Karma ist eine Bitch

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Die Leute sagen, dass Karma eine Schlampe ist. Ich persönlich glaube eigentlich nicht an die Existenz eines übernatürlichen Schuldenkontos, aber mein schlechtes Verhalten sollte mich schon bald eines Besseren belehren.
Nachdem Cameron, alias Mr. Arschloch mir mein Zimmer gezeigt und ich mich eingerichtet, sprich meine Schuhe mit Wäscheklammer auf der Nase abgeputzt hatte (ich brauchte jetzt dringend eine neue Zahnbürste), wurde keines meiner Gebete erhört. Es blieb mir nämlich in keiner Weise erspart mich mit meiner "Familie" an einen Tisch zu setzen. Also saß ich mit gekreuzten Beinen auf einem Holzstuhl und funkelte meiner Mutter böse hinterher, als sie in die Küche ging um Gabrielle mit dem Essen zu helfen.
"Ah, ah, pass nur auf. Davon bekommst du Falten", flüsterte Cam dicht an meinem Ohr. Sein Atem strich über meine sensible Haut und es stellten sich mir unwillkürlich die Nackenhaare auf. Unser Verhältnis war zwar immer noch angespannt, aber seit uns klar war, dass wir einen gemeinsamen Feind hatten, fiel mir der Umgang mit seiner arroganten Art umso leichter. Wahrscheinlich hätte Scarlett sich jetzt schon mit ihm in eine dunkle Ecke verzogen. Vorzugsweise eine Ecke mit Bett, wenn ihr versteht was ich meine. Ich glaube, der Grund dass Cameron und ich uns nicht mochten war, dass wir zu viele Ähnlichkeiten besaßen. Keiner von uns ruderte des lieben Friedens Willen zurück. Auch wenn das bedeutete, dass ein Streit vollkommen ausartete. Keiner von uns redete jemandem nach dem Mund und unser übergroßes Ego war auch eher Spiritus als Wasser im Feuer. Irgendwie fand ich diese ganze Situation mit ihm nicht so ätzend, wie es ein normaler Mensch finden würde. Seltsamer Weise fand ich es aufregend. Vielleicht, weil er toll aussah, vielleicht, weil er in meinem Alter war, vielleicht, weil ich aufmerksamkeitsgeil war und durch unsere ständige Rangelei dauernd der Mittelpunkt des Geschehens war.
"Ach, leck mich", gab ich zurück und drehte den Kopf.
"Sag mir wann und wo", flüsterte er und grinste schief.
"Oh, hör doch auf." Ich verdrehte die Augen und er lachte.
"Also, was ist mit deinem Vater?", fragte er und lehnte sich an den Esstisch.
"Wo ist deiner?" Er ließ die Beine baumeln und auf einmal wirkte er viel jünger. Verletzlicher.
"Irgendwo in Europa. Ich bekomme zum Geburtstag und zu Weihnachten eine Karte." Er zuckte mit den Schultern.
"Warum denn das?", hakte ich nach, doch in genau diesem Moment zerstörten spitze Schreie die Unterhaltung. Wir warfen uns einen Blick zu und stürmten in die Küche. Unsere Mütter hantierten fluchend vor einem qualmenden Backofen herum und Cam und ich begannen zu lachen.
"Oh nein. Hör auf dich über uns lustig zu machen", rief Gabby und warf Cameron ein Brötchen an den Kopf.
"Sieht so aus, als würden wir am Abend essen", stellte er fest und ich verdrückte mich leise aus der Küche,schlüpfte in ein paar Boots und schlenderte rüber zum Stall. Vor ein paar Jahren hatte ich noch eine Profikarriere als Springreiter angestrebt, doch dieser Traum hatte sich nach der Scheidung in Luft aufgelöst. Mum tolierte nur einen Beruf, der mit Studium zu tun hatte. Irgendwie hatte ich danach die Lust am Reiten verloren. Ich schob die großen Flügeltüren auf und atmete den Geruch nach Heu tief ein. Rechts ging ein Gang ab, an dessen Wände alles mögliche Reitzeug gehangen worden war. Etliche Boxen reihten sich aneinander und die Pferde schnaubten zufrieden. Mich zog ein schokoladenbraunes Tier an, das ganz und gar nicht wie ein Westernpferd aussah. Ranger, stand auf seinem Halfter und ich streckte die Hand nach ihm aus. Sanft pustete er mich an und ich betrat kurzerhand seine Box. Sie war groß und ich merkte sofort wieso. Ranger hatte Feuer. Der Körperbau und das Brandzeichen auf seiner Kruppe ließen darauf schließen, dass er ein Turnierpferd war. Ich wette, er war ein Springer.
