Kapitel 5: Sag deine Meinung
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An seinen Körper gelehnt und den Kopf an seinem Hals vergraben, nickte ich leicht.
Ich wollte, dass er mir half. Ich wollte endlich ganz normal sein können ohne befürchten zu müssen, fertig gemacht zu werden. Und wenn ich das nicht alleine schaffte, war ich mehr als nur froh, seine Hilfe zu haben.
"Ich versuche es.", murmelte ich an seiner Haut und spürte wie Niall schauderte. War ihm kalt?
Ich löste mich von ihm und schnappte schnell einen frisch gewaschenen Pulli von dem Stapel im Kleiderschrank, den ich ihm dann hin hielt.
"Was soll ich denn damit?", fragte Niall verwirrt. Ich zog eine Augenbraue hoch und meinte dann: "Ich dachte, dir wäre kalt, weil du so gezittert hast gerade eben."
Die Verwirrung auf seinem Gesicht machte Erkenntnis und danach Erheiterung Platz. Er lächelte leicht.
Was hatte ich jetzt falsch gemacht? Was hatte ich nicht verstanden?
"Mir ist nicht kalt. Das war nur,... weil du mich mit deinem Atem gekitzelt hast.", sagte er, noch immer lächelnd. Ich konnte erkennen, dass es ihm etwas peinlich war, da er unsicher von einem Fuß auf den anderen stieg und seine Hände verknotete und sie wieder löste.
"Ach so! Ähm... na dann...", brachte ich hervor und ließ den Pullover sofort sinken. Na toll, jetzt hatte ich mich auch noch vor ihm zum Affen gemacht. Ich konnte regelrecht spüren, wie das Blut in meine Wangen schoss und ich war mir fast hundertprozentig sicher, dass mein Gesicht eher einer Tomate als einem Gesicht ähnelte.
Niall lachte leise auf und griff mit seiner Hand nach meiner. Er drückte sie kurz und meinte dann: "Das braucht dir nicht peinlich zu sein! Das war süß."
Süß? Hatte Niall mich gerade 'süß' genannt?
Ich hob meinen Kopf und sah ihm in die Augen. Seine Blauen wirkten so offen und ehrlich, dass es schon beinahe stechend wehtat. Dabei hatte sie aber einen freundlichen, hilfsbereiten Glanz in ihnen, der mir den Atem raubte.
Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn darauf ansprechen, oder es lieber bleiben lassen sollte. Deshalb ging ich, wie so häufig, auf Nummer sicher und sagte nichts. Ich wollte nicht jetzt gleich das zwischen uns, was auch immer es war, zerstören, nur weil ich mich nicht zurückhalten konnte und ihn belästigte.
Er war der Erste seit langem, der mit mir sprach wie mit jedem anderen. Der Erste, der in mir nicht einen Versager sah.
Und das sollte so bleiben.
Stattdessen fiel mir jetzt etwas anderes ein: "Wie bist du überhaupt in mein Zimmer gekommen?"
Niall zuckte leicht mit den Schultern und meinte dann: "Ich habe Trey gesagt, dass ich aufs Klo muss und diese Tür war die Einzige, die noch hier heroben war, also hab ich mir gedacht ich probier es einfach mal, vielleicht ist es ja dein Zimmer. Und wie man sieht, hatte ich ja Glück."
Ich musste lächeln. Er hatte tatsächlich meinen Bruder angelogen, nur um mich zu suchen.
Dann runzelte ich die Stirn.
"Was ist los?", fragte Niall als er es bemerkte.
"Und du brauchst immer fast eine Viertelstunde am Klo? Glaubst du nicht, dass das etwas auffällig ist?", sprach ich meine Bedenken aus.
Er riss die Augen auf. "Schon eine Viertelstunde?", rief er, etwas zu laut.
"Shh!", machte ich, schon fast automatisch und nickte dann um seine Frage zu bestätigen.
Wie um meine Bedenken zu unterstreichen, hörte ich in dem Moment meinen Bruder rufen: "Niall, kommst du mal wieder?"
Wir schauten uns panisch an, als Trey's Schritte immer näher kamen und schließlich vor der offenen Badezimmertür, die gegenüber von meinem Zimmer war, stehen blieben.
"Niall?", rief mein Bruder noch einmal. Ich konnte es fast rattern hören in seinem Gehirn und danach ein Klicken der Erkenntnis. Seine Schritte wurden lauter und dann wurde meine Tür aufgerissen.
