Animagus

3K 136 8
                                    

Der nächste Schultag schlich an Hermine vorbei wie der zähflüssige Schleim, den Peeves in der Mittagspause über einige unglückliche Erstklässler geschüttet hatte. In Professor Sprouts Unterricht hatte sie sogar Alraunen mit Teufelsschlingen verwechselt und den falschen Dünger verwendet (weshalb jetzt ein Meter große Alraunen im Gewächshaus standen). Glücklicherweise verdächtigte die Kräuterkunde-Lehrerin einen anderen Schüler, weshalb sie diese Peinlichkeit schnell vergessen hatte. So war der Tag für Hermine (die sich so langsam um ihre Mündlichen Noten Sorgen machte) relativ erträglich. Bis zum Nachmittag. Die letzte Stunde für diesen Tag war "Pflege magischer Geschöpfe" mit Hagrid. Zwar war dieser Hermines Lieblingslehrer, aber dieses Fach hatten sie mit einer anderen Klasse zusammen. Natürlich ausgerechnet mit den Slytherins. Blaise Zabini nickte ihr grüßend zu, als sie, in übelster Laune, das Freiluftklassenzimmer betrat. Harry und Ron warteten dort schon auf sie. "Mensch, Mione, wo warst du denn? Ich sag, dir Harry ist verrückt geworden. Dauernd heckt er neue Verschwörungstheorien aus, du musst mir helfen!" "Theorien?" fragte sie abwesend und ließ den Blick durch die Schüler, die schon anwesend waren, schweifen. Glücklicherweise war er noch nicht da. "Ja," fuhr Ron fort, "Er hat Lucius Malfoy auf dem Schulgelände gesehen, außer sich vor Wut!" Da wurde Hermine hellhörig. "Malfoy? Und was ist mit... Malfoy Junior?" "Was soll mit ihm sein? Ach so, du meinst... hab ihn seit gestern nicht mehr gesehen. Als Pferd hat er mir tatsächlich wesentlich besser gefallen." Hermine seufzte schwer und erntete einen verwirrten Blick von Ron. Dieser wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als eine Gruppe von Slytherin-Schülern aufgebracht zur Seite wich und ein Schrei ertönte. "Was ist passiert? So sag doch was!" kreischte eine Stimme. Als Hermine sich umdrehte, erkannte sie, dass die Stimme einer sehr besorgten Pansy Parkinson gehörte, die um jemanden herumwuselte. Hermine hätte diesen "Jemand" fast gar nicht erkannt. Die Person, die einen Slytherin-Umhang trug, hatte sich die Kapuze in Stirn gezogen und auf dem Rechten Wangenknochen prangte ein Blauer Fleck, der seines Gleichen suchte. Parkinson zog die Kapuze von Malfoys Kopf und im Sonnenschein konnte man die vielen Kratzer in seinem Gesicht erkennen. "Heiliger Hippogreif! Was ist denn mit dem passiert?" fragte Ron. Hermine beachtete ihn nicht. "Der sieht ja aus, als wäre er von einem dreiköpfigen Hund attackiert worden." "Ihr redet doch nicht etwa von Fluffy? Hat nich' einen jemals attackiert, niemals!" Hagrid war zu ihnen gekommen. Offenbar hatte er Malfoy noch nicht gesehen. "Nein, das war mehr so...metaphorisch!" Verteidigte Hermine Harry, bevor der sich auf eine Diskussion einlassen konnte. Stattdessen nickte er einfach nur. Hagrid eröffnete den Unterricht, was ihnen wenig Möglichkeit gab, sich über Malfoy zu unterhalten. "Seht mal, was ich euch mitgebracht hab'. Schöne Tiere, nich'?" sagte Hagrid und hielt einen Karton hoch, in dem es verheißungsvoll raschelte. "Vielleicht, wenn sie uns sagen würden was drin ist!" Hermine musste sich gar nicht erst umdrehen, um zu wissen, wer das gesagt hatte. "Schon gut, Mr. Malfoy, schon gut. Das hier ..." er öffnete den Karton "... das sind Niffler. Ihr werdet euch ab jetzt um sie kümmern. Dürft ihnen sogar Namen geben, wenn ihr wollt! Es sin' leider nicht genug für alle da, daher werden je zwei Personen einen Niffler zugeteilt bekommen. Ich werd' losen, um sicherzugehen, dass es faire Gruppen sin'. Ein kollektives Knurren ging durch die Klasse. Hermine hörte nicht mehr zu. Nacheinander wurden Schüler aufgerufen, die nach vorne gingen und sich einen Karton mit einem Niffler abholten, sowie ein Handbuch zur Nifflerpflege. Plötzlich wurde sie von Harry angestupst. "Worauf wartest du?" Anscheinend war sie aufgerufen worden. "...und... Blaise Zabini." verkündete Hagrid gerade. Wenigstens hatte sie halbwegs Glück mit ihrem Partner. Blaise nickte ihr zu. "Dann wollen wir mal!" meinte er und klang in Hermines Ohren etwas Übermotiviert. Den Rest der Stunde verbrachten sie damit ihren Niffler zu kraulen - sie hatten ihn nach der Zaubererwährung "Knut" benannt - und das Pflegehandbuch zu studieren. Hagrid verkündete noch die Hausaufgaben (Einen Aufsatz über die Bedeutung von Nifflern für Schatzsucher) und entließ sie dann.

Hermine umklammerte ihre Schultasche und machte sich auf den Weg zum Schloss. Plötzlich stieß jemand gegen sie. Sie verlor das Gleichgewicht und stolperte über den Saum ihres Umhangs. Unsanft landete sie auf etwas Hartem unter ihr, sie vermutete einen Baumstumpf. "Pass doch auf, wo du hinrennst, Schlammblut!" meldete sich der Baumstumpf, der sich bei näherem Betrachten als ein ziemlich verdreckter Draco Malfoy herausstellte. Zu Hermines größter Verwunderung hatte er ein Büschel Gras im Mund. Er spuckte das Gras hustend aus und verzog das Gesicht. "Du warst doch derjenige, der mich geschubst hat, Malfoy!" keifte sie. "Ich habe keine Zeit für deine Klugscheißerei. Ich habe ein Problem. Hilf mir, Granger"! Malfoy fauchte vor Wut. Dann packte er die völlig verdutzte Hermine an den Schultern. "Dreh dich um. Mach schon, ich hab nicht den ganzen Tag Zeit." "Was hast du denn bitte für ein Problem?" fragte sie entnervt. Als sie keine Antwort bekam, wollte sie sich umdrehen, doch ihr blieben die Worte im Hals stecken. Vor ihr stand nämlich keineswegs Malfoy. Vor ihr stand ein dunkelbraunes Pferd mit einer weißblonden Mähne, das sie aus hellgrauen Augen keck anfunkelte. Gerade, als sie die Hand nach ihm ausstrecken wollte, stieg das Pferd auf die Hinterhand und verschwand in einer Rauchwolke. Als sich die Wolke verzog, kam Malfoy wieder zum Vorschein. "Das ist mein Problem, Granger! Was zum Teufel war in deinem Trank?" Hermine brauchte einen Moment, um das Gesehene zu verarbeiten. "Es..das..Animagus-Trank. Ich wusste nicht, dass du ein Animagus bist, Malfoy. " "Ich auch nicht. Wie stellt man das ab?" Er klang jetzt ein wenig panisch. Seine grauen Augen musterten sie von oben bis untern und jetzt von nahem fiel ihr auf, dass seine Wange ziemlich angeschwollen war. "Das kann man nicht abstellen. Aber du kannst lernen, es zu kontrollieren. Und du solltest zu Madam Pomfrey." Malfoy rollte nur mit den Augen "Danke für deine Hilfe. Nicht." Mit diesen Worten machte auf dem Absatz kehrt und ging in Richtung Hogwarts davon.

"Er ist also ein Animagus? Und er hat blaue Flecken im Gesicht. Was sagt uns das?" "Gar nichts. Hör doch auf mit deinen Verschwörungstheorien, Harry!" "Aber Ron, was, wenn er..." Was wenn er mal ausnahmsweise gar nichts hat?" Hermine wandte sich von der üblichen diskussion am Abendessenstisch ab. Ihr Blick schweifte zum Tisch der Slytherins, wo Malfoy saß und lustlos in seinem Bohneneintopf stocherte. Draußen war ein Gewitter aufgezogen und die verzauberte Decke der großen Halle hatte sich dementsprechend angepasst. Plötzlich zuckte ein gewaltiger Blitz über den Himmel und die schwebenden Kerzen, die die Halle erleuchteten, erloschen. Schreie wurden laut und Hermine spürte in der Dunkelheit, wie eine Person an ihr vorbei huschte. In den Moment stieg ein Feuerball aus Professor Dumbledores Zauberstab hervor, der die Kerzen wieder entfachte. Mit einem Blick zum Tisch der Slytherins bemerkte Hermine, dass Malfoy nicht mehr da war.

Hermine sagte Harry und Ron lieber nichts. Von den verrückten Theorien hatte sie schon zu Genüge gehört und sie wollte sie nicht noch weiter anfachen. An diesem Abend ließ sie sich erschöpft ins Bett sinken und schlief sofort ein. Ein braunes Pferd mit blonder Mähne geisterte durch ihre unruhigen Träume.

AnimagusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt