Als ich an diesem Abend nach Hause kam, war ich ziemlich angeheitert. Denn nachdem nun auch Gregory Lestrade mir Avancen gemacht hatte, brauchte ich dringend noch ein bisschen Alkohol. Ich war also in eine weitere Bar eingekehrt und hatte mir noch einige Gläser Whisky gegönnt. Um ehrlich zu sein, ich war mehr als angeheitert.
Ich stolperte die Treppe hoch. Sherlock saß auf dem Sofa und arbeitete am Laptop. An meinem, wie ich trotz des Nebels in meinem Kopf bemerkte. Egal.
Ich setzte mich neben ihn auf das Sofa und gab ihm einen geräuschvollen Kuss auf die Wange und nuschelte:
"Guten Abend, mein Schatz!"
Sherlock brummte irgendetwas, ignorierte mich jedoch ansonsten jedoch. Verliebt hin, verliebt her, in mancher Hinsicht blieb Sherlock einfach Sherlock, und ich war ganz froh darüber. Schließlich liebte ich ihn so, wie er war.
Ich jedoch war anhänglich an diesem Abend. Ich schlang meine Arme um ihn und versuchte, mich anzukuscheln. Er löste seine Finger von der Tastatur meines Laptops, drehte sich zu mir und sah mich an. Seine Augen erschienen unergründlich dunkel.
Er legte seine Arme auch um mich, küsste mich sanft und sagte: "Du solltest ins Bett gehen, John."
"Kommst du mit?", fragte ich hoffnungsvoll.
Er zögerte einen Moment, dann schüttelte er den Kopf.
"Ich bringe dich ins Bett, John, und dann muss ich noch was recherchieren."
Er half mir auf. Zugegeben, ich schwankte ganz schön.
Während er mich also ins Schlafzimmer geleitete, fragte er: "John, ich nehme an, du hast heute Abend deinen Spaß gehabt?"
"Ja, das kann man wohl so sagen", kicherte ich.
Im nächsten Augenblick wurde mir bewusst, was er damit meinte.
Nun sagt man ja, Kinder und Betrunkene sagen die Wahrheit.
Also stieß ich ihn weg von mir und fauchte: "Nein, ich habe nicht fremdgevögelt! Auch wenn mir das anscheinend alle Welt zutraut, ich muss nicht wild in der Gegend rumficken, um mich wohl zu fühlen!"
Ich rannte die Treppe hinauf in mein Zimmer, das ich seit Wochen nicht mehr benutzt hatte, da ich gemeinsam mit Sherlock in seinem Bett geschlafen hatte.
Heute Nacht jedoch würde ich alleine schlafen. Mir war das im Moment schlichtweg einfach alles ein bisschen viel.
Am nächsten Morgen kam ich spät, müde und verkatert hinunter in das Wohnzimmer. Sherlock saß wieder (oder immer noch?) auf dem Sofa, mit meinem Laptop beschäftigt.
Als er mich hörte, sah er auf.
"Guten Morgen, John."
"Morgen", brummte ich.
Er musterte mich und sagte dann:
"Du hast Kopfschmerzen, und dir ist übel. Du überlegst, ob du dir einen Kaffee machen sollst, bevor du das Gespräch mit mir suchst. Ich würde dir im übrigen genau diese Reihenfolge empfehlen, da du zum einen dann eine Tasse hast, an der du dich festhalten kannst, etwas, das dir während unangenehmer Gespräche immer etwas Sicherheit verleiht. Und zum anderen kannst du klarer denken, wenn du etwas Koffein zu dir nimmst."
Ich verdrehte die Augen, folgte aber seinem Rat und machte mir einen Kaffee. Dann setzte ich mich in meinen Sessel. Das heiße, dampfende Getränk tat mir gut.
"John", sagte Sherlock, "ich sehe, dass du gestern Abend entgegen deiner ursprünglichen Absichten nicht in sexuelle Aktivitäten verstrickt warst."
Ich nickte resigniert.
"Ich sehe dir ebenfalls an, dass es dir jetzt, da du in einer festen Beziehung mit mir bist, nicht so leicht fällt, mit einem, nun, wildfremden zu schlafen."
Hoffnungsvoll schaute ich auf. Hatte er jetzt verstanden, dass ich diesen ganzen Unfug mit der offenen Beziehung gar nicht wollte?
Aber leider zeigte sich mal wieder, dass mein so überaus kluger Consulting Detective in Dingen, die Gefühle und zwischenmenschliches betrafen, so unwissend war wie ein Kind.
"Gut, das verstehe ich", sagte er.
"Und deswegen schlage ich dir vor, dass du dich zu diesem Zwecke mit Bill Wiggins triffst."
Diesmal war es Kaffee, den ich pustend über den Wohnzimmertisch verteilte.
Bill Wiggins war einer von Sherlocks Informanten aus seinem Obdachlosennetzwerk. Ein gewitzter junger Mann, der uns durchaus schon wertvolle Dienste geleistet hatte.
Aber das war doch kein Grund, mit ihm ins Bett zu gehen!
"Sherlock, ich weiß, du meinst es gut. Aber bitte, überlasse es doch einfach mir, mit wem ich ins Bett steige und mit wem nicht, okay?"
Sherlock drehte sich wortlos zu seinem Laptop um und fuhr mit seinen Recherchen fort.
Er war ganz offensichtlich eingeschnappt. Nun, meine Laune war auch nicht die beste, zumal ich auch immer noch unangenehme Kopfschmerzen hatte.
In diesem Augenblick ertönte der Signalton, der bei meinem Handy anzeigte, dass eine SMS eingegangen war.
Ich bekam einen hysterischen Lachanfall. Unter Tränen und Luft schnappen jappste ich:
"Wenn das jetzt noch wer ist, der mir auch noch vorschlägt, mit ihm zu vögeln, dann springe ICH von Dach des Barth!"
Ich lachte und lachte.
"Vielleicht Moriarty ..."
Ich kriegte mich erst wieder ein, als eine schallende Ohrfeige von Sherlock mich zur Besinnung brachte.
"John, nimm dich zusammen!"
Ich atmete tief durch. Mal wieder.
"Hör zu, John", sagte Sherlock.
"Ich sehe, dass das ganze offenkundig so nicht funktioniert. Wie es aussieht, hast du große Schwierigkeiten, dich auf Sex außerhalb unserer Beziehung einzulassen. Und das, obwohl doch du es warst, der zuerst diese Idee hatte."
Ich sah ihn groß an. Ich kannte ihn gut genug, um zu wissen: er glaubte tatsächlich, was er da sagte.
"Ich bedauere das", fuhr er fort.
"Aber ich werde mir um das Problem Gedanken machen und eine Lösung finden."
Und noch bevor ich auch nur die Chance hatte, ihm klar zu machen, dass es doch eigentlich überhaupt kein Problem gab, versank er in seinen Gedächtnispalast.
Mir blieb nur noch, mit den Schultern zu zucken und die nächste Überraschung abzuwarten.
Ach und die SMS war von Lestrade. Er hatte einen Fall für uns. Es war der Fall mit dem an die Kirchentür genagelten Bandwurmgerippe. Aber der beinhaltet einige sehr unappetitliche Details ... daher habe ich ihn nicht in meinem Blog veröffentlicht.
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Er und ich und ... andere?
FanfictionManchmal bin ich, Dr. John Watson, ein ziemlicher Idiot. Irgendwie ist es aber auch typisch für uns. Eine halbe Stunde nach unserem Liebesgeständnis einen lautstarken Streit zu haben. Dabei sollte ich doch wissen, wie Sherlock ist. So gut er deduz...