x14 Einsicht und Abschied 14x

90 11 4
                                    

Ich würde mich tatsächlich über Votes und Kommentare freuen. Das hat in letzter Zeit nachgelassen. Mache ich irgendwas falsch?

Und jetzt, viel Spaß!

-------------

Tim hatte sich, sauer wie er war, in sein Schlafzimmer verzogen und rauchte nun eine Zigarette nach der Anderen. Es war ein Wunder, dass er die Schachtel nicht genommen hatte und einem Passanten, der im Hinterhof mit seinen Kindern spielte, auf den Kopf geworfen hatte. Irgendeine Sicherung war in ihm durchgebrannt, er konnte sich nicht mehr beherrschen und ließ alles an seinem Schatz aus. Tim wollte das nicht, es war einfach so. Stegi war immer in den unpassendsten Situationen in der unpassendsten Position und der Braunhaarige war praktisch schon von seinem Unterbewusstsein gezwungen, dem Kleinen Schmerzen – sowohl seelisch als auch körperlich – zuzufügen. Tim wusste, dass er ein Problem mit sich selbst hatte und wirklich – auch wenn er es nicht zugeben wollte – er brauchte Hilfe. Er wollte seiner großen Liebe keine Schmerzen zufügen und auch wollte er für seine Freunde keine Gefahr mehr sein. Aber trotzdem, irgendetwas hinderte ihn daran, irgendetwas wollte in seinem Kopf nicht funktionieren. Vielleicht war es diese eine Sicherung, die durchgebrannt war. Das war doch immer so, oder? Ein Kabel oder eine kleine – eigentlich unbedeutende, zu nichts zu gebrauchende und noch nie gebrauchte – Leitung macht schlapp und man hat das Gefühl, dass das komplette Haus einstürzt und die Nachbarhäuser mit in die Tiefe reißt. Das war ein guter Vergleich, dachte Tim und zündete sich seine dritte oder auch schon vierte – er wusste es nicht mehr genau, dafür war er viel zu sehr in Gedanken – Zigarette an. Der Wind, der durch das offene Fenster in das Zimmer fegte und Blätter mit herein brachte (Tim hatte wirklich nicht darum gebeten und würde am liebsten schon wieder alles kurz und klein schlagen), strich ihm durch die Haare und beruhigte seinen erhitzten Körper. Es war nicht einfach für den Basketballspieler. Das war es nie, zumindest nicht der Einstieg. Dann ging es, dann war es sogar einfach und Tim erledigte alles mit links. Doch hier war es irgendwie anders. Er konnte nicht offen zugeben, dass er ein Problem hatte, wobei er noch nicht einmal wusste, ob es wirklich ein Problem seinerseits oder Stegis war. Das galt es für den Großen herauszufinden. Aber er wusste nicht wie. War er immer aggressiv oder nur dann, wenn Stegi da war? War er sauer, wenn es um etwas anderes ging oder war er sauer, wenn es um Stegi ging?

Sicher war er sich nicht, aber wenn er eine Strichliste führen und sie auswerten würde, dann wäre es mit Sicherheit eindeutig.

Tim war sauer, als Stegi mit diesem Mädchen geschlafen hatte; er war sauer, als Stegi deshalb abgehauen war. Er hatte sich wegen Stegi geprügelt, geschlagen und seine Freunde in Lebensgefahr gebracht, also war Stegi schuld. Er trug die ganze Schuld an Tims Problem.

So einfach hatte es sich der junge Mann nicht vorgestellt, aber es sollte ihm nur recht kommen. Das nächste Problem, welches sich Tim in den Weg stellte war, dass er nicht wusste, was er jetzt machen sollte. Problem hin oder her, er konnte seinen Freund doch nicht einfach verlassen? Er hatte ihn doch gerade erst für sich gewonnen, da konnte er ihn nicht einfach wieder aus seiner Wohnung schmeißen und weiter machen, so, als wäre der kleine blonde Mann nie in sein Leben gestolpert und hätte ihm nie von Anfang an den Kopf verdreht. So lief das nicht, so war das sicherlich nicht gewollt und so wollte es auch Tim nicht. Er musste Stegi einfach erziehen, sodass dieser nie wieder ein Grund werden konnte, sauer zu sein. Der Braunhaarige wusste jetzt, dass Stegi an Allem schuld war, also konnte er sich entspannt etwas mehr über das Fensterbrett beugen und den Regen auf seinen Haaren spüren. Das Nass, welches sich einen Weg über seine Haare, über seinen Nacken, an seinem Hals entlang bahnte und dann in seinem Shirt zwischen den ganzen Fasern zum Stehen kam und eingefangen wurde. Es machte ihm nicht viel aus, nass zu werden, er mochte es sogar sehr gerne.

Etwas später, Tim wusste nicht genau wann, aber seine Haare waren komplett nass und seine – eigentlich volle – Kippenschachtel war leer. Es musste einige Zeit vergangen sein und erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er zitterte und seine Haut eiskalt war. „Ja?" Auch seine Stimme zitterte, als würde sie frieren. Schnell schloss er das Fenster und zog sich einen Pullover aus seinem Schrank, den er sich dann überzog. Die Tür ging auf und ein humpelnder junger Mann kam ins Zimmer. Irgendwas machte dieser Anblick mit Tim. Was es war, wusste er nicht, aber ihm kamen die Tränen. „Was willst du?" Seine Stimme klang schwach und traurig, sie lag voller Reue und es wirkte so, als würde dieses Gefühl alle Worte verschlucken, dabei hatte der Braunhaarige nur leise geredet. „Ich wollte mich entschuldigen – für alles. Das war nicht fair, Tim. Ich war nicht fair zu dir. Das war alles meine Schuld, das habe ich jetzt eingesehen."

Der Große sah auf, war sich nicht so sicher, wie er jetzt reagieren sollte, aber das tat sein Herz für ihn. „Du hast mich kaputt gemacht, Stegi. Ich bin eine Gefahr für dich und für andere. Ich will das nicht mehr. Ich kann das nicht mehr. Versteh mich." Tim hatte seine Prinzipien über den Haufen geworfen. Er hatte eingesehen, dass Stegi nicht die Schuld trug, sondern er alleine. Es war einfach aufgetaucht, diese Erkenntnis. Sie hatte womöglich Leben gerettet. Vielleicht sollte sich Tim auch einmal wegen Schizophrenie untersuchen lassen, seine Stimmungsschwankungen waren grauenvoll schrecklich. „Ich versteh dich, aber können wir es nicht noch einmal probieren. Ja, du hast mich geschlagen und ja, du hast mich beleidigt und verletzt, aber es ändert nichts daran, dass ich dich liebe. Tim, ich liebe dich."

Der Braunhaarige sah auf den Boden, lächelte und fuhr sich durch die Haare. Es war genau das, was er früher immer hören wollte, spüren wollte. Aber jetzt konnte er wirklich nicht mehr einschätzen, ob er es toll fand, oder am liebsten schreiend aus dem Fenster springen sollte. „Stegi, kleine Maus. Hör mir zu."

Langsam trat er einen Schritt auf Stegi zu, legte seine Hand an dessen rote und leicht angeschwollene Wange, strich sanft darüber. Der Blonde hatte Schmerzen, zuckte aber nicht, versuchte es wirklich zu genießen und schloss deshalb die Augen.

„Ich habe dir nur weh getan, wir haben immer gestritten, uns nie verziehen, weil wir beide dumme Sturköpfe sind. Ich werde mir Hilfe suchen, zur Polizei gehen und wenn wir uns dann wieder sehen, dann probieren wir es noch einmal." Tim brach ab, sein Freund weinte. Er konnte es aus irgendeinem Grund nicht sehen und wischte ihm deshalb mit seinen kalten Fingern die Tränen weg. „Ich will dich aber jetzt haben. Ich will jetzt mit dir kuscheln und dich jetzt küssen und mit dir jetzt tanzend durch die Wohnung hüpfen!" Stegi klang verzweifelt, er weinte laut und jammerte, als Tim seine Tasche packte. (Tim war sich nicht sicher, ob man ihn einsperren würde, aber er ging auf Nummer sicher.)

„Bleib hier!", schrie der Blondschopf, zog an der Jacke seines Freundes und wollte ihn vom Gehen abhalten. „Bitte! Bitte bleib! Ich will nicht ohne dich sein!"

„Du bist nicht alleine, okay? Du hast Tobi, Rafael und ich bin auch da.", lächelte Tim traurig und tippte Stegi auf die Brust, dorthin, wo sein Herz lag, als er den fragenden Blick des Kleineren sah. „Da bin ich und da bleibe ich auch, für immer okay?"

Stegi konnte nur unter Tränen nicken, er rannte seinem Freund auch nicht hinterher, als er aus der Wohnung trat und sich in sein Auto setzte.

Seine Lippen kribbelten Stunden später immer noch, weil Tim ihn, bevor er gegangen war, geküsst hatte. Ganz sanft und vorsichtig, als wäre der Kleine aus Glas.

Seine beiden Freunde hatte er noch nicht angerufen, das brauchte er auch nicht, denn sie hatten ihm vor einer halben Stunde geschrieben, dass sie ihn holen kommen würden, weil sie Tim nicht vertrauten und Angst um Stegi hatten.

„Er ist nicht da, Rafael." Der Blonde riss sich zusammen; er wollte nicht weinen. Er wollte stark sein – für Tim.

„Wo ist er?", fragte nun Tobi etwas verwirrt. Auch Rafael musterte seinen Freund mit einem verwirrten Blick.

„Weg, aber ich bleibe hier. Ich muss mich um die Wohnung kümmern. Kommt ihr jetzt rein, oder wollt ihr im Hausflur Wurzeln schlagen?" Leicht lachte Stegi. Tim hatte diesen Satz immer gebracht, wenn sie sich gefühlte Stunden im Flur unterhalten hatten und keine Lust hatten sich in das warme Wohnzimmer zu setzen.

Urplötzlich, als sie zu dritt auf dem Sofa saßen und sich eine Serie ansahen, brach alles über Stegi zusammen. Ihm wurde bewusst, dass Tim weg war, dass er so schnell sicher nicht mehr zurück kommen würde und der Blonde jetzt auf sich alleine gestellt war. Gleich nach dieser Erkenntnis begann er zu weinen, er weinte einfach drauf los und nahm nichts mehr war, außer die Schmerzen in seinem Bauch, weil er sich so sehr verkrampfte. Es war vorbei für ihn, er würde in ein Loch fallen und dort auf Tim warten.

Sad Story | StexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt