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Mia

Mittwoch:

Ich wachte auf und war sofort total wach. Also entweder war ich der krasseste Morgenmensch der Welt, oder es lag daran, dass ich gestern Abend so früh ins Bett gegangen war. Gestern hatte ich mir nachmittags noch die obersten Stockwerke angesehen und war fasziniert. Dieses Haus war wundervoll. Zwar hatten wir angesichts der Größe unseres Hauses relativ wenige Räume, aber das lag nur daran, dass jedes Zimmer an sich schon enorm groß war.

Heute war Mittwoch, das hieß, dass ich heute wieder zur Schule gehen würde. Mir war es auf einmal nicht mehr so unangenehm mich dort blicken zu lassen und ich kam langsam mit dem Gedanken klar, dass diese Leute alle anders als ich waren, oder dass ich anders als diese Leute war. Trotzdem würde mir der Platz an einer gewissen anderen Schule besser gefallen. Ich nahm mir daher fest vor, dieses Thema beim Abendessen aufzugreifen. Was sollte denn auch Schlimmes passieren? Dad hatte schließlich selbst gesagt, dass sie nur wollten, dass ich glücklich war, und sie deshalb alles akzeptieren würden. Okay vielleicht nicht alles, aber mein Wunsch war doch gewissermaßen nachvollziehbar,  oder?

Ich beschloss aus meinem unheimlich bequemen Bett zu kriechen und nachzusehen, ob Jacks schon wach war. Ich schnallte mir meine Schiene ums Bein, schnappte mir meine Krücken und ging zu Jacks. Tatsächlich schlummerte er noch tief und fest. Er lag nur in Boxershorts bekleidet auf seinem Bett. Seine Decke lag auf dem Boden. Mann..Dieser Typ sah schon echt verdammt gut aus. Okay nein. Das sollte ich nicht denken. Er ist mein Bruder. So etwas denkt man nicht über seinen Bruder!

Ich sollte denken, dass es nicht gut für ihn war nur in Boxershorts zu schlafen. Seine Nieren würden auf Dauer schrecklich darunter leiden. Ja genau das sollte ich denken!
Ich kam noch näher zu ihm und setzte mich auf seine Bettkante. Dann beugte ich mich zu seinem Ohr. „Jacks. Du musst aufstehen." Er brummte irgend etwas in sein Kissen und drehte sich auf den Rücken. „Jacks." wiederholte ich, aber jetzt wesentlich lauter als beim ersten Versuch. Er zeigte keine Reaktion. Ich pikste ihm auf seinen muskulösen Bauch, der definitiv (nicht) ober-hammer-megamäßig sexy war. „Ich weiß, dass du mich hören kannst." Er seufzte und als ich gerade dachte er würde aufstehen, schlang er einen Arm um mich und drehte uns so, dass ich jetzt halb unter ihm in seinen Armen gefangen war. Mein Gesicht war an seine warme, nackte Brust gedrückt. Er roch so gut.. Nein. Stopp Miranda! Hör auf an deinem Bruder zu schnuppern! „Ich werde nie wieder versuchen dich zu wecken.." nuschelte ich leicht genervt und augenverdrehend an/in seine Brust. Wenn er mich nicht gleich loslassen würde, würde ich wieder einschlafen. Da war ich mir sicher. „Bitte, Jacks. Wir kommen sonst zu spät."

Anscheinend war er irgendwann so von meinem Quengeln genervt, dass er sich aufsetzte und in sein Badezimmer schlenderte.

Ich lief zurück in mein Zimmer und zog mir schnell meine Schuluniform an. Sie war viel zu weit. Zwar sah sie schon recht klein aus, aber ich hatte so extrem abgenommen, dass ich jetzt fast zweimal reingepasst hätte. Um meinen Rock nicht zu verlieren, verengte ich ihn mit Sicherheitsnadeln. Am Montag hatte ich zu spät gemerkt, dass er mir die Hüfte hinunter rutschte, dass ich ihn mir einfach in den Bund meiner Unterhose stecken musste. Meine Bluse war etwas weiter und stand ein ganzes Stück von meinem Körper ab, aber das war nicht all zu schlimm. Ich wollte gerade die Treppen hinunter, als mein Dad hinter mir auftauchte. Er sah total verschlafen aus mit seinem verstrubbeltem Haar und dem zerknitterten Schlafanzug. „Morgen" nuschelte er und gähnte. „Guten Morgen." gab ich lächelnd zurück. Ohne mich vorzuwarnen hob er mich hoch und trug mich die Treppen runter. Ich bedankte mich bei ihm und schüttelte über diese komische Situation nur den Kopf. Sie wäre bestimmt nicht so komisch gewesen, wenn ich meinen Dad kennen würde. Dann wäre es wahrscheinlich total süß von ohm gewesen... Egal, Ich hätte es auch ohne Hilfe die Treppe hinunter geschafft.

Ich trank einen Tee mit Milch, zog mir weiße, abgenutzte Chucks an, (Jacks meinte, dass ich sie früher geliebt hätte und sie immer getragen hatte. Sie gefielen mir und waren so sehr eingelaufen, dass sie das bequemste Paar Schuhe waren, das ich besaß) und ging mit Jacks zu seinem Auto. „Wenn es deinem Bein wieder besser geht und du wieder ein paar Muckis aufgebaut hast können wir mit meinem Motorrad zur Schule fahren. Ich glaube es würde dir gefallen." Ich nickte. Ich würde nur zu gerne wissen, wie es sich anfühlte auf einem Motorrad herumzubrausen und die warme Luft im Gesicht zu spüren.

Wir kamen recht spät in die Schule, weshalb ich gleich zu meinem Schließfach wollte, um rechtzeitig in den Unterricht zu kommen. „Soll ich dich begleiten?", fragte mich Jacks besorgt. Ich schüttelte den Kopf „Nein, das brauchst du nicht. Ich komme schon alleine zurecht." versicherte ich ihm. Er rang mit sich, ob er nicht doch mit gehen sollte, das konnte ich ihm ansehen. Letztendlich entschied er sich aber doch dagegen, er konnte mir ja nicht jede einzelne Sekunde an der Backe kleben.

Ich packte gerade ein Buch und ein paar Hefte in meinen Rucksack. Okay, Ich manövierte eher komisch herum: Erst lehnte ich meine Krücken gegen die Wand damit ich die Hände frei hatte. Dann musste ich versuchen das Gleichgewicht zu halten, während ich meinen Rucksack aufmachte und die Hefte hinein steckte. Plötzlich wurde mir ganz komisch und meine Beine drohten zusammen zuklappen und ich mit ihnen. Gerade als ich mich abstützen wollte, um einen möglichen Sturz zu vermeiden, packte mich jemand von hinten ander Taille. Ich schrie erschrocken auf. „Sorry, ich wollt' dich nicht erschrecken, ich hatte nur Angst, dass du gleich fällst, sowie du auf dem einen Bein schwankst." Ich drehte mich zu dem Jungen um und sah das schelmische Grinsen in seinem Gesicht. Was fand er so lustig? Kannte er mich? Oder viel wichtiger: Hatte ich ihn gekannt?

Ohne, dass ich ihn aufforderte nahm er mir meinen Rucksack ab, steckte die restlichen Hefte, die ich davor in der Hand hielt, hinein und drückte mir wieder meine Krücken in die Hand. Sah ich sohilflos aus, dass mir jeder unaufgefordert half? Ich schloss meinen Spind und drehte mich wieder zu ihm. „Danke für die Hilfe." Ich lächelte ihn dankbar, wahrscheinlich etwas hilflos, an und streckte meine Hand nach meinem Rucksack aus, doch er wollte ihn mir nicht geben. „Ich begleite dich." Okay. Ähm..Dankeschön? Wir liefen stumm nebeneinander her. Vor meinem Klassenzimmer blieben wir stehen. Er überreichte mir meinen Rucksack und half mir sogar ihn zu schultern, ohne dass ich meine Krücken verlor. „Dankeschön.."Ich hätte ihm gern beim Namen genannt, doch den kannte ich nicht. „Immer wieder gerne Miranda." Er zwinkert mir noch einmal zu, bevor er sich umdrehte und weiter lief. Der Junge kannte meinen Namen? Er kannte mich? Wusste er, dass ich vergessen hatte, wer er war? Diese und noch so viele andere Fragen schossen die ganze erste Stunde und den Großteil der zweiten durch meinen Kopf.

Uuund was meint ihr wer der unbekannte Junge ist?

Mein Bruder und IchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt