Ich ziehe um die Häuser

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Ich küsste Sherlock liebevoll.

„Hör mal, Schatz", sagte ich. „Morgen ist Freitag. Ich habe am Wochenende keinen Dienst. Ich werde also morgen Abend losziehen und ... Spaß haben. Ganz ohne Dating Website und ganz ohne deine Hilfe. Ich mache es auf meine Weise. Okay?"

Er nickte.

„Gut, John. Ich werde versuchen, mich raus zu halten. Versprochen."

Wieder küsste ich ihn.

„So, und jetzt mache ich uns etwas zu Essen, okay?"

Grinsend überlegte ich, in der nächsten Zeit verstärkt Spargel, Austern und ähnliche Lebensmittel zu verwenden, denen man aphrodisierende Wirkung nachsagt.

Letzten Endes kochte ich aber doch nur Spaghetti Napoli und vertraute auf die Kraft der Liebe.

Am nächsten Abend hübschte ich mich auf und zog los. Ich kannte ein paar interessante Clubs in der Stadt. Auch aus früheren Jahren einige, in denen man gut aufgehoben war, wenn man am gleichen Geschlecht interessiert war.

Ich hatte vor, mir einfach einen schönen Abend zu machen, zu tanzen, zu flirten und einfach ein bisschen Spaß zu haben. Und im Anschluss zu Hause auf eventuelle Nachfragen und Bemerkungen hin nur geheimnisvoll zu lächeln. Ich vertraute auf mein Glück und die Tatsache, dass Sherlock es eben nicht immer schaffte, meine Gefühlslage zu deduzieren.

Ich ließ mich treiben und landete im „Honeyblossom", einer netten Tanzbar. Hier lernte ich tatsächlich jemanden kennen, und zwar eine Frau.

Sie hieß Nina und war hübsch, charmant und lustig, und wie ich wollte sie einfach nur einen netten Abend verbringen, ohne weiterführende Absichten. Sie war frisch getrennt, hatte noch keinerlei Interesse an einer neuen Beziehung, wollte die neue Freiheit feiern.

Wir tanzten einige Male und sie bewunderte die Tatsache, dass ich das ganz gut konnte.

Wir hatten viel Spaß zusammen und verabredeten uns am Ende für den nächsten Abend, das ganze zu wiederholen.

Der Abend war schön.

Und doch dachte ich zwischendurch immer mal wieder, wie schön das wäre, so etwas mal mit Sherlock zu erleben.

Allerdings konnte ich mir nicht vorstellen, ihn zu so etwas zu überreden, na ja ... aber was solls, ich wollte Sherlock genau so, wie er war.

Er fragte mich am nächsten Morgen nicht, wie es gewesen war. Ich versuchte so etwas, wie ein geheimnisvolles, zufriedenes Lächeln. Und ich bemerkte Sherlocks Versuche, zu sehen, was ich erlebt hatte, und ich stellte auch fest, dass es ihm nicht bis ins Detail gelang.

Gefühlsdinge eben.

Jedenfalls schien das ganze zu funktionieren und so sagte ich nach dem Frühstück ganz beiläufig:

„Ich habe heute Abend eine Verabredung."

Sherlocks Augen wurden wieder so unergründlich dunkel.

Und sein Blick ruhte auf mir mit einer gewissen Intensität – wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich gedacht, er wäre eifersüchtig.

Aber das wäre ja nun total absurd gewesen, immerhin hat er mich ja mit Händen und Füßen in diese Situation geschoben.

So ging es nun einige Freitag- und Samstagabende weiter.

Ich nahm das ganze als Gelegenheit, mich mal ein bisschen auszutoben, Spaß zu haben und nette Leute kennen zu lernen. Nicht ein einziges Mal jedoch ging ich übers Tanzen und Reden hinaus. Dabei hätte es durchaus nicht an Gelegenheiten gefehlt. Ich bin vielleicht nicht unbedingt von klassischer männlicher Schönheit, da kann ich mit Sherlock nicht mithalten. Aber ich habe einen gewissen Charme und eine bestimmte Ausstrahlung, bin offen und umgänglich, und das lässt mir durchaus das ein oder andere Herz zufliegen.

Wenn ich gewollt hätte, hätte ich die ein oder andere hübsche Frau im Bett haben können. Oder auch den ein oder anderen gutaussehenden Kerl.

