1 || Das bin halt ich

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Kapitel 1: Das bin halt ich

*****

Ich war anders.

An das hatte ich mich schon gewöhnt, aber noch nie hatte mich jemand geschlagen dafür. Ignoriert sehr wohl, aber noch nie hatte es sich jemand getraut, die Hand gegen mich zu erheben.

Bis jetzt.

Was hatte ich denn auf einmal falsch gemacht?

War ich noch hässlicher geworden? War das der Grund, warum mich keiner aus meiner Familie mehr anschaute?

Trey stand vor mir, die Hand noch immer erhoben, Schock in den Augen.

Es war fast so, als ob er es gar nicht gewollt hätte. Aber warum sollte mein Bruder etwas tun, dass er nicht will?

Meine Wange brannte und ich hob langsam meine Hand um mit den Fingern über die rote Stelle zu streichen.

Das war zu viel für Trey und er schloss seine Gefühle wieder von der Realität ab, wahrscheinlich um selber nicht verletzbar zu sein.

In seinen Augen verschwand das Mitgefühl und machte wieder der Kälte Platz.

Er drehte sich um und ging ohne ein Wort der Entschuldigung hinaus.

In dem Moment wurde mir klar, dass ich meinem Bruder Trey nicht mehr vertrauen konnte.

Warum hatte er mich denn geschlagen?

Ich hatte noch nicht einmal geredet oder irgendetwas Unerlaubtes getan.

So wie fast immer, war ich in meinem kleinen Zimmer und machte so wenig Geräusche wie nur möglich um keinen zu verärgern.

Wenn meine Eltern besucht wurden, bekam es niemand mit, dass es mich überhaupt gab.

Was hatte ich nur falsch gemacht?

Ich legte mich auf mein Bett und vergrub meinen Kopf in dem Kissen, zog ihn jedoch schnell wieder weg, als ich den Schmerz spürte.

Noch einmal hob ich meine Hand an meine Wange und konnte es noch immer nicht glauben.

Trey war doch die Person gewesen, der ich vertraut hatte. Er hatte mir nie einen Grund gegeben, ihn nicht zu mögen.

Was hatte sich jetzt auf einmal verändert?

Ich drehte mich auf den Bauch und nahm mir eines der wenigen Bücher, das ich besaß und das ich noch las vom Schreibtisch.

Bücher waren mein ständiger Begleiter geworden. Die Geschichten hielten mich am Leben.

Naja, nicht die Geschichten selber, sondern die Gefühle, die in ihnen beschrieben werden.

Die Freundschaft und Geborgenheit.

Die Zuwendung und Sicherheit.

Die Liebe.

All das, was ich nicht hatte.

All das, was ich nicht mehr hatte.

Dieses eine Buch, das ich gerade in der Hand hielt, war das Wertvollste für mich. Es war eine ganz normale Geschichte über ein junges Mädchen, dass Krebs hatte. Ihre Eltern waren überbesorgt um sie, aber alles was sie wollte, war noch zu leben. Richtig zu leben. Spaß zu haben. Frei zu sein.

Ich hatte zwar nicht Krebs, aber ich verstand ihren Wunsch nach Freiheit so gut.

Bedächtig schlug ich die Seite auf, an der ich beim letzten Mal zum Lesen aufgehört hatte und starrte auf die Wörter. Normalerweise konnte ich mich durch das Lesen immer beruhigen, aber heute schien es nicht zu funktionieren.

I don't believe you (Narry)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt