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Lächelnd sah Ryo in die kleine Box, woraufhin ihm ein weißes Kätzchen entgegenmiaute. Noch immer lächelnd hob er es mit einer Hand hoch, um es näher an sein Gesicht zu bringen, woraufhin das kleine Tier ihm die Nase ableckte.
Er kicherte und blieb in der Hocke, während er das Kätzchen an seiner Jacke hochklettern ließ. Das Tier war komplett durchnässt und schien die Wärme des Schülers zu genießen.
Sobald er lächelnd das Kätzchen beobachtet hatte sah er wieder zu der Box und las den Spruch den man in Filmen oft zu lesen bekam. "Kätzchen zu verschenken"
Langsam stand er auf und hielt dabei das Tier auf seiner Schulter fest, dann begann er wieder zu laufen.
"Na, Kleines? Magst du mich?", murmelte er fast schon zu sich selbst, dann jedoch setzte er das Tier wieder auf dem Boden ab.
Zu seiner Überraschung folgte ihm das kleine Ding sogar, sodass er es bis zu seiner Wohnung so sehr ins Herz geschlossen hatte, dass er sich kurzerhand dazu entschied, das Kätzchen zu behalten. Ein wenug Gesellschaft war doch etwas gutes, nicht?

Sobald das Tierchen ihm vorsichtig in die Wohnung gefolgt war, bemerkte Ryo die erste Hürde. Was genau durfte man einer Katze geben?
Natürlich klärten sich die meisten Fragen direkt durchs Internet, aber dann gab es immer noch jene, die er mit anderen besprechen müsste.
Waren Tiere überhaupt in seiner Wohnung erlaubt? War sein Vater vielleicht dagegen? Musste er mit der Kleinen zum Tierarzt?
Seufzend sah er das kleine Tier zu seinen Füßen an, welches ihn fast schon erwartungsvoll ansah.
"Hungrig? Ich müsste noch Thunfisch haben, ich denke, dass darfst du essen...", murmelte er und zog die nasse Jacke aus, um sie dann aufzuhängen. Dann sah er einmal mehr zu dem Tierchen und überlegte kurz, bevor er aus dem Badezimmer ein Handtuch holte und die Katze trocken rubbelte.
"Ich glaub ich nenn dich... Hm, Baku?" Er grinste zu sich selbst. "Du siehst mir ja immerhin ähnlich... Wie wär's mit Luna?"
Das Tier sah ihn unverständlich an, woraufhin er kurz seinen Kopf schüttelte. "Nein, lieber nicht... Aki? Emi?"
Er lief in die Küche und holte die Dose mit dem Fisch aus einem der Schränke, während er noch immer vor sich hin redete. "Wie wäre es mit Hikari? Ja, das klingt schön. Willkommen daheim, Hikari."
Er lächelte zu seiner neuen Mitbewohnerin und legte ihr dann den Fisch auf einem Teller, damit sie sich nicht an den Kanten der Dose schneiden konnte.

"Geht's dir gut?", fragte Malik verschlafen, als er nach endlosen Anrufen endlich ans Handy ging.
"Es ist ungefähr sechs am Abend und du schläfst?", erwiderte Bakura mit sarkastischem Unterton.
"Sei ruhig. Der Tag war stressig."
Bakura ging nicht weiter darauf ein, während er auf weitere Worte seitens Malik wartete.
"Noch da, Fluffy?", murmelte der Blonde in das kleine Gerät, was Bakura wiederum als Zeichen zum Sprechen sah.
"Ja. Hast du Zeit?"
Kurz war Stille, bis Malik leise kicherte. "Hab grad vergessen das du nicht siehst, wenn ich nicke."
"Okay. Ich muss mit dir reden."
"Dachte ich mir."
Wieder kurze Stille, diesmal brach Bakura sie. "Lange halt ich das nicht aus."
"Was genau? Verdammt, Fluffy, ich bin kein Gedankenleser!"
"Schule. Arbeiten. Akefia. MARIKU."
Der Blonde kicherte ein wenig. "Oh, du musst mit ihm zurechtkommen? Richte meinem Lieblingsbruder Grüße aus."
"Lieblings?"
"Sarkasmus, Fluffy, Sarkasmus."
"Nenn mich nicht Fluffy!"
Augenblicklich brach Malik in Gelächter aus, was von Rascheln untermalt wurde. Scheinbar hatte er sich im Bett aufgesetzt.
"Du arbeitest, Kura? Wusste ich gar nicht."
"Nicht mal Akefia weiß das, aber wie zur Hölle soll ich sonst die Schulkosten zahlen? Kefi kriegt schon einen halben Anfall wenn er für mich einkaufen muss." Er seufzte, bevor er etwas leiser weitersprach. "Die Abmachung beinhaltet halt Schule, aber ich kriege keinen Job außerhalb der Schulzeiten."
"Bakura Touzoku kümmert sich um seine Anwesenheit in der Schule? Das ich das noch erlebe!"
"Akefia schmeisst mich raus wenn ich zu oft fehle."
Fast schon konnte man Maliks theatralisches Schulterzucken hören, trotz der mehreren tausend Kilometer Entfernung.
"Du, Kura?"
"Ja?"
"Ich komm demnächst mal nach Japan. Mariku meinte, er kann mir einen Job besorgen wenn ich meinen Abschluss habe und du weißt ja, wie sehr ich es hier hasse..."
Unbewusst schlich sich ein Lächeln auf Bakuras Gesicht, als er daran dachte, Malik wieder bei sich zu haben. Vielleicht brauchte er ja doch diesen einen Menschen?
Im nächsten Moment verdrängte er den Gedanken und gratulierte dem Blonden, dann wurde das Thema erneut gewechselt.
"Eigentlich wäre ich ja gar nicht aufgeflogen heute, wäre da nicht diese nervige Klette...", murrte Bakura, gefolgt von einem müden Seufzen.
"Klette? Hat Kura etwa eine Verehrerin?" Und wieder einmal wusste der Weißhaarige genau, welchen Gesichtsausdruck der 18-jährige aufgesetzt hatte. Ein Grinsen mit hochgezogener Augenbraue.
"Halt dein Maul, immerhin hab ich welche!" Ein scherzender Unterton schwang mit, den außer Malik wohl niemand verstanden hätte.
"Ach, Kura, ich hab genug Verehrer, erst gestern war ich auf einem Date-"
"Ist das gerade dein Coming Out? Ich wusste ja schon immer, dass du schwul bist, mein Lieber."
"Hä? Kura, vergessen das ich Bi bin?" Aus der Stimme des Blonden konnte man neben Verwirrung auch etwas heraushören, was nach Schmerz klang. Sonst verstand Malik jeden Scherz, doch diesmal schien er es tatsächlich... Ernst zu nehmen?
Die Sache mit Malik war, dass er einige Charakterzüge seines Bruders teilte. Einer dieser Züge war nunmal, dass er NIE ernst blieb, außer er war wirklich verletzt. Oder wütend.
"Klar weiß ich das, darf ich nicht mehr scherzen?"
"Oh. Du, ich muss gehen, Rishid hat Essen gemacht. Bis dann, Fluffy!"
Und bevor er sich noch irgendwie aufregen konnte ertönte der bekannte Piepton und ließ Bakura somit in Stille zurück.
Kein Geräusch in der Wohnung, da Akefia zu einem seiner Jobs gegangen war und Mariku sich irgendwo herumtrieb.
Er war allein.

Hatte er je erwähnt, dass er es hasste, allein zu sein?

Jetlag  (Arbeitstitel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt