Okay.
Es ist zwei Wochen her, dass ich das letzte Mal meine Gedanken über die ganze Sache sortiert habe.
Damals war ich ziemlich verzweifelt und wusste nicht, wie ich weiter damit umgehen soll.
Inzwischen hat sich alles geändert.
Wieder muss ich Luft holen, um erzählen zu können, was geschehen ist.
Es war drei Tage später. Sherlock hatte eine Stunde zuvor das Haus verlassen, um auszugehen.
Ich saß auf dem Sofa und hatte das Gefühl, dass es mich innerlich zerriss.
Ich liebte Sherlock, und doch dachte ich ernsthaft darüber nach, meine Koffer zu packen und zu gehen.
Ich fühlte mich hundeelend und schwankte zwischen heulen und toben.
Ich hatte mir gerade einen Scotch eingeschenkt und beschlossen, mich zu betrinken, als ich die Haustür rappeln hörte. Es erklangen Schritte auf unserer Treppe. Sherlocks Schritte.
Ich bin nicht so gut wie er darin, herauszuhören, wer die Treppe hinauf kommt, und nebenbei noch dessen Lebensgeschichte, Kinderkrankheiten, Lieblingsessen sowie welche Note er in Mathematik im dritten Schuljahr hatte herauszuhören.
Aber Sherlocks Schritte erkenne ich.
Einen Augenblick später stand er in unserer Wohnung. Er hängte seinen Mantel auf, fuhr sich durch die Haare. Dann kam er zu mir und stand mir etwas unschlüssig gegenüber. Er sah mich an, beugte sich zu mir, küsste mich und setzte sich auf den Sessel.
„Sherlock...?", sagte ich fragend.
Er antwortete nicht. Sah mich nur an mit diesen wunderschönen, unergründlichen Augen.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Reden oder abwarten? Irgendetwas musste geschehen sein.
Schließlich raffte ich mich zu ein paar Worten auf.
„Sherlock, geht es dir gut?"
Er schwieg wieder eine Augenblick, dann sagte er:
„Ja, John. Es geht mir gut."
Einen Augenblick später jedoch hörte ich etwas leiser von ihm:
„Nein, ich glaube, es geht mir doch nicht gut."
Ich nahm seine Hände in meine.
„Sherlock, kann ich dir helfen? Ist etwas passiert? Hat dir jemand weh getan?"
Ich hatte in diesem Augenblick Angst, dass er an jemanden geraten war, der ihn überfordert hatte und Dinge mit im getan hatte, die er nicht gewollt hatte.
Aber dann ... ich muss gestehen, dass der weitere Verlauf des Abends mich über den Haufen rannte wie eine Herde Büffel.
„John", sagte Sherlock, „Ich habe eine Bitte an dich."
Er schluckte, und man merkte, wie ihm das gerade nicht leicht fiel.
„John, du weißt, dass ich in diesen Dingen nicht gut bin. Ich bin zwar der intelligenteste Mensch Englands ..."
Ich musste grinsen und dachte, lass das nicht Mycroft hören.
„ ... aber was zwischenmenschliches betrifft, bin ich einfach unbeholfen. Es war auch irrelevant für mich. Von Bedeutung ist es erst, seit ich dich kenne, John Watson."
Er atmete tief durch. Gut, jetzt war er mal damit dran.
„John, ich möchte dich fragen, dich bitten ... können wir damit aufhören, unsere Beziehung als offene Beziehung zu führen? Können wir bitte anfangen, einander treu zu sein?"
In meinen Kopf sprang ein kleiner John mit einem Jubelschrei auf, reckte die Faust gen Himmel und schrie „Yeah!"
Ich selber jedoch war sprachlos. Doch dann nickte ich heftig und sagte: „Ja, Sherlock, das möchte ich sehr gerne. Damit bin ich sehr einverstanden."
„John, ich möchte mit dir schlafen, und ich hoffe, dass ich dir alles geben kann,was du ..."
„Schhh!", sagte ich und legte ihm den Zeigefinger auf die Lippen.
„Sherlock, versprich mir nichts, wir lassen das alles auf uns zukommen, und du musst nie weitergehen, als du das in dem jeweiligen Augenblick willst."
„Aber..."
„Nichts aber. Ich liebe dich Sherlock."
Dann küsste ich seine Hände.
„Eines möchte ich nur wissen, Sherlock, und zwar warum. Ist etwas geschehen, was dir weh getan hat oder dergleichen?" Ich sorgte mich immer noch.
„Ja", sagte Sherlock. „ Ich habe festgestellt, dass ich sehr, sehr dumm war. Ich habe dich bestärkt, dir dein Vergnügen bei anderen zu suchen, und ich hielt das für vernünftig und richtig. Aber ... als du es dann tatsächlich getan hast, da hat es mich innerlich fast zerfressen und ich habe Schmerzen gelitten bei dem Gedanken, das ein anderer Mann oder auch eine Frau jetzt gerade John, meinen John, berührt, streichelt, liebt ... Es hat mich fast umgebracht."
Jetzt war es an mir, völlig verblüfft zu sein.
„Was?"
„Ja, John. Es tut mir leid, dass ich dich darum bitte, und ich weiß, dass ich wirklich viel von dir verlange, aber ..."
Wieder hielt ich ihm den Zeigefinger vor die Lippen.
„Sherlock", sagte ich. „Ich glaube, es ist an der Zeit, die etwas zu gestehen."
Er schaute fragend.
„Nun", sagte ich und spürte, wie ich errötete.
„Sherlock, ich habe dir etwas vorgemacht. Ich habe nie eine offene Beziehung gewollt. Ich habe das ganze nur mitgespielt, weil mir sowohl Mycroft als auch Greg zugeraten haben, aber vor allem, weil ich nicht wollte, dass du dich selbst unter Druck setzt, weil du glaubst, mir mehr geben zu müssen, als du schon bereit warst. Ich weiß, dass du mit anderen geschlafen hast um zu lernen und bereit für mich zu sein, daher ist das für mich in Ordnung, und ich bin dir nicht böse oder dergleichen.
Aber, Sherlock ... ich habe nie mit anderen Menschen geschlafen."
Der Blick, den er mir in dem Moment zuwarf.
Eine Mischung aus Fassungslosigkeit, Staunen, Liebe, Dankbarkeit und ... ja, was war das noch? Auf jeden Fall schien es ihn prächtig zu amüsieren.
Und dann hörte ich ein Geräusch von ihm ausgehen, von dem ich dachte, er hätte Schluckauf.
Es klang erst leise, wurde dann lauter, und dann erkannte ich, es war ein Lachen.
Es wurde lauter, er bis er sich schließlich vor lachen auf das Sofa warf, sich regelrecht an mir festkrallte und aussah, als bekäme er keine Luft mehr. Ich war etwas eingeschnappt, ich fand nicht, dass das nun so zum lachen war, und saß mit ärgerlich verschränkten Armen da.
Als er sich irgendwie wieder gefasst hatte, wieder Atem holen konnte und auch wieder in der Lage war, so etwas wie Worte zu artikulieren, jappste er:
„Du hast nie mit einem andren ...? Wirklich nicht? Oh John ... Ich auch nicht!"
DU LIEST GERADE
Er und ich und ... andere?
FanfictionManchmal bin ich, Dr. John Watson, ein ziemlicher Idiot. Irgendwie ist es aber auch typisch für uns. Eine halbe Stunde nach unserem Liebesgeständnis einen lautstarken Streit zu haben. Dabei sollte ich doch wissen, wie Sherlock ist. So gut er deduz...