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Genervt machte Bakura das Handy aus und setzte sich auf um seinen Gast anzusehen. Er starrte sein kleineres Ebenbild kurz an, dann stand er auch auf und packte Ryo an der Schulter.
Bakura zog den Kleineren durch die Wohnung, bis er Mariku in der Küche vorfand - zu Ryos Erstaunen leistete sich dieser einen Anstarrwettbewerb mit den Küchenschränken. Bakura schien dies weder zu erstaunen, noch beunruhigen, was den Schüler nur noch mehr verwirrte.
"Mariku... Was machst du da?" Für Ryo klang es weniger wie eine Frage, da auch weiterhin keinerlei Verwunderung in der Stimme seines Klassenkameraden lag.
"Ich komm nicht an den Schrank.", murrte der Blonde als Antwort.
"Du bist 1,87 aber kommst nicht an den Schrank?"
"Ich kann den Arm nicht bewegen und der andere ist kaputt."
Ryos Blick wanderte zum verletzten Arm des Ägypters und zuckte zusammen, als er den Verband bemerkte. Für gewöhnlich hätte er es schon zuvor bemerkt, aber er schob es auf den Schlafmangel das er dies nicht getan hatte.
"Und warum kannst du den Arm nicht bewegen?", knurrte Bakura während er sich genervt an die Schläfen fasste. Ryou hatte gar nicht bemerkt, wie er ihn losgelassen hatte.
"Weil ich mit links nicht greifen kann.", gab Mariku fast emotionslos von sich, "Schlecht ausgedrückt."
Nun war es an Ryou, zu fragen: "Warum kannst du nicht greifen?"
Der Ägypter drehte sich halb um und grinste. "Weil ich mir drei Finger verstaucht habe."
"Ich frag gar nicht erst nach... Weiß Akefia davon? Wo ist der überhaupt?" Bakura schien sich etwas abgeregt zu haben, wobei er sich den Kopf hielt.
"Der Arzt meinte schonen. Samstags arbeitet er in der Bar."

Ohne ein weiteres Wort hatte Bakura Ryo aus der Wohnung gezogen, wobei der Kleinere noch ein kurzes "Danke!" zu dem Ägypter in der Küche rief - Wobei ihm nur geantwortet wurde, wer ihm denn jetzt mit dem Schrank helfe.
Auch draußen wurde Ryo weiterhin durch die Gegend gezogen, zumindest bis Bakura bemerkte, dass er keine Jacke trug und es doch ziemlich kalt war. Ab da an ließ er Ryo von sich aus laufen und nutze seine Arme lieber, um sich selbst zu wärmen.

"Sag mal, warum arbeitet dein Bruder nur Samstags? Hab ich da irgendetwas falsch verstanden?", fragte der Kleinere nach einer Weile der Stille und erntete einen verwirrten Blick.
"Akefia arbeitet nicht nur Samstags. Donnerstag bis Sonntag arbeitet er abends in einer Bar oder so, morgends arbeitet er Montag bis Freitag in einem Supermarkt und mittags springt er öfter mal für irgendwen ein. Zumindest meinte das die Frau vom Amt."
"Ah... darf ich fragen, welches Amt?"
"Was geht dich das an?"
Der knurrende Ton ließ Ryo kurz verstummen, dann jedoch gewann die Neugier.
"Wir haben noch unser Spiel offen. Also, welches Amt?"
Ein genervtes Stöhnen folgte als sich beide endlich auf die Bank einer Bushaltestelle setzten. "Das Jugendamt, was sonst?"
Ryo nickte zufrieden und warf Bakura einen mitleidigen Blick zu. "Du bist dran."
"Was machen deine Eltern beruflich?" Inzwischen schien Bakura das Spiel zu akzeptieren.
"Mein Vater ist Archäologe. Deine?"
"Tot. Was macht deine Mutter?"
"Tot."
Stille fiel über beide und auch im Bus redeten sie kein Wort.

Die Stille hielt an bis sie in der Innenstadt vor einer Bar standen, die in Ryos Augen verlassen aussah.
Auch Bakura schien dies zu bemerken, da er sein Handy aus der Hosentasche zog und eine Nachricht eintippte. Eine Minute später wandte er sich wieder an Ryo.
"Akefia ist paar Straßen weiter, arbeitet heute im Laden."

Die Stille überfiel sie einmal mehr und Ryo folgte seinem Ebenbild Gehorsam bis zu einem etwas größeren Geschäft.
Er verstand nicht, warum Bakura ihn überhaupt dorthin gebracht hatte, nachdem er sonst jeglichen Kontakt zu meiden schien, und daher war dies was er sagte, sobald der Größere vor dem Laden halt gemacht hatte.
Bakura beäugte ihn kurz und schien ernsthaft nachzudenken. "Weil ich raus wollte."
"Achso."
Damit durchquerten sie die automatischen Türen und nach kurzem Umsehen ging Bakura auch schon zielstrebig in eine Richtung. Ryo folgte beinahe sofort und sah zuerst nicht einmal, auf was der Ältere zu hielt - für ihn sah es so aus, als würde Bakura zu einem Regal voller Kartoffeln wollen.

Es dauerte noch einige Sekunden bis auch Ryo den Weißhaarigen erkennen konnte, der ein paar Regale neben den Kartoffeln stand und irgendetwas einräumte.
Nach einem letzten tiefen Atemzug umklammerte Ryo die kleine Tüte mit beiden Händen und lächelte dann höflich, als Bakura seinen Bruder ansprach.
Der Ältere der Brüder drehte sich genervt um und musterte erst Bakura, dann Ryo. Das Lächeln Ryos erwiderte er kurz, dann wandte er sich mit genervten Ausdruck Bakura zu.
"Was willst du?"
"Der Zwerg wollte zu dir."
Sobald Bakura zu Ende gesprochen hatte legte sich die Aufmerksamkeit des Mannes wieder auf Ryo. Zwar musste er seinen Kopf leicht anheben um Ryo in die Augen zu sehen, aber dennoch war es Ryo, der sich klein fühlte.
"Ähm, ich wollte Ihnen zum Geburtstag gratulieren... Und ich, äh, wollte Ihnen das geben!" Damit streckte er Akefia die Tüte hin und beugte den Oberkörper in der Hoffnung, der Ältere verstünde es als Geste des Respekts.
Zögerlich nahm Akefia die Tüte an und sah hinein, wobei sich Ryo mit hochrotem Gesicht wieder aufrichtete. Ist es merkwürdig, ihm was zu schenken?
Auch Bakura versuchte einen Blick zu erhaschen, doch als Akefia die Versuche des Größeren bemerkte nahm er das kleine Etwas aus der Tüte.
Schnell hatte Bakura das Interesse an der kleinen Figur verloren, aber Akefia lächelte das kleine Ding an - Und das ehrliche Lächeln in seinem Gesicht ließ ihn zum ersten Mal harmlos erscheinen.
"Danke, Zwerg. Wie bist du auf die Idee gekommen?" Er hob den Kopf und sah Ryo wieder an, während er die Figur wieder verstaute. "Woher wusstest du meinen Geburtstag?"
Ein erleichtertes Lächeln zierte Ryos Gesicht als er antwortete. "Facebook. Außerdem hat Bakura erwähnt, Sie seien Ägypter und ich dachte, die Figur würde Sie gut darstellen."
"Facebook? Ich dachte ich hätte das versteckt... na ja, vielen Dank. Außerdem könntest du aufhören, mich zu siezen, Nudel."

Während die Weißhaarigen sich unterhielten saß Mariku am Küchentisch und starrte vor sich hin.
Wer nun dachte dies wäre seltsam lag im Falle Mariku falsch - Tatsächlich passierten solche Dinge beinahe regelmäßig.
Seien es nun Erinnerungen oder spontane Anstarrwettbewerbe mit der Wand, es passierte nun mal oft.
Und, zu Marikus Leid, diesmal war es eine Erinnerung.

Die Sonne knallte auf den hellen Sand und die Köpfe der Touristen und Idioten die keinen Sonnenschutz aufgezogen hatten, als sie am Morgen das Haus verließen.
Nun gut, die beste Idee war sein eigener Goldschmuck nun auch nicht, aber immerhin war Mariku dem Hitzeschlag vorerst durch das Tuch um seinen Kopf und Oberkörper entgangen.
Genervt beobachtete der 16-jährige seinen Bruder, der vor ihm im Sand spielte und immer wieder sehnsüchtige Blicke in Richtung Wasser warf, in welches Mariku ihn einfach nicht gehen ließ - Eine Unverschämtheit, wie der 11-jährige Malik fand.
Während Mariku sich gelangweilt aufrichtete um zu seinem Bruder zu gehen, vielleicht auch um bei der Sandburg zu helfen, wurde er von hinten gepackt und etwas zurückgezogen.
Die Hand mit der er den Fremden verscheuchen wollte wurde gezielt aufgefangen als sich ein Arm um seine Schulter schlich und Finger direkt darauf seine Wange berührten. Ein Grinsen schlich sich auf Marikus Lippen als er seine Hand nach oben bewegte und die Wange des Kleineren unter seiner Hand versteckte.
Etwas mehr als eine Sekunde hielt dieser Moment an, dann drehte sich Mariku aus dem Griff und grinste Akefia ins Gesicht - Nur um ihm im nächsten Moment eine reinzuhauen.
"Mach das nie wieder...", murmelte Mariku, doch bevor er weiter kam, küsste ihn Akefia einmal schnell und grinste dann.
Als der Größere seinen Satz zu Ende bringen wollte, erklang noch eine dritte Stimme im Hintergrund - Malik.
"Iiiih! Riku, ich sag Ishizu, dass du Akefia geküsst hast!" Der Junge lachte ein wenig, doch schreckte auf den Blick seines Bruders hin zurück.
Mariku wiederum tat einen Schritt in Richtung Malik, wobei dieser einen zurück machte.
"Ich." Noch ein Schritt.
"Bring." Schritt.
"Um." Ein weiterer.
"Malik." Damit fing er an, auf den Kleineren zuzurennen - was dieser jedoch nicht als Scherz verstand.
Stattdessen schrie er in echter Angst auf und drehte sich um, um dann vor Mariku davon zu sprinten. Der Ältere war lange stehen geblieben und hatte sich Akefia zu gewandt, als Akefia über seine Schulter sah und etwas zu suchen schien.
"Riku, wo ist Malik?"

Mariku schreckte aus seiner Starre und vor hoch, wobei er den Stuhl umwarf.
Fast dachte er, würde er sich jetzt umdrehen, sähe er Malik wie er langsam unterginge.
Er würde einmal mehr in höllischer Panik versuchen, ihn wieder zurück zu holen, ein Lebenszeichen zu bekommen.
Einmal mehr würde man den Jungen wegnehmen und Akefia würde ihn beruhigen müssen.
Noch einmal die Anschuldigungen, der Schmerz, die Vorwürfe...
Doch als er sich umdrehte sah er nur die Pfanne auf dem Herd, die er zuvor dorthin gestellt hatte.
Malik war sicher und er war in einer Küche; nicht am Strand.
Erschöpft ließ sich Mariku auf den Boden sinken.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 10, 2017 ⏰

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Jetlag  (Arbeitstitel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt