Der Auftrag

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Langsam kam Elias wieder zu sich. Um ihn herum waren die Kampfgeräusche verklungen, allerdings konnte er noch die Stimmen der Mamluken hören.

Er blinzelte. Als er sich umschaute, bemerkte er, dass Robert nur einige Zentimeter von ihm entfernt lag. Der Templer hatte eine Platzwunde in der Magengegend und einen tiefen Schnitt am Hals, aus dem das Blut hervorquoll. Elias erschrak bei dem Anblick seines Herrn, und entdeckte entsetzt, dass sich seine Brust noch bewegte.

Robert lebte noch! Vorsichtig kroch er zu Robert hinüber und betete, dass keiner der Mamluken ihn bermerkte.

„Robert", flüsterte er leise. Der große Templer öffnete die Augen und starrte ihn an. „E-Elias! Du lebst", stellte er schwach fest.

„Ja, Herr. Mehr oder weniger".

„I-ich sah dich fallen ... u-und nun w-werde ich dir zu ... G-gott vorrausgehen"

„Nein Robert, bleibt bei mir!", widersprach Elias, doch Robert schüttelte leicht seinen Kopf und hustete Blut. Irgendwo schrie ein Soldat etwas auf Arabisch.

„Zu v-viel Blut ... ver-loren...", sagte Robert und Elias konnte merkte förmlich, wie ihn die Kräfte verließen. „Schaffe ... es n-nicht", fuhr Robert fort.

„Doch, ihr schafft das. Bleibt bei mir!"

Robert schüttelte erneut den Kopf. „B-bitte ... hör mir z-zu". Er hustete wieder Blut. „Du ... musst es i-in Sicherheit b-bringen. E-es würde ... alles verändern...". Ein weiterer Schwall Blut ergoss sich aus Roberts Mund. „F-Falkenstein ... Ottmark ... B-bring es d-dort hin".

„Was Herr? Was soll ich nach Falkenstein bringen?"

Robert drückte Elias einen kleinen Schlüssel in die Hand. „H-olz ... kiste ... m-mein Zimmer ... E-eisenburg", murmelte Robert mit Blut im Mund.

„Aber die Festung ist eingekesselt!", gab Elias zu bedenken.

„G-geh in ... Kapelle... T-tunnel zum ... Meer", hauchte Robert.

Elias nickte. „Ich verspreche es. Ich bringe die Kiste nach Falkenstein, Gott helfe mir", schwor Elias und drückte die Hand des Templers.

Plötzlich entspannte sich Roberts Hand und seine Augen brachen. Er war nun beim Herrn.

„Ruhe in Frieden, mein Freund", flüsterte Elias mit Tränen in den Augen, „Ich werde dich nie vergessen, Robert".

Er ballte die Faust um den Schlüssel und blickte sich wieder um. Irgendwie musste er die Eisenburg erreichen. Nur wie? Hier auf der Straße, von den Leichen seiner Ordensbrüder umgeben und noch mindestens zweihundert Meter von den rettenden Mauern der Eisenburg entfernt standen seine Chancen nicht besonders gut, lebend in die Festung zurückzukehren.

Gott, wenn es dein Wille ist, hilf mir mein Versprechen einzulösen, hilf mir hier heraus! Betete Elias im stillen.

Auf einmal fielen ihm einige Soldaten der Mamluken auf, die zwischen den Leichen hin und her gingen. Sie traten gegen die Körper der Toten um zu prüfen, ob sie auch wirklich tot waren.

„Der hier lebt noch", schrie plötzlich einer in Arabisch, was Elias trotz seinen begrenzten Kenntnisse des Arabischen verstand. Vorsichtig wandte er den Kopf und sah, dass die vier Männer einige Meter von ihm entfernt, bei Jean-Luc, einem jungen Ordensbruder, der vor weniger als einem Jahr zum Ritter geschlagen worden war.

„B-bitte...", stotterte Jean-Luc leise, an seiner Stimme konnte Elias hören, dass auch er dem Tod nahe war.