Ich wollte aber nicht.

Im Gegensatz zu Sherlock war Mycroft Holmes genau im Bilde, was ich an diesen Abenden so trieb. Oder eben nicht trieb. Das war mir klar, und ich erfuhr es ganz deutlich an einem Abend, an dem es ein bisschen Stress gab.

Ich machte eventuellen Bekanntschaften immer von vornherein klar, was meine Intentionen waren und was nicht. Dennoch gab es da diesen jungen Burschen, der nicht einsehen wollte, dass ich keinen Sex mit ihm wollte. Er wurde zudringlich und wurde aus dem Club geworfen.

Als ich dann später am Abend ebenfalls das Lokal verließ, stand er mit ein paar Kumpels draußen und wollte mir ans Leder.

Nun, ich kann mich ganz gut verteidigen, aber es waren sechs Mann ... das war dann doch kritisch. Als ich mich gerade auf ein paar üble Blessuren einstellte, tauchten aus der Dunkelheit zwei „Man in Black" auf, anders kann ich die dunklen Gestalten nicht beschreiben, welche die Jungs mit ihren Muskeln und ihren Kampfsportskills ganz schnell davon überzeugten, dass es der Gesundheit zuträglicher sei, mich in Ruhe zu lassen.

Als die Jungs überzeugt waren, verschwanden die beiden Kleiderschränke wieder.

Statt dessen tauchte eine dunkle Limousine aus der Dunkelheit auf.

Na klar, es war unverkennbar das Fahrzeug von Mycroft.

Es hielt direkt neben mir und mein „geliebter Schwager" hielt mir die Tür auf.

„Steigen Sie ein, Dr. Watson."

„Nun, ich denke, Sie haben so viel Anstand, dass SIE das nein verstanden haben und ich mich gegen IHRE Zudringlichkeiten nicht verteidigen muss?" fragte ich sarkastisch.

„Selbstredend, John."

Ich stieg ein.

„Fahren Sie mich nach Hause, Mr. Holmes? Ich finde, nachdem Sie mir offensichtlich nachspionieren, wofür ich ausnahmsweise einmal dankbar bin, können Sie mir diesen Dienst auch noch erweisen."

Er nickte und wies seinen Fahrer an, in die Baker Street 221B zu fahren.

„Nun, John, haben Sie die Güte, mir zu berichten, wie der Stand der Dinge zwischen Ihnen und Sherlock ist?"

„Nein."

Ich schätze, er hatte damit gerechnet, denn er lächelte amüsiert.

„Der selbe Dickkopf wie immer, Dr. Watson."

„Hören Sie, Mycroft, ich bin Ihnen und Ihren Gorillas dankbar für Ihre Rettungsaktion, wenngleich ich mit diesen halbgaren Jüngelchen auch sehr gut selber fertig geworden wäre...,", (Na ja, ich gebe zu, hier habe ich die Wahrheit ein bisschen an meine Bedürfnisse angepasst), „aber wie es zwischen mir und Sherlock steht, geht Sie schlichtweg nichts an."

Wie es zwischen mir und Sherlock „steht" ... die Zweideutigkeit dieser Aussage wurde mir erst in dem Moment bewusst, wo ich es ausgesprochen hatte.

Ich wurde schlagartig knallrot.

Mycroft gab eine Art Schnauben von sich, dass man mit viel gutem Willen als Mycroftsches Kichern hätte interpretieren können.

Wie es schien, sorgte Greg Lestrades Einfluss immerhin dafür, dass Mycroft Holmes menschlicher wurde.

„Dr. Watson", sagte er schließlich, „ich möchte Ihnen meine Anerkennung aussprechen, dass es Ihnen tatsächlich gelingt, meinen Bruder zu täuschen. Ich hatte zu Anfang so meine Bedenken. Aber Sie schaffen das tatsächlich. Mein Bruder ist fest davon überzeugt, Sie würden, nun ja, die offene Beziehung ausleben. Ich gratuliere."

Es war keine Spur Sarkasmus in seiner Stimme.

Er meinte, was er sagte.

Und schwupps.

Da war es wieder, das verdammt schlechte Gefühl.

Ja, ich täuschte Sherlock.

Und ich fühlte mich einfach mies dabei.

Er und ich und ... andere?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt