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*Fühlt sich noch jemand wie gegessen und wieder hochgewürgt?*

Bakura knallte die Tür hinter sich zu und blieb im Flur stehen, in Richtung Wohnzimmer gewandt. Dort lief der Fernseher, doch er erinnerte sich deutlich daran, dass Akefia arbeiten sein müsste.
Also ging er langsam ins Wohnzimmer, spähte um die Ecke und flüchtete dann sofort in sein Zimmer.
Dort, auf dem Sofa, saß ein nicht ganz unbekannter Blondschopf, der wohl die letzte Person war, die Bakura sehen wollte.
Aber da der unerwünschte Gast nicht taub war und somit die Tür gehört hatte, hatte er den Weißhaarigen schnell gefunden.

"Ach, Bakura, renn doch nicht so weg. Ist unhöflich, weißt du?"
Mariku lehnte im Türrahmen und grinste das Grinsen eines wahrhaftigen Arschloches. Oder eines Psychopathen, beides traf auf den Mann zu, wenn man ehrlich war.
Wenn man ehrlich war, war es auch kein großes Rätsel, wie er in die Wohnung gekommen war. Entweder er war eingebrochen, was Bakura ihm zutraute, oder Akefia war immer noch mit dem Kerl befreundet und hatte ihm einen Schlüssel gegeben.
"Bakura? Bist du noch da oder schon tot?", fragte der Blonde mit sarkastischen Unterton, wodurch er Bakura aus seinem Trance-artigen Zustand befreite.
"Was willst du hier?" Er starrte den Älteren vor sich an, der sich lustlos auf Bakuras Schreibtisch setzte.
"Vorbeischauen. Mein Lieblingsopfer besuchen." Ein Grinsen zog sich kurz durch sein Gesicht, bevor er wieder ernst wurde. Es war ein seltsamer Anblick, ihn ernst zu sehen, wenn man ihn ein wenig genauer kannte. "Leb übrigens für ein paar Wochen bei euch."
"WAS?!"
Bakura wäre wohl aus dem Bett gefallen, hätte er sich nicht im letzten Moment abgefangen. Er würde es nicht einmal zwei Stunden mit diesem Idioten aushalten.
"Joa, brauch eine Bleibe, mein Boss hat mich gefeuert. Schätze du musst mich aushalten, Baku-chan."
Es vergingen einige Sekunden, bis Bakura aufstand und Mariku an der Hand aus dem Zimmer zog. Dieser grinste stumm vor sich hin und ließ es über sich ergehen, bis Bakura ihn auf das Sofa schmiss und wieder in sein Zimmer verschwand, um es diesmal abzuschließen. Er würde ganz bestimmt nicht seinen Nachmittag an Mariku verschwenden.

Der Blonde im Wohnzimmer lachte und machte sich auf dem Polster breit, während er dem Jüngeren hinterhersah.
Da sah man sich fünf Jahre nicht und wurde so begrüßt!
"Ich fühle mich ja fast geehrt...", kicherte er leise, während er an seine letzte Begegnung mit Bakura dachte.
Wenn er sich recht erinnerte war Bakura damals neu in der weiterführenden Schule und er selbst war im Abschlussjahr. Erster Schultag des neuen Jahres und auch Marikus letzter Tag. Danach war er einfach nicht mehr gegangen, und sobald er 18 wurde, hatte er die Schule angebrochen.
Aber an dem Tag war Bakura genervt gewesen und lief neben ihm her, da Akefia mit Fieber daheim bleiben musste. Und da Bakura nicht wusste, wo er hin sollte, war er mit dem Kumpel seines Bruders mit.
In der Pause standen beide dann in einer Ecke des Hofes, Bakura starrte die Leute nieder und wandte sich dann an den Blonden. Das war wohl auch das einzige Mal, dass er Mariku nicht verabscheut oder gefürchtet hatte.
"Verdammt, ist es schlecht, dass ich die ganze Klasse hasse?"
"Ne. Mich hasst jeder und es ist noch immer der erste Tag."
Er lächelte leicht bei dem Gedanken, aber es hielt nicht lange. Bakura konnte ihn nicht ausstehen und Mariku war auch nicht darauf aus, mit ihm befreundet zu sein. Im Leben brauchte man seiner Meinung nach keine Freunde, aber nützlich konnten andere schon mal sein. Würde man ihn fragen, was Akefia für ihn war, würde er ihn als einen Bekannten darstellen und nicht mehr. Wie sollte man Freunde haben, wenn man nie Liebe oder Freundschaft erfahren hatte?

"Ja, hab das Geld für den Monat gekriegt. Sag mal, Dad, haben wir Verwandte in Ägypten?"
Ryo wanderte mit dem Telefon in der Hand durch die Wohnung, während er darauf wartete, dass das Wasser zu kochen anfing. Der Anruf seines Vaters war dazu auch noch eine wahrhaftige Seltenheit.
"Nein? Okay, wollte nur mal fragen. Äh, nein, hat keinen Grund. Du musst weiterarbeiten? Okay... Bis dann."
Er legte das Festnetz auf die Arbeitsfläche der Küche und tat eine Packung Nudeln ins Wasser, dann setzte er sich an den Esstisch um Hausaufgaben zu machen.
Manchmal war es sogar für ihn komisch, wie routiniert sein Tagesablauf war. Er tat jeden Tag das Gleiche, aber was konnte er schon dagegen tun? Im Leben gab es nunmal nicht viel Abwechslung.
Vielleicht war das Leben der Anderen doch etwas interessanter, wie Yugis. Er erlebte immerhin viel im Laden seines Opas und traf die verrücktesten Kunden oder erzählte die aufregendsten Sachen über seine Cousins. Ryo hingegen saß zuhause, wartete verzweifelt auf Anrufe seines Vaters und lernte. Das einzige, was ihm Spaß machen konnte, war das Lernen. Nicht wie in der Schule, in der er den ganzen Kram stur auswendig lernen musste, aber die Art von lernen, die er für sich selbst tat. Anstatt sinnlos im Wohnzimmer zu hocken konnte er noch einmal die Vokabeln durchgehen oder das Buch in Englisch lesen, vielleicht sogar etwas mehr Zeit in die neuen Matheformeln investieren und sie auch wirklich verstehen.
Vielleicht war das der Grund, warum Ryo keinem Club angehörte. Er wollte lieber daheim sein und sich mit dem Kram beschäftigen. Außerdem sprachen ihn die Clubs einfach nicht an - Warum Sport treiben, wenn er nutzlos darin war? Oder Feste vorbereiten, wenn er seine Ideen sowieso nicht bekanntgab?
Vielleicht war Ryo schüchtern, vielleicht auch definitiv, aber ihm machte das meist nicht viel aus. Er hatte seine Freunde und das genügte ihm voll und ganz. Diese wussten auch, dass man ihn niemals reizen sollte - Denn selbst der schüchternste Mensch hat eine dunkle Seite. (Zumindest sagte Yugi das immer, der mit denselben Problemen zu kämpfen hatte.)
Seufzend legte er den Stift weg und wandte sich seinen Nudeln zu, die während seines Nachdenkens fertig geworden waren. Er gab sie in ein Sieb, während er leise vor sich hin summte. Gedanklich und scherzend verfluchte er Jono wegen des Ohrwurms, da der Blonde irgendwann im Laufe des Tages diesen in seinen Kopf eingepflanzt hatte.

Während er auch die Soße, die schon etwas länger geköchelt hatte, vom Herd nahm, schweiften seine Gedanken einmal mehr zu Bakura.
Der Kerl, der ihm so ähnlich sah, war ihm ein Rätsel... Er war fast wie ein Buch mit sieben Siegeln, umwickelt mit einer dicken Schicht Panzertape und Stacheldraht. Machte das überhaupt Sinn? Na ja, in Ryos Gedanken schon.
Warum sollte jemand komplett allein durchs Leben rennen? Er selbst hielt es kaum die Nacht über aus, in dieser stillen und einsamen Wohnung zu bleiben. In den Ferien übernachtete er oft einfach bei seinen Freunden, um der Einsamkeit zu entgehen... Und Bakura hingegen schien immer einsam zu sein.
Das Essen wurde kurzerhand auf einen Teller verfrachtet und er stellte es auf den Tisch, gegenüber der Seite mit seinen Büchern. Dann holte er sich Besteck und setzte sich vor seine Spaghetti.
Er stocherte etwas im Essen, dann führte er die Gabel zum Mund und ließ die lange Nudel aus seinem Mund hängen. Wie konnte er Bakura wohl am besten überzeugen, ihm zu vertrauen? Er zog die Nudel in seinen Mund und begann, zu essen, doch seine Gedanken beschäftigen sich immer noch mit Bakura.
Sein erster Gedanke war es, etwas mehr über ihn herauszufinden. Aber dafür müsste er mit ihm reden und der Ältere würde sicher nicht einfach mit ihm plaudern... Und Freunde hatte er keine, wie er schon herausgefunden hatte.
Gedankenverloren zog er sein Handy aus der Hosentasche und sah kurz auf den Bildschirm, der ihm zwei Whatsapp Nachrichten und eine von Facebook zeigte. Neugierig drückte er auf ersteres, woraufhin das Gerät die Klassengruppe öffnete.

Honda: Das ist Bakura-kuns Nummer, wir sollen ihn hinzufügen und so >.>
Honda hat Unbekannt* hinzugefügt

Sobald er dies gelesen hatte drückte er auf die andere Benachrichtigung. Wenn Bakura in der Schule nicht mit ihm reden wollte, würde er es auch nicht am Handy.
Die nächste Idee kam ihm, sobald das blaue Facebooklogo auf dem Bildschirm aufleuchtete.

Jetlag  (Arbeitstitel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt