Kapitel 2: Was fällt dir eigentlich ein?
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Ich versuchte mich noch kleiner zu machen und drückte meinen Kopf gegen die Beine.
Mit großen Augen sah ich zu ihm auf, erstaunt darüber, dass er so freundlich mit mir umging.
Ich hatte gegen eine Regel verstoßen in dem ich aus meinem Zimmer gegangen war und den Besuch belästigt hatte.
Warum schrie er mich dann nicht an?
Es war doch sein gutes Recht.
Vorsichtig öffnete ich den Mund, um etwas zu antworten, doch ich brachte nichts heraus.
Ängstlich zog ich mich weiter in das Eck zurück.
Ich hatte schon wieder etwas falsch gemacht. Er fragte etwas und ich konnte nicht einmal eine simple Antwort darauf geben.
Ich wartete nur mehr, dass er vor Wut explodieren würde, doch es kam nicht.
Nach ein paar unheimlich ruhigen Sekunden hob ich meinen Blick und sah in seine Augen, die noch immer auf mich fixiert waren.
Diese wirkten noch immer klar und freundlich, aber das konnte natürlich auch nur Tarnung sein.
"I-ich b-bin nur.. ich wollte n-nur w-was trinken.", brachte ich dann leise stotternd hervor, bedacht darauf, mir etwas einfallen zu lassen, wegen dem man mir nichts vorhalten konnte.
Er lächelte leicht und öffnete gerade den Mund um etwas zu sagen, als meine Mutter her kam.
Als sie mich sah, verzog sich ihr ganzes Gesicht vor Wut, doch bevor sie zu schreien anfangen konnte, schien sie sich wieder dessen bewusst zu werden, dass ihr Gast direkt daneben stand.
Bemüht kontrolliert sagte sie:
"Harry, was machst du hier? Geh auf dein Zimmer."
Ich konnte den aggressiven Unterton heraushören und wollte einfach nur mehr weg.
Ich nickte also leicht, sprang auf und schlich so schnell wie möglich an ihnen vorbei. Dann rannte ich zurück in mein Zimmer und schloss die Tür hinter mir.
Langsam ging ich zum Bett und erst nachdem ich mich gesetzt hatte und meine Gefühle wieder erwas zu Ruhe kamen, bemerkte ich wie sehr ich zitterte.
Ich hatte Angst.
Angst vor meiner Familie.
Angst davor, etwas falsch zu machen und meine Familie zu enttäuschen.
Angst vor den Konsequenzen.
Ich ließ mich zurückfallen und blieb am Rücken liegen.
Durchdringend starrte ich an die Decke, die so einfältig und kalt war.
Wie mein Leben.
Seufzend schloss ich meine Lider und sofort kamen mir zwei wunderschöne himmelblaue Augen in den Sinn.
Dieser Mensch war anders als alle, die ich bisher getroffen hatte.
Er schien eine sehr beschützende und besorgte Person zu sein. Sogar zu mir war er freundlich.
Wie musste er dann mit anderen Leuten umgehen?
Ich spürte wie sich bei der Erinnerung an die Wärme in seinen Augen und die Andeutung eines Lachens auf seinem Mund ein kleines Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitete.
Seine engelsgleiche Stimme hallte in mir wieder.
Warum war er so anders?
Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass es so ausgeglichene Personen überhaupt gab.
Wenn man etwas falsch machte, wurde man dafür bestraft. Oder etwa nicht?
Meine Augen, die ich noch immer geschlossen hatte, öffneten sich ruckartig, als ich schnelle, laute Schritte näher kommen hörte.
Diese Schritte kannte ich nur zu gut.
Ich drückte mich zur Wand, ganz an den äußeren Rand des Bettes und spähte zur Tür hinüber.
Die Schritte wurden immer lauter und verstummten als die Türklinke heruntergedrückt wurde.
Die Tür flog auf und meine Mutter kam herein. Sie stellte sich vor mein Bett und funkelte mich wütend an. Ängstlich schluckte ich einmal und machte mich etwas kleiner.
Meine Hände verschränkte ich schützend vor der Brust und meinen Kopf drückte ich so weit wie möglich in das weiche Laken unter mir.
Ich konnte spüren, dass mein Herzschlag mit jeder Sekunde, die sie so vor mir stand und noch nichts tat, schneller wurde.
Auf einmal packte sie mit ihrer Hand schnell meine Arm und zog mich aus dem Bett zu ihr hin. Mein Gesicht stieß fast an ihres und ich konnte ein Aufwimmern nicht zurückhalten.
"Was fällt dir eigentlich ein? Wie kannst du nur die Regeln brechen? Du bist das Allerletzte, einfach nur abartig. Nicht einmal die leichtesten Dinge kannst du richtig machen.", fing sie mit ihrer Schimpftirade an.
Sie schrie nicht, aber genau dieses leise Zischen machte es nur noch schlimmer.
Ich wusste, dass sie sauer war. So sauer, wie noch nie zuvor.
Ich senkte meinen Kopf, doch sie drehte in wieder zu sich und fuhr mich an, dass ich sie gefälligst anschauen sollte.
Zitternd hob ich ihn wieder und schaute in ihr Gesicht, vermied es aber in ihre Augen zu blicken.
"Du kannst von Glück reden, dass du uns hast! Bei jedem anderen würdest du jetzt schon auf der Straße sitzen. Was fällt dir nur ein, Niall und Trey so zu stören? Nur dass das klar ist, du bleibst den Rest der Woche in deinem Zimmer, verstanden!", redete sie sich weiter in Rage.
Ich nickte schnell und als sie mich los ließ, stolperte ich sofort zurück auf mein Bett und kauerte mich ins hinterste Eck. Tränen brannten mir in den Augen, doch ich drängte sie zurück.
Wenn sie schon so gnädig war, musste ich sie nicht auch noch weiter verärgern. Sie hatte mich zwar noch nie geschlagen, aber ihre Schimpftiraden waren normalerweise länger.
Sie drehte sich auf dem Absatz um und verschwand aus meinem Zimmer.
Ich atmete einmal tief durch und legte mich auf den Rücken. Dann streckte ich meine Arme und Beine weit vom Körper weg.
Schutzlos.
Etwas, dass ich nicht oft sein konnte, wenn ich das hier überleben wollte.
Etwas, dass ich gerne sein würde, ohne dass ich dabei fürchten müsste, bestraft zu werden.
Meine Augen waren auf die Decke fixiert und ich fing an die aufgemalten Sterne zu zählen.
Als ich noch kleiner war, wollte ich unbedingt wissen, wie es wäre unter einem Sternenhimmel zu schlafen, aber es wollte niemand mit mir draußen bleiben. Deshalb hatte mein Vater mit mir die Sterne auf meine Zimmerdecke über dem Bett gemalt.
Damals, als noch alles richtig war.
Wie in einem Märchen.
Wie so oft, versuchte ich die Sterne zu zählen. Dadurch schaffte ich es immer wieder mich zu beruhigen.
Langsam wurden meine Augenlider schwer und fielen dann zu.
Bevor ich einschlief, schoss mir noch ein Gedanke durch den Kopf.
"Was fällt dir nur ein, Niall und Trey so zu stören?"
Sein Name war Niall.
Der Engel hieß Niall.
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Danke an alle, die schon gevotet haben! :) Das bedeutet mir echt viel..
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I don't believe you (Narry)
FanfictionHarrys Leben war anders als das, das in Büchern beschrieben wurde. Da gab es keine netten Leute, die ihm etwas vorlogen. Da gab es nur Menschen, die ihm die bittere Wahrheit erzählten. Er war hässlich und nutzlos und das wusste er. Was passiert aber...