Gregory ist übereifrig

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„Mist!", fluchte ich. Das konnte ich nicht auch noch gebrauchen. Mit nassen Hosen mit der Tube durch halb London. Halleluja.

Und überhaupt.

Was ging hier eigentlich gerade ab? Hatte Mycroft Holmes himself mich gerade sozusagen angegraben?

Ich war fassungslos.

„Nein, Mr. Holmes", fauchte ich ihn an.

„Sollte ich jemals tatsächlich diesen von mir ungewollten und dennoch von Sherlock ausgestellten Freifahrtschein nutzen wollen, dann ganz sicher nicht mit Ihnen! Und jetzt wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich nach Hause fahren würden!"

Mycroft nickte.

Wie von Zauberhand gerufen erschien der Kellner. Als ich meine Börse zücken wollte, bat mich Mycroft, stecken zu lassen, er würde das übernehmen. Aber ich weigerte mich und zahlte meinen Anteil selber. Sonst dachte dieser arrogante Kerl am Ende noch, das hier wäre eine Art Date gewesen. Das hätte mir zu allem Überfluss noch gefehlt.

Mycroft telefonierte mit seiner Assistentin, informierte sie über sein Ausbleiben und bat sie, das Treffen mit irgendeinem Generaldirektor zu verschieben.

Dann wandte er sich mir zu und sagte:

„Kommen Sie?"

Mycroft fuhr mich also nach Hause.

Vor dem Haus in der Baker Street angekommen, stieg er ebenfalls aus dem Auto.

„Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mit rauf komme, Dr. Watson? Ich würde gerne ein paar Worte mit meinem Bruder wechseln."

„Ach machen Sie doch, was Sie wollen", motzte ich genervt.

Oben angekommen, fand ich zu meiner Überraschung anstelle von Sherlock DI Lestrade vor, der auf dem Sofa saß.

„Hallo, John", sagte er, als ich das Zimmer betrat. „Sherlock zieht sich gerade an, ich habe einen Fall für ihn."

Dann sah er Mycroft hinter mir den Raum betreten.

Und nun geschah etwas, was mich erneut aus der Fassung brachte an diesem Tag.

Lestrade stand freudestrahlend vom Sofa auf, ging auf Mycroft Holmes zu, umarmte ihn, küsste ihn auf den Mund und sagte: „Hallo, Honey, was machst du denn hier?"

Ich musste mich erst mal setzen.

„What the Fuck...?"

Mycroft stöhnte missmutig.

Lestrade schaute von ihm zu mir und zurück.

„Es tut mir Leid, Honey, ich dachte, John wüsste von uns..."

„Nun", knurrte ich, „jetzt weiß ichs jedenfalls. Allerdings, Mr Holmes, sagten Sie nicht vorhin, sie ließen keine Gefühle zu in Ihrem Leben?"

„Wenn Sie sich recht entsinnen, Dr. Watson, dann sagte ich, ich lasse nahezu kein Gefühle zu. Es gibt eine einzige Ausnahme in meinem Leben. Und diese Ausnahme ist Gregory. Mein Verlobter."

Und er nahm Lestrades linke Hand in die seine und hielt beide hoch, so dass ich die Verlobungsringe sehen konnte.

Ich war fassungslos.

Zum einen über die Tatsache an sich, zum anderen darüber, dass er trotzdem vor noch nicht einmal einer halben Stunde mir gemeinsame sexuelle Aktivitäten angeboten hatte ...

Ich rannte hinauf in mein Zimmer, um mich umzuziehen. Ich wollte die nasse Hose loswerden. Und einen Moment alleine sein.

In den nächsten Tagen kehrte nun etwas Ruhe bei uns ein.

Mycroft ließ sich nicht blicken und auch nicht von sich hören, wofür ich einfach nur dankbar war.

Sherlock und ich lebten unser Leben, das sich nicht sonderlich geändert hatte im Vergleich zu der Zeit vor unserer Beziehung, mit einer entscheidenden Ausnahme:

Es stellte sich heraus, dass Sherlock ausgesprochen gerne kuschelte.

Wenn wir abends auf dem Sofa saßen, um einen Film zu schauen, bekam ich oft nicht wirklich etwas von den Ereignissen auf dem Bildschirm mit, weil wir die ganze Zeit schmusten, streichelten und küssten.

Ich genoss das natürlich sehr, und Sherlock wirkt so ausgeglichen wie noch nie und genoss es sichtlich ebenfalls.

Es war eine wunderbare Zeit, und es hätte gerne so bleiben können.

Ach ja.

Es blieb aber nicht so.

Es begann damit, dass wir wieder in einer ausgedehnten Kuschelorgie auf dem Sofa zu Gange waren.

Zu diesem Zeitpunkt war die letzte Verabredung mit mir selbst unter der Dusche schon ein paar Tage her. Ich brauche dafür immer eine gewissen Ruhe und eine entspannte Gemütslage. Nun waren die letzten Tage aber eher stressig gewesen. Mein Job ist eben nicht immer einfach, noch dazu hatte einer von Lestrades Fällen Sherlock und mich kreuz und quer durch London gehetzt. Es war er Fall mit dem Todessprung von der Teppichkante gewesen. Der war schon ziemlich interessant, allerdings waren einige hochgestellte Persönlichkeiten involviert, so dass ich ihn nicht in meinem Blog veröffentlichen darf.

Ich hatte also nicht die Muße gehabt, meiner Lust Abhilfe zu schaffen.

Und so passierte, was völlig normal ist, wenn man mit dem Geliebten zusammen wild auf dem Sofa rumschmust: Mein Glied erigierte in extremem Ausmaß, so hätte es wahrscheinlich Mycroft ausgedrückt.

Oder, wie Greg es wohl sagen würde, der sich im allgemeinen deutlich bodenständiger ausdrückte (Himmel, es war mir immer noch ein Rätsel, was die beiden aneinander fanden): Ich hatte ne mörderische Latte.

Und natürlich blieb das nicht unbemerkt. Ich saß auf dem Sofa, Sherlock kniete über meinem Schoss und wir küssten uns. Unsere Mitten berührten sich. Und da spürte er es.

„John", sagte er, „ich weiß, dass du dich bisher noch nicht mit jemandem getroffen hast. Aber ich denke, spätestens jetzt solltest du es tun."

Ich sah ihn erschrocken an.

Dann holte ich tief Luft ... so langsam hatte ich das Gefühl, dass sich das zu einer Art Dauerbeschäftigung entwickelte. Sollte ich jemals wieder einen Fragebogen ausfüllen müssen, indem unter anderem nach außerberuflichen Skills gefragt wird, sollte ich schreiben: Tief durchatmen. Dass kann ich inzwischen besonders gut. Habe darin viel Übung.

„Nein, Sherlock", sagte ich. „Ich bin dir dankbar, dass du dich so um mich sorgst, aber dazu besteht aktuell keine Veranlassung."

„Aber John, ich spüre doch, dass du das Bedürfnis ... nein, die Lust nach sexueller Betätigung verspürst", sagte er, und diese Worte aus seinem Mund machten das Problem nicht unbedingt kleiner.

„Ja, Sherlock", sagte ich.

„Aber ich habe derzeit keinerlei Wunsch, das mit einem fremden Menschen zu teilen. Ich genieße unsere Schmuserei und werde damit allein fertig. Nachher unter der Dusche ... du verstehst?"

„Denkst du dabei an mich?", fragte Sherlock, während er etwas rot um die Nase wurde und den Kopf senkte.

„Natürlich, an wen denn sonst?", sagte ich und küsste ihn sanft.

„Dennoch, John, ich finde, du solltest ..."

„Herr Gott, Sherlock, lass das doch meine Sorge sein, okay?"

„John, ich möchte doch nur, dass du glücklich bist. Ich weiß, dass ich dir nicht, zumindest noch nicht, alles geben kann, was du brauchst. Deswegen ist es doch für uns beide das beste, wenn du dir das anderswo holst."

Ich seufzte resigniert.

„Nun, wir werden sehen", sagte ich, und beschloss, am nächsten Abend auszugehen. Ich hatte nicht vor, nun ... aber ich würde Sherlock nicht sagen, wo ich hin gehen würde, und wenn er dann glauben würde, ich hätte mir ein Bettabenteuer gehabt, und es ihm dann besser ging, dann solle das eben so sein.

Ich seufzte abermals und küsste meinen Schatz so innig ich nur konnte.

Er und ich und ... andere?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt