Reinald von Teck

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„Was soll das heißen, sie ist davongerannt?", schrie der aufgebrachte Ritter.

„Nun, sie hat sich ein Pferd aus den Ställen geschnappt und ist über die Zugbrücke davongallopiert", erklärte Matthias sachlich. Es waren nun schon einige Tage vergangen, seit Johanna aus der Festung geflohen war und Matthias hatte seiner Tochter verziehen. Es hatte ihn geschmerzt, dass sie sich im Streit getrennt hatten.

Doch sein Gegenüber, Reinald von Teck hingegen tobte vor Wut. Der Ritter war erst vor wenigen Minuten mit einem kleinen Trupp auf der Burg eingetroffen, um seine zukünftige Braut zu sehen. Es wäre das erste Mal gewesen, dass sich die beiden gesehen hätten, und nun traf er nur einen etwas peinlich berührten Brautvater an, der ihm sagte, dass seine Tochter geflohen wäre.

Matthias musste zugeben, von Teck war nicht der schönste und klügste Mann, und dennoch war er eine gute Partie für Johanna, denn immerhin hatte Teck gute Beziehungen zum Geschlecht der Habsburger, die über große Teile des heiligen römischen Reiches herrschten und auch den Kaiser stellten. Diese Heirat würde ihm neue, bessere Beziehungen verschaffen, die in Kriegszeiten nie schlecht waren.

„Wie konntet ihr denn so etwas zulassen?", brüllte der andere Ritter, der wie ein wilder Löwe in seinen Käfig im Rittersaal Falkensteins auf und ab ging.

„Johanna überraschte uns alle mit dieser Reaktion. Sie war schon aus der Festung geritten, bevor wir reagieren konnten", antwortete Matthias und fuhr sich durch die dunklen Haare, die an den Seiten schon leicht ergraut waren.

„Macht das wieder gut, Matthias. Sonst könnt ihr euch einen anderen Bräutigam für eure widerspenstige Tochter suchen", brummte Reinald und tat einen drohenden Schritt auf den erfahrenen Burgherren zu.

„Natürlich", nickte Matthias, „einige Männer sind schon auf der Suche nach ihr".

Er konnte genau sehen, wie sich Reinalds Züge etwas entspannten. „Gut", nickte der Ritter und verließ den Raum.

Erst jetzt fiel die Anspannung von Matthias ab, die er vor dem anderen Ritter jedoch gut verbergen konnte. Reinald hatte schlimmer reagiert, als er erwartet hatte. Als sie sich zum letzten Mal getroffen hatten, hatte Reinald auf ihn einen eher ruhigeren Eindruck gemacht.

Mit einem lauten Seufzen verließ auch Matthias den Rittersaal und trat durch die kleine Seitentür hinaus auf den inneren Wehrgang. Er nickte Rolf, dem Hauptmann der Burgwache zu, der drüben auf dem Falkenturm, dem Turm der Wache, in das weitläufige Tal blickte.

Rolf war ein erfahrener Kämpfer, und schon lange Hauptmann der Burgwache. Soweit Matthias wusste, hatte er früher als Fußsoldat in der Armee vom damaligen Kaiser Richard von Cornwall gedient. Aus dieser Zeit stammte auch die lange Narbe, die sich über Rolfs ganzen rechten Arm erstreckte.

Aus dem Innenhof hörte Matthias plötzlich Geschrei, das von niemand geringerem als Reinald stammte, der unten einige seiner Männer anschrie. Matthias konnte nicht hören, um was es ging, doch dieser Ritter missfiel ihm immer mehr. Wollte er wirklich seine Tochter mit diesem Mann verheiraten? Er wusste es nicht mehr.

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