"Hallo, Prinzessin", sagte mein Dad und ich schlang meine Arme fester um seinen Hals. Er drückte mich an sich und hob mich dabei etwas hoch.
"Dad", schluchzte ich und grinste unter Tränen. Er hatte mich vom heutigen Ausflug in den Central Park befreit und holte mich nun von unserem Hotel ab. Lachend setzte er mich wieder ab und schob seine Sonnenbrille auf der Nase hoch. Sein blauer Blick musterte das Gebäude und die Sonne ließ seine dunkelblonden Haare goldig glänzen.
"Also hier hat euer Lehrer euch also untergebracht", bemerkte er und griff nach meiner Hand. Wir gingen zu seinem silbernen Mercedes und er wuchtete mein Gebäck in den Kofferraum.
"Ja, es ist eigentlich gar nicht so schlecht", erwiderte ich und schnallte mich an. Dad startete den Motor und reihte sich in den Verkehr ein.
"Im Vergleich zu einem Bauernhof sicher", murmelte er und ich gab ihm einen Klaps. Er warf mir über den Rand seiner Sonnenbrille einen Blick zu und verzog die vollen Lippen zu einem Lächeln. "Was? Gefällt dir Rens Hof?" Ich zuckte mit den Schultern und massierte mein Nasenbein.
"Es ist eine Ranch, Dad. Es leben nette Menschen da und ich habe ein Pferd", sagte ich mit gleichgültiger Stimme und hoffte, dass er das Thema fallen ließ. Aber er war mein Dad und ich hatte meine Hartnäckigkeit von ihm geerbt.
"Ein Pferd kann ich dir auch besorgen", bemerkte er und setzte energisch den Blinker.
"Ich sage ja gar nicht, dass ich dableiben möchte. Ich möchte zu dir zurück."
"Also bist du kein Landei geworden?", fragte er und schmunzelte.
"Nein, Dad."
Danach schwiegen wir und ich starrte aus dem Fenster. Grüne Bäume und Haus um Haus zogen an uns vorbei und er fuhr schließlich in die Tiefgarage seines Gebäudes. Seufzend stieg ich aus und schloss meine Lederjacke, als ich in die Kälte der Garage eintauchte.
"Also, mal sehen, wie dir die Wohnung gefällt", bemerkte Dad, nahm meinen Koffer und ging neben mir her zum Aufzug. Er pfiff vor sich hin und auch ich war mehr als glücklich. Ich war Zuhause.
Er hatte unser Haus vermietet. Ich konnte es verstehen. Wirklich. Für eine Person war es viel zu groß.Und als ich ins Wohnzimmer trat, wurde ich sofort daran erinnert, dass er nicht allein war. Eine großgewachsene wasserstoffblonde Frau stand neben einer Tischlampe und glättete ihren Bleistiftrock. Ihre Bluse stand ein bisschen zu weit offen und sie war zu stark geschminkt.
"Hi, ich bin die Freu-", begann sie, doch ich unterbrach sie.
"Sie sind Stacy. Ich weiß." Mein Dad legte mir eine Hand auf die Schulter und drückte zu.
"Lass das Jules", flüsterte er und ich riss mich zusammen. Blondi lächelte breit und ich würgte innerlich. Sie war hübsch, nicht umwerfend aber auch nicht hässlich. Und sie war groß, größer als ich.
Sie kam auf mich zu und gab mir einen kleinen Blumenstrauß. Nette Geste über einen BigMac hätte ich mich aber trotzdem mehr gefreut.
"Danke. Passen Sie auf, dass Dad nicht eifersüchtig wird", sagte ich und versuchte meine Vorbehalte runterzuschlucken. Sie musste nett sein. Sonst wäre Dad nicht mit ihr zusammen.
"Bitte? Ich betrüge deinen Vater nicht", quiekte sie und ich zog eine Augenbraue hoch. Stacy blickte nervös umher und Dad kam aus der Küche geeilt.
"Was ist denn hier los?", fragte er und ich zuckte zusammen, als mich sein Blick traf. Er sah verdammt wütend aus.
"Isaac! Ich betrüge dich nicht!", schluchzte Stacy und begann doch tatsächlich zu heulen. Sie schlug sich ihre manikürten Hände vors Gesicht und ich hob meine beschwichtigend.
"Das habe ich-", setzte ich an, doch Dad warf mir meine Jacke zu. Verdutzt fing ich sie auf und starrte ihn an. Er schmiss mich doch wohl nicht etwa raus?
"Ich weiß ja nicht, was Rachel dir erzählt hat, aber Stacy betrügt mich nicht. Sie ist nur verbittert und wünscht mir das, was ihr passiert ist", stellte er klar und ich erstarrte. Meine Finger klammerten sich um meine Jacke und mein Herz pochte in meiner Brust. Nein. Nein.
"Nein!", schrie ich und verdrängte die Tränen. Nein. Dads Gesicht entgleiste und er trat auf mich zu.
"Prinzessin."
"Nein!", schluchzte ich erneut und wich zurück.
"Julianne, bitte. Ich-"
"Nein!" Ich klang wie eine kaputte Schallplatte. Aber dieses eine Wort geisterte mir in meinem Kopf herum. Ich leugnete es einfach. Es durfte nicht wahr sein. Das ging nicht. Das zerstörte mein Bild von Dad. "Nein, Dad."
"Jules, wir müssen darüber reden", sagte er und seine tiefe Stimme zitterte. Ich wollte nicht mit ihm reden. Ich konnte nicht mit ihm reden. Also tat ich etwas, das ich mir nie hätte vorstellen können. Ich setzte die Fassade auf, die ich meiner Mum gegenüber gezeigt hatte. Energisch straffte ich meine Schultern, griff meinen Koffer und ging.
"Jules!", rief Dad, doch ich schaute nicht zurück. Als ich im Fahrstuhl stand blickte ich zur Wohnungstür und hoffte, dass er sie öffnete und mich versuchte aufzuhalten. Aber er tat nichts dergleichen. Er ließ mich gehen. Und in diesem Moment brach etwas in mir.Scarlett wohnte quasi nebenan. Zwei Blocks weiter in einem Penthouse. Ihre Mutter hatte überrascht die Tür geöffnet und mir sofort Kekse angeboten. Mrs Sullivan war immer sowas wie meine Ersatz-Mum gewesen. Wenn sie arbeitete, dann hatte meine Mum auf Scarlett und mich aufgepasst und andersherum genauso.
Jetzt saß ich im Schneidersitz auf einem von Scarletts roten Plüschsesseln und umklammerte eines ihrer großen Kissen.
"Ich kann es immer noch nicht fassen, dass er meine Mum betrogen hat und nicht sie ihn", murmelte ich und Scarlett tigerte im Zimmer auf und ab. Ihr dicker, schwarzer Pferdeschwanz wippte im Takt ihrer Schritte mit.
"Soll ihm doch der Schwanz abfallen", entgegnete sie und ich verzog das Gesicht. Bah, das war kein Bild, das ich von ihm haben wollte.
"Können wir solche bildhaften Vorstellungen lassen?" Sie wiegte ihren Kopf hin und her und tippte sich gegen ihr Kinn.
"Geht's dir wirklich gut? Es ist, als wäre dein Dad von dem Thron gefallen, auf dem du ihn immer gesehen hast", bemerkte sie leise und ich lächelte matt.
"Ja. Ich meine, irgendwie schon." Nach dem ersten Schock war ich einfach nur noch wütend und verletzt.
"Und warum sitzt du dann da wie ein Trauerkloß?"
"Oh, ich hatte mich so verdammt dolle auf New York gefreut. Und Dad und Cameron machen alles kaputt", jammerte ich und vergrub mein Gesicht im Kissen. Scarlett packte mich an den Schultern und grinste. Ich war totunglücklich und sie lachte. Wenn man solche Freunde hatte...
"Das ist der Punkt! Cameron geht dir nicht aus dem Kopf!" Und tief in mir wusste ich, dass sie die Wahrheit sagte.
"Mist", brummte ich und schloss die Augen.
"Jules und Cameron sitzen auf dem Baum", begann Scarlett zu singen und ich warf ihr das Kissen an den Kopf. Sie lachte und zeigte mit ihrem roten Fingernagel auf mich. "Hol ihn dir, Tiger!"
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Fighting Cameron
Ficção AdolescenteDie 17 - jährige Jules Summers ist das typische Großstadtmädchen. Als ihre Mutter sie auf die Ranch ihres Verlobten in Montana schleppt, ist sie not amused. Auch nicht, als der spitzüngige und gutaussehende Sohn ihrer Stieftante ihren Weg kreuzt. Ca...