Ich bin ein bejammernswerter Idiot

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Ich hatte nicht mehr das Bedürfnis, auszugehen.

Und da Sherlock ja nun inzwischen gemeinsam mit mir den Weg der sexuellen Aktivitäten beschritten hatte, bestand meiner Meinung nach auch keine Notwendigkeit mehr dazu.

Wir genossen jeden Abend das, was wir uns gegenseitig zu geben und entgegenzunehmen bereit waren, und es war wunderschön.

Es hätte gerne so bleiben können.

Blieb es aber nicht.

Drei Wochen nach den eben geschilderten Ereignissen kam also wieder ein Samstag Abend.

Ich hatte für Knabberkram gesorgt, hatte einen Film ausgesucht, von dem ich hoffte, dass wir beide wieder, wie so oft, nicht viel davon mitbekommen würden, und freute mich auf einen weiteren schönen Abend.

Da kam Sherlock aus seinem Zimmer. Und das was da vor mir stand ... wow.

Ja, er sah immer gut aus, und er legte immer Wert auf sein äußeres.

Aber das hier war einfach die Definition von „zum Ausgehen zurechtgemacht."

„Ähm, Sherlock", fragte ich, „haben wir heute noch etwas vor? Sollte ich etwas vergessen haben?"

Er schüttelte den Kopf.

„Nein John. Nicht wir. Ich habe etwas vor."

Er kam zu mir und gab mir einen Kuss.

„Würdest du mir auch verraten, was?", fragte ich vorsichtig.

„Selbstverständlich. John, ich möchte mit dir schlafen. Bald. Und ich möchte, dass es perfekt wird. Und daher werde auch ich nun auch die Tatsache nutzen, dass wir eine offene Beziehung führen."

„Was?", sagte ich reichlich entgeistert.

„Ich werde ausgehen, und mir jemanden suchen, der mir helfen kann. Interessante, attraktive Menschen, die bereit sind, mir beizubringen, was ich wissen sollte für das erste Mal mit dir."

Ich stand da wie vom Donner gerührt.

Was zum Geier passierte hier gerade?!

Die offene Beziehung ... oh mein Gott, wie ich diese zwei Worte inzwischen verfluche! ... war doch angedacht worden, damit ICH mir mein Vergnügen außerhalb der Baker Street suchen könne, aber es war doch nie die Rede von Sherlock gewesen! Wie auch, bis vor wenigen Wochen hatte er ja auch noch keinerlei Interesse an diesen Dingen gehabt ...

Er konnte noch nicht ... er durfte doch nicht ... Ich musste doch etwas unternehmen!

Tja, und dann wurde mir klar, dass ich keinerlei Möglichkeit dazu hatte.

Immerhin hatte ich, jedenfalls hatte ich das Sherlock glauben machen, ebenfalls in den letzten Wochen immer mal wieder Sex mit anderen Leuten gehabt.

In meinem Kopf entstand eine Art Liste mit „Dingen, die gerade in Doktor Watsons Leben gehörig schief laufen."

Erstens.

Sherlock würde Sex mit anderen Leuten haben.

Zweitens.

Seine Entjungferung würde nicht durch mich geschehen, seinen Lebensgefährten, der ihn von Herzen liebt! Sondern durch irgendeinen Fremden!

Drittens.

Sherlock würde Sex mit irgendwelchen attraktiven Leuten haben, verdammt noch mal!

Viertens.

Ich konnte nichts dagegen tun, denn gleiches Recht für alle, und Sherlock glaubte ja, auch ich hätte fröhlich fremdgevögelt.

Fünftens.

Verfickte, verfluchte Scheiße, Sherlock würde mit irgendwelchen anderen Typen rummachen und Sex haben!

Sechstens.

Sollten mir Mycroft oder Greg unter die Finger kommen, die mir zugeraten hatten, diese Täuschung durchzuziehen, würde man mich wegen Mordes verhaften müssen.

Siebtens.

Von wem auch immer Sherlock entjungfert werden würde, es würde nicht ich sein!

Achtens.

Sherlock würde Sex mit jemand anderem haben!

Neuntens ...

ach lassen wir das, es hat ja keine Zweck.

Sherlock zog die Augenbrauen hoch. Er sah wohl, das etwas nicht in Ordnung war, aber er verstand nicht, was. Okay, wie sollte er auch.

„Problem?", fragte er.

Ich schluckte und sagte: „Nein, alles in Ordnung. Nun, ich wünsche dir viel Spaß. Und, ähm, pass auf dich auf, ja?"

Er grinste.

„Oh, ich bin sicher, John, dass das schon Mycroft erledigt."

Das war von ihm nur halb scherzhaft gemeint. Wir wussten beide, dass es wahrscheinlich so ziemlich der Wahrheit nahe kam.

Und ich muss zugeben, dass mich das jetzt wirklich ein bisschen beruhigte.

Na ja, und so geht das nun seit Wochen. Alle paar Tage zieht er los. Mir geht es beschissen damit.

Ich bin ihm einmal nachgegangen.

Habe in dem Club, in dem er den Abend verbrachte, wie ein verschmähter Liebhaber im Schatten, in der Dunkelheit gestanden und ihn beobachtet.

Habe gesehen, wie er jemanden kennengelernt hat. So einen Kerl, deutlich kleiner als er selber.. Schlank, aber unauffällig muskulös. Kurzes, sandfarbenes Haar.

Was er an dem wohl fand ...

Habe gesehen, wie sie den Abend über Spaß hatten.

Habe zugeschaut, wie sie den Club verlassen haben.

Bin ihnen ein Stück gefolgt, bis ich mir vor mir selber eingestehen musste, wie würdelos das war.

Und nun sitze ich hier. Allein zu Hause. Warte auf ihn.

Möchte mich am liebsten betrinken, lasse es aber, weil das doch auch nichts bringt.

Ich bin unglücklich.

Ich hasse es, dass Sherlock andere Leute vögelt. Dass er denkt, ich hätte das gleiche getan, wo ich ihm doch all die Zeit treu war. .

Dass er seine Jungfernschaft ich weiß nicht wem geschenkt hat, und nicht mir.

Dass gerade das unwiederbringlich ist.

Das ist also meine Geschichte.

Das ist der Punkt, an dem ich stehe.

Ich habe keine Ahnung wie ich mit all dem umgehen soll.

Und das Schlimmste ist, das ich an all dem auch noch selber Schuld bin.

- - - - -

Liebe Leser,

nein, auch wenn es sich geradeso anfühlt, nein, das hier ist noch nicht das Ende der Geschichte.

Er und ich und ... andere?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt