3 || Niall

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Kapitel 3: Niall

*****

Als ich meine Augen öffnete, fiel mein Blick zuerst auf die Uhr neben meinem Bett.

5.03 Uhr

Na toll, ich war so bald eingeschlafen, dass ich jetzt schon wieder aufgewacht war. Das Problem war nur, dass wenn ich einmal auf war, ich nicht mehr einschlafen konnte.

Ich rieb mir mit der Hand über die Augen und gähnte leise. Dann schlug ich die Bettdecke weg, um ins Bad zu gehen. Als jedoch die kalte Luft auf meinen Körper traf, änderte ich meine Meinung sofort wieder und wickelte mich schnell in die Decke ein. Ich kuschelte mich tiefer in das Bett und genoss die Wärme.

'Sein Name ist Niall.', schoss es mir durch den Kopf.

Augenblicklich waren wieder alle Erinnerungen an den Vortag da.
Ich konnte die stechend blauen Augen vor mir sehen und die weiche Stimme hören, als würde er direkt hier stehen.

Ich öffnete meine Lider, die ich bei den ganzen Gedanken geschlossen hatte und war fast etwas enttäuscht, als ich bemerkte, dass Niall nicht hier war.

Ich schüttelte meinen Kopf, um diese Gedanken zu vertreiben und seufzte kurz auf.
Ich konnte mich doch nur deshalb so gut an ihn erinnern, weil er der Erste seit Jahren war, der mich nicht anschrie oder für alles und jeden beschuldigte. Weil er freundlich war und ich noch nie jemanden wie ihn gesehen hatte.

So engelsgleich. So perfekt.

Frustriert darüber, dass ich Niall nicht aus meinem Kopf bekam, stand ich schließlich doch auf und ging in das Badezimmer, um meine Zähne zu putzen und mich für den Tag so gut wie möglich fertig zu machen.

Nicht dass ich jemals wissen konnte, was an dem Tag passieren würde - dank 'Märchenbucheltern' war das leider unmöglich - aber ich konnte zumindest versuchen mich darauf vorzubereiten.

Ich schüttelte meine Locken einmal durch und ging dann leise in die Küche, um mir etwas zu essen zu machen. Gemeinsam mit meiner Familie hatte ich schon lange nicht mehr an einem Tisch gesessen.
Das machte mir aber nichts aus, denn ich wollte gar nicht zusammen mit ihnen essen. Da müsste ich zuviel Angst haben, dass ich wieder etwas falsch machte und meine Eltern waren keine Morgenmenschen. Sie hatten sowieso wenig Geduld, aber morgens hatten sie praktisch gar keine.
Also hatte ich mir einen Weg gesucht, wie ich sie nicht vor Mittag sehen musste - wenn sie mich nicht für irgendetwas brauchten.

Langsam und darauf bedacht kein Geräusch zu machen, schlich ich in die Küche und ging zum Kühlschrank. Ich öffnete ihn und suchte nach etwas Essbaren.
Ich schnappte mir ein Joghurt und einen Löffel, lehnte mich an die Arbeitsfläche neben dem Herd und begann zu essen.

Die Stille um mich herum war mein Begleiter und ich genoss sie. Stille war viel angenehmer und besser als Lärm.

Nachdem ich aufgegessen hatte, wusch ich alles ab und stellte es weg, so dass es nicht auffiel, dass schon jemand in der Küche gewesen ist.

Ich schlich den Weg in mein Zimmer wieder zurück und atmete erleichtert aus.
Wieder ein Morgen, an dem meine Eltern mich nicht bemerkt hatten.
Wieder ein Morgen in Frieden.
Wieder ein Morgen, der zu einem neuen langen und wahrscheinlich auch faden Tag hinführte.

Seufzend setzte ich mich an meinen kleinen Schreibtisch und fing wieder einmal an alles neu zu ordnen. Wenn mein Zimmer doch wenigstens unordentlich wäre, dann könnte ich aufräumen und hätte was zum tun. Manchmal an ganz schlimmen Tagen machte ich so viel Chaos wie möglich, nur um dann wieder sauber zu machen.
Ich weiß - erbärmlich.

Meine Sachen auf dem Schreibtisch, bestehend aus einem Block, ein paar Stiften, einigen losen Zetteln und einem Bild von meiner Familie und mir wie ich noch jünger war, waren neu geordnet und ich hatte auch die wenigen Bücher auf dem kleinen Tisch neben dem Bett, der provisorisch als Bücherregal diente, anders sortiert.

Mein Blick fiel auf die Uhr und ich ließ meinen Kopf in den Händen versinken.

6.42 Uhr

Wie sollte ich diesen Tag nur überleben?

Ich ließ mich noch einmal auf mein Bett fallen und nahm mir meinen alten Mp3-Player und steckte mir die Ohrstöpsel in die Ohren. Leise Musik erklang und ich erkannte die ersten Takte meines Lieblingslieds.
A drop in the ocean von Ron Pope.

Ich liebte dieses Lied so sehr. Es war traurig und wunderschön gleichzeitig und es nahm mir immer wieder meine Sorgen, beruhigte mich.

A drop in the ocean
A change in the weather
I was praying that you and me would end up together

Wieder einmal verfehlte der Song seine Wirkung nicht und ich entspannte mich merklich.

Ich war schon fast am Einschlafen, als mich ein lauter Krach wieder zurück in die Realität holte. Erschrocken schaltete ich meinen Mp3-Player aus und lauschte auf weitere Geräusche.
Ich hörte eine Stimme fluchen und erkannte meinen Bruder.
Was war denn hetzt schon wieder los?
Ich spielte mit dem Gedanken nach draußen zu schauen, verwarf ihn aber gleich wieder als ich daran dachte, was gestern passiert war.

Ich konnte Treys Schritte näher kommen hören und dann hämmerte er auch schon an meine Tür.
Vorsichtig öffnete ich ihm und wich sofort zurück, als er mir einen wütenden Blick zuwarf.

"Ich hab heute Besuch. Wehe, du kommst raus, verstanden?", sagte er drohend.

Ich nickte schnell und atmete erleichtert aus, als Trey wieder verschwand.
Wer würde wohl zu Besuch kommen? Welcher von Treys Freunden würde zu uns kommen? War es vielleicht Niall?
Nein, das war ziemlich unwahrscheinlich, da er ja schon gestern bei uns gewesen war.

Zum wiederholten Male schaute ich auf meine Uhr und stellte fest, dass meine kleine 'Rastpause' wohl doch etwas länger gedauert hatte.

10.27 Uhr

Vielleicht würde ich den Tag doch überleben.

Ich setzte mich an meinen Schreibtisch, nahm den Block und einen Bleistift zur Hand und begann auf einem freien Blatt Papier etwas zu zeichnen.
Ja, ich zeichnete. Wenn einem langweilig war, begann man schnell einmal damit sich irgendwie zu beschäftigen. Egal wie, aber man fand immer einen Weg.

Meine Zeichenkünste waren nicht die Allerbesten, aber ich hatte Übung und wusste, wie man Dinge malen konnte um sie danach auch noch zu erkennen.
Ich zeichnete ein paar Striche auf das Blatt. Manche fester, andere leichter. Malte dunklere Schatten.
Langsam begann sich ein Sonnenaufgang auf meinen Papier zu formen.

Als die Türklingel durch das ganze Haus schellte, legte ich meinen Stift weg und lauschte.
Ich hörte wie Trey nach unten ging, die Haustür öffnete und dann konnte ich leise Worte vernehmen, verstehen konnte ich jedoch nichts.

Nach etwa einer Minute hörte ich wie jemand die Treppe herauf kam und in Treys Zimmer verschwand.
Da war aber nur eine Person. Wo war die andere?

Ein paar Sekunden später erklärte sich meine Frage von selbst, als ich eine zweite Person herauf gehen hörte. Die Schritte wurden lauter und blieben auf einmal abrupt stehen.
Ich starrte zur Tür und konnte sehen wie jemand leise die Klinke herunterdrückte.

Mit einem Klacken öffnete sie sich und ein Junge kam herein. Als er sein Gesicht hob und mir in die Augen schaute, stockte mein Atem.

Es war Niall.

I don't believe you (Narry)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt