Tantrum Teil 12

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Nachdem Eve die routinemäßige Sicherheitskontrolle hinter sich gebracht hatte, schlenderte sie auf Nate zu, der auf dem Vorplatz hinter dem Tor wartete.

„Wieso bist du nicht zuhause geblieben? Du hättest dir frei nehmen und dich ausruhen sollen", sagte er tröstend in ihr Haar hinein. Sein vielsagender Blick und die klammernde Umarmung ließen deutlich erkennen, wie besorgt er war, was zweifelsohne mit den Vorkommnissen des frühen Morgens zu tun hatte. Trotz allem, was geschehen war, war er immer noch kompromisslos bereit, für sie da zu sein. Aber wollte sie das überhaupt? Sie war nicht sicher, ob sie sein fürsorgliches Verhalten nach ihrem tränenreichen Zusammenbruch im Auto gutheißen konnte. Am liebsten hätte sie einfach so getan, als wäre nichts weiter passiert.

„Murna hat mich angetrieben. Du weißt ja, was sie von Unpünktlichkeit hält." Die warme, berauschende Droge Nate wurde ihr zu viel. Ihr schlechtes Gewissen erdrückte sie fast und sie befreite sich aus seinen schützenden Armen, bevor es zu spät dafür war. Bevor sie in die Abhängigkeit driftete, aus der es kein Entkommen gab.

„Hast du es ihr gesagt?" Seine Augen sahen sie unverschleiert und voller Erwartung an. In jedem seiner Worte kam die Fürsorglichkeit eines liebevollen Bruders zum Vorschein. Eve fühlte sich seltsamerweise an Dave erinnert, der sie ganz bestimmt nicht mit samtenen Handschuhen angefasst und bemuttert hätte. Aber daran wollte sie eigentlich gar nicht denken.

„Nein. Sie geht schon an die Decke, wenn ich nur eine Anspielung mache." Und das war nicht untertrieben. Murna war definitiv nicht der richtige Ansprechpartner, wenn es um die übernatürlichen Phänomene in ihrem Leben ging. Sie hatte es oft genug bei ihr versucht, um darauf hin immer wieder zu scheitern.

„Wir könnten gemeinsam mit ihr reden."

„Besser nicht." Sie schüttelte den Kopf und versicherte ihm, dass er sich keine Sorgen machen musste. Endlich entspannte er sich und zeigte sich von seiner eher seltenen, unreifen Seite, indem er sie mit dem Ellenbogen anstupste.

„Da drüben sind Lisa und Finley. Willst du, dass ich sie dir vorstelle? Etwas Abwechslung täte dir vielleicht ganz gut."

„Ich glaube nicht, dass ich dafür genug Zeit habe", überlegte Eve rasch. „Eigentlich sollte ich langsam los ..."

„Komm schon, es sind nur ein paar Meter bis zu ihnen. Du kannst auch sofort wieder gehen, wenn du willst. Versprochen."

Lustlos sah Eve zu den beiden Studenten hinüber. Sie war grottenschlecht im Freundschaften schließen. Das letzte Mal, als sie den Versuch gemacht hatte, jemanden näher kennenzulernen, war sie an Dave geraten; nicht gerade ein Vorzeigebeispiel. Doch Nate ließ nicht locker und da sie keine dringliche Ausrede parat hatte, willigte sie schließlich ein. Ihr war nahezu alles recht, solange ihr nur Dave aus dem Kopf ging. Es war schon peinlich genug, dass sie immer wieder aus heiterem Himmel an ihn dachte.

Auf dem großzügigen Platz rund um das Eingangstor herrschte geschäftiges Treiben, als Nate sie quer durch die Menge schob. Der im Hintergrund gelegene Campus bestand aus schönen alten Gebäuden, zu denen das Haupthaus mit den großen Sälen und der Mensa gehörte. Ebenfalls dazu zählten die kleineren Nebengebäude, in denen die Büros der Collegeleitung und der Sekretärinnen untergebracht waren, sowie die Bibliothek, die Archive und mehrere kleine Lehrsäle für die Vorlesungen. Im Halbschatten eines alten Ahornbaums stand eine Sitzgruppe mit ein paar Pausentischen, die aufgrund des nahezu immerwährend schönen Wetters ein begehrter Treffpunkt waren – eine Szenerie wie aus einem Bilderbuch. Die heimische Uni bot ein familiäres Flair, dem sich manche Professoren hingaben, indem sie ihre Vorlesungen ins Freie verlegten, wenn es die Gegebenheiten erlaubten.

Nate machte Eve mit seinen Freunden bekannt. Unter ihnen war Lisa, eine Studentin aus dem Aufbaukurs für zeitgenössische Kunst. Der junge Mann neben ihr war Finley, sehr charismatisch und interessiert an Fremdsprachen. Trotz der ungewohnten Situation wirkte die gute Laune der beiden Studenten ansteckend auf Eve. Zusammen mit ihnen zwischen all den jungen Menschen auf dem Campus zu sein, hatte etwas von einem Stück Normalität. Sonderling der sie sich im Stillen schimpfte, hatte sie sich die größtmögliche Mühe gegeben, keine engeren Bekanntschaften mit ihren Kommilitonen zu schließen. Die meisten unter ihnen kannte sie nur vom Sehen, von den allerwenigsten wusste sie einen Namen. Nate war anderen gegenüber sehr viel aufgeschlossener und kontaktfreudiger. Aber auch Lisa und Finley machten einen sympathischen Eindruck. Sie schafften es, Eve das Gefühl zu vermitteln, dazuzugehören.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 30, 2017 ⏰

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