9 || Es war alles nur Fake

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Kapitel 9: Es war alles nur Fake

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So schön das Leben in einer Sekunde sein konnte, so grauenhaft konnte es in der nächsten sein.

Niall bezahlte für die Lebensmittel und wir gingen aus dem Geschäft, machten uns auf den Weg zu ihm nach Hause. Er summte leise vor sich hin und die Sonne versüßte unseren Tag.

Alles passte genau so, wie es war.

Doch es war einfach zu schön, um so zu bleiben. Wenn ich darüber nachgedacht hätte, wäre mir schon von Angang an klar gewesen, dass ich nicht mit einem so schönen Tag rechnen durfte.

Ich hatte noch nie einen so normalen Tag mit so viel Spaß verbracht, warum also jetzt auf einmal?

Wir gingen gerade die Straße entlang und ich konnte schon die Nebengasse, in der Nialls Haus stand sehen, als ich plötzlich eine mir sehr bekannte Stimme vernahm.

"Trey, Schatz, was brauchst du denn noch?"

Ich fuhr herum, die Augen weit aufgerissen und stand niemand anderem als meiner Mutter Lia gegenüber. Sie war wirklich die Letzte, die ich jetzt gerade sehen wollte.

Inzwischen hatte Niall bemerkt, dass ich nicht mehr neben ihm ging und schaute sich nach mir um. Als er Lia sah, atmete er scharf durch. Er kam zurück an meine Seite und legte seine Hand beschützend auf meinen Unterarm. Sofort fühlte ich mich sicherer. Mit Niall würde mir nichts passieren, das würde er nicht zulassen.

Als meine Mutter uns bemerkte, nahm sie das Handy vom Ohr und starrte uns überrascht an. Sie schien über etwas nachzudenken, traf eine Entscheidung und ihr Gesichtsausdruck verhärtete sich, wurde schon fast bösartig.

Ich schluckte und drückte mich ein kleines Stück weiter zu Niall. Er bemerkte wie unwohl ich mich fühlte, legte seinen Arm um meine Taille und zog mich näher an ihn. Dann begann er mit kalter Stimme zu reden.

"Lia, wie schön dich hier zu sehen."

Ich konnte den Sarkasmus nur so von seiner Stimme triefen hören.

"Was macht ihr da? Ihr beschmutzt öffentliches Gebiet, so dreckig wie ihr seit.", keifte sie uns an.

Ich begann leicht zu zittern und versuchte - ohne Erfolg - mich noch weiter an Niall zu drängen, wenn möglich sogar verstecken. Tränen stiegen in meine Augen. Das war einmal meine Mutter gewesen und sie hatte mich früher sogar gemocht. Ich hatte keine Ahnung, was ich überhaupt falsch gemacht hatte, dass sie mich jetzt so sehr hasste.

Aus irgendeinem Grund verspürte ich den Drang herausfinden zu müssen, warum sie mich so behandelte. Wenn es schon nicht normal war so behandelt zu werden, wie Niall meinte, warum tat sie es dann?

"Warum hasst du mich so sehr?", fragte ich leise. Meine Stimme brach am Schluss weg und ich versuchte meinen Kopf an Nialls Hals zu verstecken.

Lia starrte mich an. In ihren Augen konnte ich keine Emotionen erkennen. Wie eine leere Hülle.

"Du weißt das nicht?", fragte sie und ich war verwirrt, dass sie so überrascht klang. Woher sollte ich denn wissen, was ihr über die Leber gelaufen war?

Ich wollte aber trotzdem keinen Streit anfangen und schüttelte deshalb nur meinen Kopf. Langsam löste ich mich etwas aus Nialls hilfreicher, warmer Umarmung. Ich wusste, wenn ich richtig leben wollte, musste ich das auch ohne Niall schaffen. Er gab mir Mut, Stärke und den Glauben, aber ich musste es umsetzen.

"Was habe ich getan?", fragte ich nach. Dieses Mal klang meine Stimme fest und stark und ich war stolz darauf. Ich würde das schaffen.

"Als du fünf warst, da haben wir alle zusammen einen Film geschaut. Frag mich nicht, was für einen. Ich weiß es nicht. Was ich aber weiß ist, dass es um ein Mädchen und einen Jungen gegangen ist, die gefangen waren und nur einer konnte frei kommen. Das Mädchen. Dann hast du auf einmal gesagt, dass du eher den Jungen befreit hättest, weil das Mädchen total eingebildet war und der Junge viel netter und hübscher.", begann sie zu reden.

Während sie sprach schien sie in ihrer eigenen Welt zu sein und erlebte all das noch einmal.

"Dein Vater ist ausgerastet und hat mich am Abend angeschrien, wie ich nur einen schwulen Jungen aufziehen konnte. Er hat mich als Schlampe beschimpft und mir die Schuld an dir gegeben. Dann hat er uns verlassen, wegen dir."

Erschrocken schaute ich sie an. Das hatte ich alles nicht gewusst.

Mein Vater war homophob? Er hasste mich, weil ich damals als Fünfjähriger gesagt hatte, dass ich in einem Film eher den Jungen retten würde?

Dann fiel mir etwas noch wichtigeres ein.

"Aber er ist ja noch da?", fragte ich mehr, als dass ich es sagte.

Frustriert schüttelte Lia den Kopf und redete leise weiter. "Nur weil ich ihn wochenlang angefleht hab, dass er Troy nicht einfach ohne Vater aufwachsen lassen kann. Er hat schon lange was mit einer anderen."

Das hieße also, dass Lia mich eigentlich nicht unbedingt hasste, sondern nur sauer auf mich war, weil ich unsere Familie auseinander gebracht hatte. Und dass mein Vater ein homophober, manipulativer Dreckskerl war, der vor allen anderen versuchte mich schlecht zu machen.

Ungläubig starrte ich Lia an. Wieso hatte ich nie etwas davon erfahren?

"Es tut mir leid.", murmelte ich leise, doch meine Mutter schüttelte den Kopf. "Nein, schon okay. Das muss dir nicht leid tun. Es ist meine Schuld, dass dich alle so schlecht behandelt haben. Ich hätte doch was dagegen tun können."

Mit jedem Wort klang sie verzweifelter und ich war mir nicht ganz sicher, ob ich sie hassen oder einfach nur mehr Mitgefühl für sie empfinden sollte.

"Ich verzeihe dir, aber es ist nicht vergessen.", antwortete ich und sah Lia durchdringend an, hoffend dass sie meine Nachricht bekam. Auch wenn ich ihr verzeihte, hieß das noch lange nicht, dass ich wieder zurück kommen würde und alles Friede Freude Eierkuchen wäre.

Meine Mutter nickte stumm und meinte dann leise: "Ok.. pass auf dich auf, Harry."

Mit diesen Worten drehte sie sich um und verschwand.

Erleichtert atmete ich tief aus, ich hatte nicht einmal bemerkt, dass ich so angespannt war. Niall neben mir schien es gleich zu ergehen, denn sein Griff um meine Taille wurde etwas lockerer und ich spürte wie sich seine Brust langsam hob und senkte.

Mit einem plötzlichen Schub von Selbstvertrauen drehte ich mich zu ihm um und schlang meine Arme um ihn, zog ihn in eine feste, fast schon notwendige Umarmung, die er nahezu sofort erwiderte.

Jetzt hatte ich Gewissheit - ich würde es ganz sicher schaffen, nicht mehr so unsicher zu sein und alles zu tun, was gerade gesagt wird.

Und das alles nur Dank Niall, dem wunderschönen blonden Engel.

Er hielt mich in seinen Armen fest und es war so, als wäre er meine Verbindung zu dieser Welt. Er war mein Halt und meine Stärke.

Mein Ein und Alles.

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Endlich wieder ein neues Kapitel :)

Danke für die vielen neuen Votes und Kommentare! Hat mich total gefreut! :*

I don't believe you (Narry)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt