Ich bin davon überzeugt, dass jeder Mensch in unserem Leben einen Zweck hat. Er kann ein Test, eine Strafe oder ein Geschenk sein. Als ich neben Cameron die Treppen zur Haustür erklomm und sich ganz beiläufig unsere Arme streiften, da war ich mir nicht sicher, in welche Kategorie ich ihn einzuordnen hatte. War er ein Test? Vielleicht wollte Gott meine Reizbarkeit mit ihm austesten. War er eine Strafe? Manchmal auf jeden Fall. Aber war er ein Geschenk? Das sollte wirklich die "Eine-Million-Dollar-Frage" sein.
"Was meinst du, was uns da drin erwartet?", fragte ich ihn leise und schlang die Arme um mich. Er schloss die Haustür auf und zwinkerte mir zu. Zwinkerte mir tatsächlich zu!
"Meine Familie, deine Familie, Renald", sagte er und zuckte mit den Schultern. Ich verdrehte die Augen. Gerade, wenn er sich als Geschenk entpuppt hatte, dann setzte er alles daran eine Strafe zu sein. Konnte ich nicht einmal eine normale Antwort bekommen? Nur einmal? Zügig ging ich an ihm vorbei und ignorierte sein dummes Gelächter.
"Mum?", rief ich.
"Im Wohnzimmer", antwortete sie. Ich blieb im Türrahmen zu besagtem Raum stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. Oh mein Gott. Das war nicht ihr Ernst! Überall lagen Stoffmuster und Hochzeitsalben verteilt. Und meine Mum saß mit einem unordentlichen Dutt, Brille auf der Nase und Schlabberpulli mitten drin. Sie kaute an einem Bleistift und brabbelte vor sich hin. Als dann Renald auch noch wie ein aufgescheuchtes Hühnchen durch den Flur geeilt kam, fühlte ich mich wie im Irrenhaus.
"Cam!", rief ich. "Cameron!" Er kam sofort zu mir und schaute auf mich hinab. Mein Blick war starr auf das Spektakel vor mir gerichtet. Ich konnte mich einfach nicht davon lösen. Es war wie bei einem Unfall. Du willst nicht hinsehen, du musst aber, weil du nicht anders kannst. "Hilfe", flüsterte ich und er schlang die Arme von hinten um mich. Ich spürte sein leises Lachen an meinem Rücken.
"Ich dreh durch", murmelte er und lachte weiter.
"Du nicht bitte auch noch", klagte ich und löste mich aus seiner Umarmung. Es war jetzt komisch zwischen uns. Als wir uns noch gehasst hatten, da wusste ich wenigstens woran ich war. Jetzt war mir nicht mal klar, ob er Will nur hatte provozieren wollen oder ob er mich tatsächlich mochte. Das war verdammt verwirrend. Und meine durchgeknallte Mum machte es auch nicht besser. Gabby kam uns entgegen und ich wich zurück. Ich weiß nicht, warum alle zu durchdrehten, aber ich wollte mir diese Krankheit ganz sicher nicht holen.
"Gott sei Dank seit ihr da!", rief sie und küsste erst mich, dann ihren Sohn auf die Wange. "Die beiden drehen durch. Vollkommen durch", plapperte sie und bei ihren abstehenden Haaren war ich mir gar nicht so sicher, ob Ren und Mum da die Einzigen waren. "Ich habe grade so Rachels Handy zu fassen bekommen und euch direkt gesimst. Die beiden schieben Hochzeitspanik. Jules! Du musst deine Mutter beruhigen. Ich werde sonst noch verrückt!" Gabby wedelte demonstrativ vor ihrem Gesicht herum. Und ich hatte die Befürchtung, dass da alle Hilfe zu spät kam.
"Warum bin ich hier, Ma?", fragte nun auch Cam und wurde sogleich von ihr am Kragen gepackt. Sie zog ihn zu sich herunter und starrte ihm in die Augen. Das würde mir keiner glauben, was hier abging. Maggie hatte zwar die total abfeiernde Südstaatenfamilie, aber das war nichts im Vergleich zu diesem Spektakel.
"Schaff deinen Onkel hier raus. Bevor ich ihn erwürge!" Cam warf mir einen Blick zu und ich musste grinsen. Keine so schlechte Idee. Wieso sollte Gabrielle ihre Wut nicht auch mal ausleben?
"Alles klar, Ma", sagte er trotzdem und ich seufzte. Träume waren was Schönes. Mir wurde Angst und Bange wenn ich nur daran dachte, dass ich mich gleich meiner Mum stellen musste. Mit ihrer zickigen Art kam ich bestens klar, aber das da im Wohnzimmer waren fremde Gewässer für mich. Vorsichtig pirschte ich mich an sie an und tippte ihr auf die Schulter. Sie sah auf und kratzte sich mit ihrem Bleistift am Kopf.
"Mum?", fragte ich und kniete mich neben sie.
"Jules", sagte sie und rieb sich die Hände. "Hast du nicht AG?" Ich schüttelte simpel mit dem Kopf.
"Mum? Was machst du da?" Sie schaute von mir zu ihren Katalogen und dann wieder zu mir. Sie sah aus, als sähe sie das ganze Chaos zum ersten Mal.
"Ich muss doch die Hochzeit planen", stellte sie klar und wedelte mit Stoffmustern vor meiner Nase herum. Ich packte sie und hielt sie außer Reichweite.
"Mum!" Sie wollte sich die Muster wieder greifen, doch ich blieb standhaft. Die hatte heute ja wohl 'ne Vollmeise.
"Ich brauche sie. Gib sie mir, Julianne", forderte sie. Jetzt waren wir also schon bei meinem vollen Namen angekommen. Nett.
"Nein. Erst kommst du runter!"
Sie sackte zusammen und rieb sich über die Stirn.
"Ich dreh durch", murmelte sie.
"Bist du schon."
"Es ist noch so viel zu erledigen. Die Probleme auf der Ranch, der Buchladen... Da dachte ich mir, dass ich mal was Nettes mache und mich mit meiner Traumhochzeit beschäftige. Und dann fand ich keine perfekten Stühle und Blumen und ich bin ausgeflippt."
"Das sehe ich." Ich schnappte mir ihre Tasche und fischte die Autoschlüssel daraus hervor. Sie baumelten an meinem Ringfinger und ich deutete auf die Tür.
"Komm, wir gehen Blumen aussuchen. Die willst du doch bestimmt nicht bei Amazon bestellen."
"Jules, ich könnte dich knutschen!"
"Heb dir das für später auf."Ich kam erst spät am Abend mit Mum wieder und wollte mich noch ein paar Minuten auf die Schaukel neben der Hintertür setzen und die warme Luft genießen. Ich schnappte mir mein Buch, so ein mega schnulziges Liebesbuch, das ich insgeheim vergötterte und trat ins Freie. Doch anstatt frische Luft zu schnuppern, roch ich Rauch. Ich folgte dem Geruch und sah Cameron und seinen besten Kumpel Brody hinter einem Busch. Die Zigarette oder Joint, glimmte sichtbar. Das konnte doch nicht sein. Jetzt rauchte er auch noch... Er aß zwar nicht immer sein Gemüse auf, aber das bedeutete doch nicht, dass er sonst ungesund lebte. Manchmal wollte dieser Kerl für mich wirklich einen Test darstellen, denn ich musste mich wirklich beherrschen ihm nicht eine zu knallen.
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Fighting Cameron
Novela JuvenilDie 17 - jährige Jules Summers ist das typische Großstadtmädchen. Als ihre Mutter sie auf die Ranch ihres Verlobten in Montana schleppt, ist sie not amused. Auch nicht, als der spitzüngige und gutaussehende Sohn ihrer Stieftante ihren Weg kreuzt. Ca...