Trey stand da, wie ein Racheengel der geschickt worden war, um mich zu töten.
Niall sah wie ich zusammen zuckte und versuchte mich kleiner zu machen und stellte sich vor mich, sowohl um mich zu beruhigen, als auch um mich zu beschützen. Ich ging einen kleinen Schritt nach vorne und drängte mich an meinen blonden Engel.
Trey sah so aus, als würde er mir jeden Moment den Hals brechen.
"Was fällt dir ein, dass du Niall so dazu drängst bei dir zu sein, dass er sich unwohl und belästigt fühlt? Was fällt dir überhaupt ein, ihn hier her zu holen?", fuhr er mich an.
Niall legte seine Hand auf meinen Arm, beugte sich zu mir und flüsterte mir ins Ohr: "Na los, sag ihm was Sache ist. Sag deine Meinung und zwar direkt in sein Gesicht."
Ich sah ihn zweifelnd an. Das konnte ich doch sowieso nicht, dazu war ich viel zu eingeschüchtert.
"Du schaffst das!", machte er mir Mut.
Ich atmete tief ein und machte mich bereit zum ersten Mal in meinem Leben meine Meinung zu sagen. Einmal aussprechen, was ich wollte und nicht nur vor allem verstecken.
Ich griff mit meiner Hand nach Nialls und er drückte zurück. Das war alles was ich brauchte.
Ich öffnete meine Augen, die ich kurzzeitig geschlossen hatte und starrte Trey an bevor ich klar und deutlich sagte: "Ich habe Niall nicht gezwungen herein zu kommen. Er ist alleine hergekommen, weil er mich sehen und mit mir reden wollte. Er ist sehr hilfsbereit und nett und du solltest dir eine Scheibe von ihm abschneiden!"
Das hab ich jetzt nicht gesagt, oder?, schoss es mir durch den Kopf.
Der Anfang war ja okay gewesen, aber ich hätte ihn nicht verärgern und beleidigen sollen. Was würde er jetzt nur tun?
Trey starrte mich entgeistert an und rief dann das schlimmste Wort, dass es in dieser Situation für mich nur geben konnte.
"Mum!"
Wie wenn sie nur darauf gewartet hätte gerufen zu werden, hörte ich sie näher kommen und schließlich stand sie neben Trey in der Tür.
"Was ist denn, Schatz?", fragte sie und zog die Augenbrauen zusammen, als sie mich sah.
Trey grinste mich bösartig und schadenfreudig an bevor er zu sprechen begann: "Harry hat Niall gezwungen mit ihm zu kommen. Er will mir meine Freunde wegnehmen."
Seine Stimme klang verzweifelt, ich beneidete ihn um sein überragendes Schauspieltalent.
Meine Mutter Lia verzog vor Wut das Gesicht. "Harry, was glaubst du eigentlich, dass du da machst? Du verdammte Missgeburt, du kannst nicht Trey seinen Freund wegnehmen. Sieh nur, was du getan hast. Trey muss wegen dir fast weinen."
"Aber ich wollte zu Harry gehen, er hat mich nicht gezwungen.", unterbrach Niall sie. Seine Hand lag noch immer auf meinem Arm und wäre sie nicht da, wäre ich schon längst zusammengebrochen oder hätte mich in einer Ecke verkrochen.
"Mum, schau. Harry hat ihn schon so sehr manipuliert, dass Niall sahen muss, er wäre sein Freund. Ich wette, Harry erpresst ihn.", meinte Trey weinerlich.
Meine Mutter schien mit sich zu ringen, doch dann kam es mir so vor, als hätte sie eine Entscheidung getroffen.
Lia stemmte die Hände in die Hüften, funkelte mich böse an und sagte dann eiskalt: "Du bist hier nicht mehr erwünscht. Verschwinde aus meinem Haus, ich will dich hier nie wieder sehen. Du hast genau eine Viertelstunde Zeit, um deine Sachen hier rauszubringen und dann bist du weg. Verstanden?"
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I don't believe you (Narry)
FanfictionHarrys Leben war anders als das, das in Büchern beschrieben wurde. Da gab es keine netten Leute, die ihm etwas vorlogen. Da gab es nur Menschen, die ihm die bittere Wahrheit erzählten. Er war hässlich und nutzlos und das wusste er. Was passiert aber...