„Ich sollte dich weiter leiden lassen", sagte einer der Soldaten hasserfüllt, „Doch Allah ist gnädig. Also will ich dir gegenüber auch gnädig sein". Der Mann hob sein Krummschwert und rammte es dem jungen Templer ins Herz. Nach einem kurzen Zucken war es vorüber und der Mann zog seine Klinge aus dem toten Körper des jungen Ritters.

Oh Gott, ich bitte dich von ganzem Herzen! Rette mich, rette mein Leben! Ich will noch nicht sterben! Betete Elias voller Verzweiflung, während die Männer weiter durch die Leichen streiften. Plötzlich wurde er von einer unbeschreiblichen Ruhe erfüllt, die er so noch nie gespürt hatte. Herr, mein Leben ist nun in deiner Hand. Rette mich, oder lass mich sterben, egal wie dein Plan aussieht, ich will dir dienen fuhr Elias mit seinem Gebet fort.

„Der hier lebt auch noch", hörte er plötzlich die tiefe Stimme eines Arabers und im selben Moment trat ihm jemand in die Seite, sodass er auf den Rücken rollte. Er blinzelte, denn das helle Licht der hochstehenden Sonne blendete ihn. Dann erkannte er die Männer. Sie hatten die Rüstung der Mamlukischen Soldaten an, und trugen schwarze Bärte. Der, der ihn entdeckt hatte, überragte die anderen um einen halben Kopf und hatte eine tiefe Narbe über dem rechten Auge.

„Töte ihn Kazim!", forderte ein anderer den Hühnen auf.

„Warte", rief Elias in schlechtem Arabisch und hob seine Hand.

Der Mann zögerte überrascht. „Was willst du Heide?", fragte der Hühne mit seiner tiefen Stimme.

„Wenn ich nun von dieser Erde scheiden muss, und Gott begegnen, dann will ich es ehrenvoll tun", erklärte Elias und kniete sich vor den Mann. Er wusste nicht warum, aber er hatte keine Angst. Eine tiefe Ruhe erfüllte ihn. Ein letztes Mal hob Elias den Kopf und schaute dem Araber in die Augen. „Gott beschütze dich mein Freund. Aleikum Sallam", sagte Elias und senkte den Kopf, wartend auf den letzten Schwertstreich seines Gegenübers.

„Halt", rief plötzlich eine Stimme. Verwundert schaute Elias auf und erkannte Chalil in seiner goldenen Rüstung. Der Hühne senkte seinen Schwertarm und steckte die Klinge zurück in die Scheide.

„Ihr seid sehr mutig, junger Recke. Nicht einmal im Angesicht des Todes zeigt ihr Furcht, sondern haltet euch noch immer an die Gesetze eures Glaubens. Wirklich beeindruckend", meinte Chalil und schaute Elias mit durchdringendem Blick an. „Ihr müsst wissen, junger Ritter, dass ich, Al-Malik al-Ashraf Salah ad-Din Chalil, Sultan von Ägypten, ein großzügiger Mann bin. Ich möchte dir die Freiheit schenken", fuhr Chalil fort.

Elias blickte ihn verwundert an. Meinte er das ernst?

„Geh, ich gebe dir mein Wort, dass du sicher die Festung erreichen wirst. Doch sei dir bewusst, dass ihr alle sterben werdet, wenn ihr nicht kapituliert", forderte Chalil ihn auf und deutete in Richtung der Festung.

Vorsichtig stand Elias auf und blickte dem Sultan dankbar in die Augen. „Ich danke euch, Herr. Friede sei mit euch", sagte Elias und verneigte sich leicht.

„Und Aleikum Salam", antwortete Chalil.

Voller Freude wandte sich Elias zur Festung um, die sich dort in einigen Metern Entfernung auf dem Felsen erhob. So schnell er konnte rannte er die Straße hinauf und dankte Gott im Stillen für die Rettung. Ja, er würde sein Versprechen erfüllen. Er würde nach Falkenstein reisen.


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