Unverhofft kommt oft

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Kim und Lilly rannten den schmalen Weg hoch und hielten oben nach Luft ringend an. Der Schreck war ihnen ins Gesicht geschrieben und sie blickten sich keuchend an. Hast du auch gerade das gesehen, was ich gesehen habe?" fragte Kim und ihre Freundin nickte. Ja" murmelte sie. Was war das?"- Keine Ahnung! Aber das müssen wir heraus finden! Vielleicht hätten wir gar nicht abhauen sollen. Ich hatte das Gefühl, dass er nur mit uns reden wollte. Wir hätten auf ihn warten sollen!" Lilly starrte sie ungläubig an, dann wurde sie wütend. Ach ja? Hätten wir also, ja? Aber was wäre dann gewesen, wenn dein Gefühl falsch gewesen wäre? Der Typ sah nicht gerade erfreut darüber aus, dass wir ihn gesehen haben. Was auch immer er da gemacht hat! Ich für meine Person bin froh, dass wir weggerannt sind. Der ist doch nicht mehr ganz dicht gewesen." Kim schaute ihre Freundin finster an. Na schön, vielleicht hast du Recht! Aber ich glaube es ist das Beste, wenn wir die Sache für uns behalten. Es wird uns eh niemand glauben!" Lilly nickte und dann machten sich die beiden Mädchen wieder auf den Rückweg. Das Abendbrot wartete sicher schon und beide hatten Hunger. Bevor sie jedoch gingen, warf Kim noch einen letzten Blick auf den Strand. Von dem Jungen, oder was für ein merkwürdiges Wesen er auch immer war, war absolut nichts zu sehen. Seltsam! Kim beschloss, dass sie der Sache auf den Grund gehen wollte. Ob Lilly nun mit machte oder nicht, sie würde diese Wesen suchen und herausfinden, was er genau war...

Bene atmete noch einmal tief ein, dann stieß er die große Flügeltür auf und trat in den Saal ein, der von tausend Kerzen erleuchtet wurde. Am Ende des Saals saßen seine Eltern an einer reich gedeckte Tafel und auch seine Geschwister konnte Bene sehen. Friedlich saßen sie alle zusammen und aßen. Alle aßen mit tadellosen Manieren und ohne zu krümeln. Alle machten sich einen Spaß daraus, zu schauen, wer am saubersten essen konnte. Nur er, das schwarze Schaf der Familie, machte seinen Eltern nur Ärger. Natürlich, war er als der Älteste das Sorgen und Kummer Kind. Wie hätte es auch anders sein können. Irgendwer zog immer die Arschkarte. Seine Mutter sprang, als sie ihn erblickte, auf und rannte ihrem Sohn erleichtert entgegen. Tränen glänzten in ihren Augen. Bene straffte die Schultern und atmete noch einmal tief durch. Benjamin!" rief seine Mutter, während sie ihn an sich drückte. Er war gut und gerne zwei Köpfe größer als sie. Wie konntest du mir das nur antun und so lange wegbleiben? Das waren fast zwei Monate! Ich bin fast umgekommen vor Sorge! Mach das nie wieder!" Bene wollte lieber keine Versprechen geben und löste sich aus ihrer Umarmung, als sein Vater auf ihn zu kam. Gerade, kerzengerade wie immer schritt er durch den Saal auf seinen Sohn zu. Sein rotes Haar war militärisch kurz geschoren, seine Augen waren schmal und sein Blick stechend. Bene machte sich auf eine gewaltige Strafe gefasst. Doch auch die würde er überleben und dann würde er wieder abhauen. Wieder zu der wunderschönen Bucht. Die Mädchen musste er eh noch suchen! Der Blick seines Vaters war wie gewohnt stechend und eiskalt, sein Gesicht zeigte keine Gefühlsregung...

Adrian Felix Kront war noch einige Zentimeter größer als sein Sohn und er hatte seinem Sohn gehorsam beigebracht. Dieses Abhauen gefiel ihm überhaupt nicht. Sein Sohn würde eines Tages das Reich übernehmen und er musste noch viel lernen, aber das würde er ihm schon einbläuen! Wenn nötig sogar mit Gewalt...

Bene blickte seinen Vater solange an, bis dieser mit kalter Stimme anfing zu sprechen: Du bist also wieder abgehauen! Aber nicht nur das! Du warst auch noch an Land, an einer Menschenschule und du bist leichtsinnig gewesen. Was hast du dir nur dabei gedacht, dich einfach irgendwo an einem öffentlichem Strand zu verwandeln? Habe ich dir denn gar nichts beigebracht? Los! Rede!"- Ich..."- Das habe ich mir schon gedacht, aber dir werde ich lehren nie wieder ab zuhauen! Du kommst jetzt mit!" Mit diesen Worten wurde Bene am Kragen gepackt und in ein anderes Zimmer gezerrt. Sein Vater verschloss die Tür und ging zu einem Schrank. Er holte einen Rohrstock heraus und ging auf seinen Sohn zu. Heute ist mal dein Rücken dran. Für jeden Tag den du weg warst ein Schlag. Das sind dann ungefähr 42 Schläge..."

Es vergingen die Wochen und langsam vergaßen Kim und Lilly die Sache mit dem merkwürdigem Jungen. Doch eines Tages geschah etwas, was ihnen das Erlebnis wieder in Erinnerung rief. Es war in der Schule. Kim und Lilly hatte gerade Mathe, als es an der Tür klopfte. Ihr steinalter Mathelehrer Herr Mertens schlurfte zur Tür und öffnete sie. Ihre Schulsekretärin und ein großer, schlanker Junge traten ein. Kinder" rief die Sekretärin und klatschte in die Hände. das ist Benjamin Maximilian Kront. Er ist ab heute in eurer Klasse. Ich hoffe ihr werdet nett zu ihm sein!" Lilly bekam einen Hustenanfall und Kim wäre fast vom Stuhl gefallen. Der Junge, der sie gerade so interessiert musterte, war niemand anderes, als der Junge vom Strand! Was für ein Zufall! Ach sieh mal, Benjamin!" sagte Herr Mertens. Neben Kim ist noch ein Platz frei. Setz dich erst mal zu ihr!" der Junge nickte und kam lächelnd auf sie zu. Kim musste ihn einfach anstarren. Reichte es nicht, dass er perfekt und einfach nur umwerfend aussah? Nein, er musste auch noch irgendein mystisches Wesen sein. Was für eines auch immer! Hi" der Junge saß nun also neben ihr und lächelte sie mit einem umwerfenden Lächeln an. Hallo" grummelte Kim. Sie konnte ihre Gedanken einfach nicht zügeln. Seine Anwesenheit war gar nicht gut. Mit ihm stimmte irgendetwas nicht und Kim würde schon noch heraus finden, was...

Bene betrachtete das Mädchen neben sich genauer. Das war also Kim! Sie war damals das Mädchen gewesen, dass er fest gehalten hatte und das ihn mit einem Tritt in die Magengrube k.o geschaltet hatte. Sie hatte ihn damals aus großen, ängstlichen, grauen Augen angesehen und dann...dann hatte sie ihn getreten. Sie war noch schöner, als er sie in Erinnerung gehabt hatte. Das Blond ihrer Haare überwog dem Braun und sie hatte einige Sommersprossen auf der Nase. Ihre Augen waren immer noch grau, aber nicht mehr ängstlich. Sie wirkten so, als könnte sie seine Gedanken und tiefsten Gedanken erraten. Nein, dumm sah sie nicht aus. Bene musste unbedingt herausfinden, was sie gesehen hatte und dann... Autsch! Bene verzog das Gesicht. Nicht mal mehr gerade sitzen konnte er, ohne das sein Rücken weh tat. 42 Schläge mit einem Rohrstock waren hart gewesen und hatten auf seinem ganzen Rücken blutige Striemen hinterlassen. Die ersten Wochen hatte er sich gar nicht bewegen können, ohne vor Schmerzen fast um zu kommen. Aber auch 42 Schläge mit dem Rohrstock hatten ihn nicht davon abhalten können, hierher zurück zu kehren. Er durfte sich eben nur nicht von seinem Vater erwischen lassen. Wieder fuhr ein stechender Schmerz durch seinen Rücken und ihm entfuhr ein Stöhnen. Warum musste das nur so*** wehtun? Warum...? Plötzlich spürte er eine Hand auf seinem Arm und er blickte überrascht auf. Kim hatte sich ihm zu gewandt und ihr blondes Haar fiel ihr teilweise in die Stirn. Alles okay?" erkundigte sie sich mit besorgtem Blick. Du siehst so aus, als hättest du Schmerzen. Im Rücken?" Bene biss sich auf die Unterlippe. Es...Es geht schon" sagte er und presste die Zähne zusammen. Wahrscheinlich nur ein Muskelkater!" Kim blickte ihn noch einen Moment mit diesem Gedankenleser – Blick an, dann beugte sie sich wieder über ihre Aufgaben...

In Kims Kopf arbeitete es. Sie hatte gesehen, wie er sich vor Schmerzen gekrümmt hatte und hatte sein qualvolles Stöhnen gehört. Das war kein normaler Muskelkater. Er verbarg etwas vor ihr. Aber was? Vielleicht... Kim?" eine leise Stimme drang an ihr Ohr und sie drehte sich zu ihm um. Er hatte sich ihren Namen gemerkt! Aber war das jetzt positiv oder negativ? Wieder stöhnte er, als er sich leicht beugte. Ich glaube mir geht es wirklich nicht gut. Würdest du mir zeigen wo das Krankenzimmer ist? Dort kann ich dann Bescheid sagen, dass ich nach Hause gehe!" Kim nickte. Kein Problem!"...


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