"Na, mein Junge? Du kommst nicht so oft zum Springen, oder?", fragte ich ihn und zuckte zurück, als ich Stimmen hörte. Schnell huschte ich aus der Box und kam Ren entgegen. Er entdeckte mich und lächelte. Eins musste man ihm lassen, er hatte Geduld.
"Na, Lust zu reiten?" Skeptisch verschränkte ich die Arme.
"Und wenn es so wäre?" Renald lachte und reichte mir meine Reitkappe.
"Dann such dir ein Pferd aus. Die, die schon jemandem "gehören" haben den Namen des Besitzers an der Box." Er deutete auf einen Schecken. "Das ist Magical. Siehst du? Neben ihrem Namen steht Cameron. Sie ist seine Stute." Ich strich über ihre Nüstern.
"Woher hast du meine Reitkappe?"
"Deine Mum hat die Sachen eingepackt. Sie dachte sich schon, dass du reiten würdest." Uuuund, damit hatte er es mir versaut. Ich drückte ihm meinen Schutzhelm in die Hand.
"Danke, aber nein danke." Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und kletterte auf den Heuboden. Von hier aus konnte ich bis zum Ranchhaus gucken und die vielen Hektar Land sehen. Seufzend wählte ich Dads Nummer und wartete darauf seine Stimme zu hören. Nach dem ersten Klingeln ging er ran.
"Hallo, Prinzessin", begrüßte er mich und ich beruhigte mich sofort. Gott, wie ich ihn vermisste.
"Hey, Dad."
"Was ist denn los?", fragte er mich. Wahrscheinlich lief sein Vaterradar auf Hochtouren.
"Ich hasse es hier. Alles ist so...so ländlich. Ich hasse Ren. Ich hasse Mum und ich hasse diese verdammte Situation." Er lachte und ich hörte im Hintergrund eine Frauenstimme.
"Da sind wir schon Zwei, Schatz. Aber denk dran, du musst noch ein Jahr aushalten. Nur ein Jahr. Und ich versuche alles, um dich schon vorher zu mir zu holen, okay?" Ich atmete tief ein und zog Strohhalme aus einem großen Ballen.
"Ich weiß, Daddy. Es ist nur... ich vermisse dich, Scarlett und New York so sehr." Ich sprach leise und hörte schon wieder ein glockenhelles Lachen.
"Ich vermisse dich noch mehr."
"Wo bist du?", fragte ich und hatte plötzlich ein ganz schlechtes Gefühl.
"Zuhause und du? Bist du in deinem Zimmer?" Wenn er Daheim war, wer war das dann im Hintergrund?
"Wer ist bei dir?" Er atmete aus und ich wusste, was er mir gleich sagen würde. Ich wusste es einfach.
"Jules, ich wollte es dir nicht so sagen, aber du kennst doch Stacy? Sie ist meine Sekretärin und jetzt auch meine Freundin." Mein Kiefer machte sich selbstständig und klappte bis auf den Boden. Seine Sekretärin?
"Ehrlich, Dad? Du bedienst wirklich jedes Klischee."
"Jules, ich-", begann er, doch ich unterbrach ihn.
"Nee, ist schon klar. Ich muss jetzt los."
"Sprechen wir morgen?", fragte er. Seine Stimme klang verzweifelt.
"Mal sehen, ob ich Zeit finde bei meinem spannenden Leben." Ich legte auf.
Um nochmal auf Karma zurückzukommen. Ja, wenn es wirklich existierte und das meine Quittung für mein Verhalten war, dann stimmte ich den Menschen zu, die das Karma als eine Bitch bezeichneten. Dann war es die größte Schlampe, die mir je über den Weg gelaufen war.

Fighting Cameron Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt