelte. Wir lächelten gemeinsam. Wir gingen den ganzen Tag quer durch dieses riesige Gebiet. Ich war glücklich. Ich war frei. Ich lächelte! Als ich abends müde wurde, kuschelte ich mich mit Roman in die Decke ein. Wir legten uns unter einen Haselstrauch. Er war kalt. Aber wunderschön. Ich starrte in die Nacht. Ich wurde müde. Ich schlief wieder ein.

Vergänglich Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt