11 - Laura

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Der Fahrstuhl fährt nach oben. Einen Moment lang sehe ich nur graue Wände, bis der Fahrstuhl anhält und wir aussteigen. Die Wände hier sind verglast und man sieht auf den Stadtteil der Blauen hinunter, der durch diese Mauer von dem der Schwarzen getrennt ist.

Wir lassen die Sicherheitskontrollen über uns ergehen, die Blicke der Leute machen mir nichts aus. Okay, kaum etwas.

Schließlich ist es endlich so weit und wir stehen vor der gläsernen Wand, die uns auf den Stadtteil der Schwarzen hinuntersehen lässt. Die Häuser sind klein und blockartig gebaut, nur wenige Wolkenkratzer erheben sich daraus und stechen wie Nadeln in den wolkenverhangenen Himmel. Kleine Drohnen schwirren durch die Luft und hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich sie für Insekten gehalten.

Und da, ganz unten auf den Straßen, sind die Menschen. Von hier aus kann ich ihre schwarzen Haarschöpfe ausmachen und an der Art, wie sie gehen, erkenne ich, dass wohl keiner von ihnen hohe Schuhe trägt.

"Ich kann immer noch nicht fassen, dass ich das tatsächlich tue", murmelt Sven neben mir.

"Und ich kann immer noch nicht fassen, dass ich dich tatsächlich mitnehme. Aber vielleicht möchte ich ja einfach nur nicht alleine sein", entgegne ich und zwinge mich, den Blick von den Menschen abzuwenden. Stattdessen sehe ich nach oben. Es hat zu regnen begonnen, ein leichter, konstanter Nieselregen.

"Das ist also Freiheit", meint Sven.

"Vielleicht", sage ich.

"Na dann. Gehen wir. Und sehen, wohin es uns verschlägt."

Gerade als wir in den Fahrstuhl steigen wollen, bricht die Sonne zwischen den Wolken hervor. Ich halte in der Bewegung inne. "Sven, warte", flüstere ich beinahe ehrfürchtig.

Ein leuchtender Regenbogen zieht sich über den grauen Himmel.


Ende


Verfälscht - Unsere FarbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt