Der Palast

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Johanna wachte beim Schrei des Hahns auf. Verschlafen setzte sie sich in ihrem Lager auf. Marthe und Geralt, ihr Mann, waren schon aufgestanden, genauso wie der kleine Gabriel, die alle gemeinsam mit ihr in dem in der Ecke des Raums geschlafen hatten.

„Guten Morgen!", grüßte Marthe fröhlich, die gerade wieder in die Hütte kam und einen Holzeimer mit Milch in den Händen trug. „Habt ihr gut geschlafen?"

„Ja", antwortete Johanna lächelnd. Es war zwar kein Vergleich zu dem Bett, das sie auf der Burg ihr Eigen nannte, aber trotzdem hatte sie gut geschlafen.

„Habt ihr Hunger, Johanna? Ich kann euch zwar nicht viel anbieten, doch es reicht, um satt zu werden", fragte Marthe, als Johanna noch etwas verschlafen zu ihr an die Kochstelle kam.

„Das ist egal, ich brauche auch nicht viel zu essen", antwortete Johanna.

Marthe nickte lächelnd, während sie etwas von der Milch in einen Holzbecher schüttete und ihn an Johanna weiterreichte. „Frische Ziegenmilch", erklärte sie und gab Johanna noch etwas Brot zu der Milch. Diese bedankte sich und machte sich hungrig über das einfache Frühstück her.

„Ist Geralt schon wieder weg?", wollte Johanna noch kauend wissen.

„Ja, er ist schon früh los", nickte Marthe. „Sie müssen heute noch ein gutes Stück weiter in den Wald, deshalb sind sie früher aufgebrochen", erzählte sie, „Und ihr? Reitet ihr auch weiter?"

„Ja, wenn ich schnell bin, erreiche ich heute Mittag Königsstadt", meinte Johanna.

„Ich werde euch aber trotzdem noch etwas Proviant mitgeben. Mit leerem Magen reist sich nicht gut", lächelte Marthe. Noch bevor Johanna protestieren konnte, brach sie etwas Brot von dem Laib ab, von dem sie Johanna auch ein Stück zum Frühstück gegeben hatte, und wickelte es in ein Stück Leinen ein. „Dort neben der Tür hängt auch ein gefüllter Wasserschlauch, den könnt ihr auch mitnehmen", sagte Marthe und deutete auf eine braune Lederhülle, die an einem Haken direkt neben der Tür hing.

„Ich weiß nicht, wie ich euch dafür danken soll", antwortete Johanna.

„Gar nicht, das ist doch selbstverständlich", grinste Marthe großzügig.

Wenige Minuten später trat Johanna in Begleitung von Marthe nach draußen. Es war ein schöner Tag. Über dem Wald im Osten war die Sonne noch nicht sehr hoch gestiegen, doch das Dorf war schon geschäftig. Einige Kinder, unter anderem auch Gabriel rannten zwischen den Häusern und Zäunen umher und mehrere Frauen gingen zwischen den Häusern umher.

Zusammen gingen sie zu dem kleinen Stall hinüber, wo Johannas Pferd untergebracht war, das Johanna schnell losmachte und nach draußen führte.

„Kannst du kurz halten?", fragte Johanna ihre Wirtin und hielt ihr die Zügel hin. Marthe nickte kurz entschlossen und Johanna konnte den Proviant am Sattel des Rappen befestigen. Als sie fertig war, wandte sie sich wieder Marthe zu.

„Vielen Dank. Für alles", bedankte sich Johanna.

„Keine Ursache", winkte Marthe ab und rief nach Gabriel, der nur einen Augenblick später angerannt kam. „Verabschiedest du dich auch noch von Prinzessin Johanna?", fragte Marthe ihren Sohn, worauf dieser nickte.

Gabriel kam schnellen Schrittes auf Johanna zu und umarmte sie, sofern das mit seinen kurzen Ärmchen möglich war, und meinte: „Wiedersehen Pinsessin ohanna".

„Auf Wiedersehen kleiner Mann", lächelte Johanna und strich dem Jungen über seine blonden Locken.

Als sich Gabriel aus der Umarmung löste, ging Johanna noch zu Marthe und umarmte diese. „Wiedersehen Marthe", flüsterte sie leise.

„Auf Wiedersehen", antwortete die Frau, „Vergesst uns nicht, Johanna. Ihr seid immer Willkommen in unserem Haus".

„Das höre ich gern. Wenn ich das nächste Mal hier bin, dann besuche ich euch", nickte Johanna und saß auf. Sie winkte nocheinmal, bevor sie ihr Pferd langsam antraben ließ und aus dem Dorf ritt. Es war noch ein weiter Weg bis Königsstadt.

-

Die Sonne ging schon unter, als die Türme der Königsstadt in Sicht kamen. Es war schon etwas her, seit sie zum letzten Mal diese Mauern gesehen hatte, die fast so massiv waren, wie die von Falkenstein. Von den Häusern und Schornsteinen hinter der Mauer konnte sie schon von weiten schmale Rauchfahnen erkennen, die aufstiegen. Über allem jedoch thronte der Palast von König Heinrich, der inmitten der Stadt auf einem Hügel erbaut war.

Johanna trieb ihr Pferd zur Eile an, denn wenn die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war, dann wurden die Tore der Stadt geschlossen und erst am nächsten Morgen wieder geöffnet. Und sie hatte wenig Lust, vor der Stadt zu übernachten.

Zu ihrer Freude erreichte sie das große Südtor gerade noch rechtzeitig. Die Wachsoldaten waren gerade dabei, das Tor zu schließen und so war sie die letzte, die durch das Tor ritt, während sie von den Männern überrascht beäugt wurde. Sie hatten vermutlich nicht damit gerechnet, dass die Prinzessin allein in die Stadt wollte, doch sie trauten sich wohl auch nicht, zu fragen warum Johanna gekommen war, und so beließen sie es bei irritierten Blicken.

Wenig später erreichte Johanna das Tor zum Palast. Sie saß ab und ging die letzten Meter zu Fuß. Als sie gegen das Holz klopfte, dauerte es nicht lange, bis sich etwas rührte, und eine Luke wurde geöffnet, durch die sie von zwei wachsamen alten Augen angestarrt wurde.

„Johanna? Seid ihr es?", fragte eine ihr bekannte Stimme.

„Ja Mathis, ich bins", antwortete sie, und die kleine Botenpforte des Tores öffnete sich einen Augenblick später. Dahinter kam der alte Wachmann zum Vorschein, der schon seit Johanna denken konnte, das Kommando über die Palastwachen innehatte und mit dem sie schon als kleines Mädchen durch den Hof des Palastes getollt war.

„Wir hatten euch nicht erwartet, Johanna", lächelte er.

„Ich hatte auch keinen Boten geschickt, hierher zu kommen war eine spontane Entscheidung", erklärte sie und umarmte den Alten Soldaten.

„Ist euch das Leben auf der Burg zu langweilig geworden?", fragte Mathis mit einem Zwinkern.

„Auch. Doch eigentlich ist der Grund meines Besuches ein anderer. Vater will mich mit so einem dahergelaufenen Scheusal verheiraten", erzählte Johanna.

„Und dann dachtet ihr, dass ihr hierher kommt?"

„Ja, Salome wurde immerhin auch noch nicht verheiratet und sie ist schon um einiges älter als ich".

„Nun, wo ihr Recht habt, da habt ihr Recht", antwortete Mathis grinsend, „Aber kommt, ich bringe euch zu eurem Großvater".

Johanna nickte und folgte Mathis über den Hof des Palastes, der die zielsicher die schmale Treppe ansteuerte, die zum Rittersaal des Palastes hinaufführte. Auf dem Weg dorthin winkte Mathis einem anderen, jungen Wachmann, der die Schicht am Tor für ihn übernhemen sollte.

„Seit wann schiebt ihr eigentlich wieder selbst die Torwache?", fragte Johanna neugierig, als sie die Stufen hinauf stiegen.

„Ach, du weißt doch, dass ich als Hauptmann nicht einfach nur herumsitzen und andere herumkommandieren kann, und als Andreas sich vor einigen Wochen den Arm brach, sprang ich eben bei seinen Schichten ein. Auch am Tor", erklärte Mathis und hielt ihr die Tür auf, die zu einem Kreuzgang führte, von dem man in den Hof blicken konnte.

Johanna schmunzelte. Der Alte Mann hatte Recht. Seit sie ihn kannte, schob er selbst Wachdienst, mit all den anderen. Das war mit einer der Gründe warum ihr Großvater ihm den Posten als Hauptmann schon so lange anvertraut hatte. Weil er sich nicht über die anderen Männer stellte, sondern als einer von ihnen den Dienst verrichtete.

„So da wären wir, Kleine", lächelte Mathis und hielt vor der großen Eichentür, die zum Rittersaal führte. Langsam öffnete er die schwere Tür und Johanna trat in den Rittersaal.

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