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~~ AKKON ~ ~

Der Wind fegte über die sandigen Ebenen vor der zerstörten Stadt. Die Schlacht hatte Spuren hinterlassen. In den Straßen lagen Berge von Leichen, man konnte nicht anders als auf den Körpern der Toten zu gehen. Auf den zerstörten Mauern konnte man noch die Überreste der Flaggen sehen, die einmal von der Größe des Kreuzfahrerreiches gezeugt hatten. Doch nun wehten die grünen und roten Flaggen und Wimpel der Sarazenen auf den Mauern. Nur auf dem großen Ostturm der Eisenburg, die hoch über dem Hafen der Stadt thronte, wehte eine einsame Flagge der Templer. Robert von Toulon stand zusammen mit Thibaud Gaudin auf dem Turm und starrte hinab auf die Stadt.

Vor drei Tagen, am 18. Mai 1291, hatten die Mamluken*, die die Stadt schon seit fast zwei Monaten belagerten, einen Großangriff gestartet. Schließlich war der innere Mauerring dort drüben, im Bereich des verdammten Turms gefallen. Er hatte viele gute Männer in den Stunden danach fallen sehen, unter ihnen war auch der Großmeister des Templerordens, Guillaume de Beaujeu, und einige seiner Freunde aus Toulon gewesen. Alle waren sie im Gefecht mit den Männern von Al-Ashraf Chalil getötet worden. Mit letzter Kraft hatten sich die Überlebenden des Templerordens in die Eisenburg, ihr Bollwerk auf dem Felsen über der Stadt zurückziehen und sich dort verschanzen, während die restliche Stadt an die Mamluken fiel.

Nun saßen sie schon seit zwei Tagen untätig in der Festung, während draußen die Mamluken die Spuren der Stadt beseitigten, und sie alle hier in der Festung wussten: Akkon war verloren, die letzte Bastion der Kreuzfahrer war gefallen.

Man kann den Untergang nur noch länger herausszögern dachte Robert, während er auf die Straßen der Stadt hinabblickte.

„Wir werden die Burg nicht mehr lange halten können", murmelte Thibaud neben ihm, und sprach das aus, was Robert gerade noch gedacht hatte. „Die Vorräte werden langsam knapp. Wenn wir Glück haben, überleben wir noch eine Woche"

„Wir sollten verhandeln, Herr"

„Verhandeln? Die Mamluken werden uns umbringen, sobald wir auch nur die kleine Pforte öffnen!"

„Ich habe gehört, dass Chalil ein Ehrenmann sein soll, Herr. Wenn wir Glück haben, erreichen wir freien Abzug aus der Stadt!"

„Nicht wenn es um uns Christen geht. Er hasst uns bis in den Tod", widersprach Thibaud, „Wir werden keinen freien Abzug bekommen, Robert. In weniger als einer Woche werden wir unserem Herrn gegenüberstehen mein Freund".

Dann wandte Thibaud sich ab und verließ zusammen mit den beiden Rittern, die ihn begleitet hatten, den Turm.

Robert stützte sich auf die Felsmauern und winkte seinem Knappen Elias, der sich bis jetzt im Hintergrund gehalten hatte.

Elias war ein guter Junge, seit fast drei Jahren war nun Roberts Knappe. Soweit Robert wusste, war er ein einfacher Bauernjunge aus dem Gebiet um Kempten im Heiligen Römischen Reich. Als Robert ihn vor drei Jahren auf seiner Reise ins heilige Land aufgenommen hatte, hatte er den Junge von der Straße geholt. Damals war er kaum alt genug gewesen, um ihm als Knappe zu dienen, doch er hatte sich schließlich bewährt. Elias hatte sich als sehr zäh erwiesen, als sie auf dem Weg nach Byzanz durch die trockenen Hügel Mazedoniens gezogen waren, und als sie von Antiochia durch die Wüste nach Akkon gewandert waren, hatte Elias sich als treuer Helfer herausgestellt, der den Anforderungen als Templer gerecht werden würde. Robert war stolz, einen Knappen wie Elias zu haben.

„Ja Herr", fragte Elias.

„Wir müssen alles daran setzen, um Verhandlungen durchzusetztn. Das ist der einzige Ausweg aus dieser Zwickmühle", brummte Robert.

„Wie wollt ihr das anstellen, Herr? Ihr habt Thibaud gehört".

„Ja, das habe ich. Aber ich werde mich im Notfall auch den Befehlen von Thibaud widersetzten müssen. Er wird mir später danken, wenn wir unsere Heimat wiedersehen".

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