24.

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Ich würde gerne sagen, dass wieder eine Menge Zeit vergangen Ist, seit unserer Begegnung, aber das stimmt nicht.
Genau genommen sind es gerade einmal 10 Minuten, die vergangen sind.
Ich sitze Hand in Hand mit Sara auf den Treppenstufen vor Josh Haus.
Niemand sagt etwas, aber trotzdem ist uns beiden klar, dass ich loslassen muss.
Würde ihm noch etwas an mir liegen dann hätte er so was nicht gesagt. Ihm ist bewusst gewesen, dass es nach diesen Worten kein Zurück mehr gibt.

Sara beginnt zu zittern und ohne das sie etwas sagen muss, reiche ich ihr meine Jacke. Im selben Moment öffnet sich hinter uns die Tür und Michael setzt sich neben uns.
Auch er sagt nichts, aber allein durch seine Anwesenheit fühle ich mich besser. Es ist wie früher, als es nur uns 3 und die Band gab.
Die Band, die ich für Josh aufgelöst habe.
Die Band, die Mason gehasst hatte.

"Ich will zurück in die Band.", platzt es aus mir heraus.
Vielleicht lag es an dem Alkohol, den ich im Blut hatte oder vielleicht hatte ich auch einfach Vergessen, dass ich mich nie wirklich wohl dabei gefühlt habe, jedenfalls gab es für mich in diesem Moment nichts wichtigeres, als zurück in die Band zu kommen.

-

"Das war echt ein schönes Konzert."

"Das war kein Konzert." Antworte ich Sara.
"Das war viel mehr das Spielen von Hintergrundmusik in einem unbesuchten Restaurant."

"Ja aber immerhin haben wir seit langer Zeit mal wieder vor Leuten gespielt."

Michael nickt zustimmend.

"Wie ihr meint. Ich freue mich jedenfalls auf den Workshop nächste Woche." Ich packe liebevoll meine Gitarre zurück in den Koffer.

"Der Workshop ist zwar eine gute Sache, um sich mit den anderen Musikern dort auszutauschen, aber den Plattenvertrag werden wir unmöglich gewinnen, wenn wir zu dritt gegen die anderen vollbesetzten Bands antreten." Michael zieht eine gequälte Miene.

Sara hingegen lächelt fröhlich weiter, "Du vergisst dabei, dass wir auch in der Unterzahl vollbesetzt sind. Ich mit der Gitarre, du mit deinem Saxophon und dem Schlagzeug und Tyler hat die Stimme, den Bass, das Klavier und spielt sogar Ukulele." Sie macht eine kurze Pause, "und im Notfall kann Ty sogar das Schlagzeug übernehmen. Josh hat ihm einiges beigebracht."

Mein Magen verkrampft sich bei dem Gedanken an die Zeit mit Josh.
Ich murmel ein paar unverständliche Worte und steige in den kleinen Wagen, um das Gespräch zu beenden.

-

"Hast du alles?" Fragt Sara zuvorkommend, als ich meinen Rucksack auf den Rücksitz werfe.

"Ja. Aber lass mich fahren."

"Kein Problem.", Sara rutscht rüber auf den Beifahrersitz.
Es beruhigt mich wenn ich die Kontrolle habe.
Michael begrüßt mich mit einem Schulterklopfer und einem schlichten: "los geht's!"

"Alles gut?"
"Ja?" Antwortet er.
"Du bist so still."
"Mir ist ein bisschen schlecht, aber das liegt wahrscheinlich nur an der Aufregung." Murmelt Michael, ohne dass er selbst wirklich davon überzeugt klingt.

Ich starte den Motor.
Es ist eigentlich kein weiter Weg bis in die Pension in der das Einwöchige-treffen stattfindet, aber Michael wird immer unruhiger auf dem Rücksitz.
Schließlich ist es sogar so schlimm, dass wir anhalten müssen, damit er sich übergeben kann.

Lustlos setzten wir uns zurück ins Auto. Ich überlasse Sara das Lenkrad, um dem blassen Michael Beistand zu leisten.

Als wir endlich in den Hof rollen und ein freundlich aussehender Mann anbietet das Auto anzunehmen, bin ich einfach nur müde und erleichtert, dass wir die Autofahrt überstanden haben.
Sara und Michael teilen sich ein Zimmer, also bleibe ich alleine. Was mich allerdings nicht weiter stört denn ich hasse überflüssige Unterhaltungen.
Nur wenige Sekunden nachdem ich mich in mein Doppelbett fallen gelassen habe, schlafe ich ein.

Als ich wieder aufwache ist es bereits dunkel und ich habe 3 ungelesene Nachrichten:
-Eine von meiner Mailbox
-zwei von Sara:
Michael geht es gar nicht gut. Und,
Ty, komm rüber damit wir besprechen können, wie es jetzt weiter geht.

Ohne zu zögern stehe ich auf und trete in das Zimmer gegenüber.
Schon bevor ich überhaupt an der Tür klopfen kann, höre ich Stimmen durch das Holz dringen.
"Du hättest uns früher sagen können, wie schlecht es dir geht!"
"Ich dachte, ich überstehe das!"

"Was ist hier los?" Ich Stürme ins Zimmer und sehe entsetzt zu Sara, die weinend am Boden sitzt.
"Alles gut?" Ich knie mich neben sie.

"Nein! Michael will wieder zurückfahren."

Verwirrt sehe ich rüber zu Michael, der tatsächlich nicht gut aussieht.
"Es tut mir leid." Er sieht mich entschuldigend an.

Ohne etwas zu sagen lasse ich mich neben Sara fallen.

"Das hier ist unsere letzte Chance gewesen, alleine schaffen wir es einfach nicht nach oben. Wir brauchen diesen Gewinn."
"Ich weiß." Bin aber allerdings nicht so getroffen von dieser Wendung wie Sara. Denn ich habe nie wirklich an den Gewinn im Schreiben und performen eines Songs in nur innerhalb einer Woche gedacht.
Ärgerlich ist nur das Geld, das wir für den Beitritt zahlen mussten.

"Sara was denkst du warum ich mich in dieses Auto gequält habe?", Michael macht eine kurze Atempause, "Ich wollte das hier genauso sehr wie du." Er klingt verzweifelt.

Bevor das alles noch mehr ausarten kann, stehe ich auf und stelle mich zwischen die beiden.
"Wir werden auch noch eine andere Möglichkeit finden... irgendwie finden wir eine Möglichkeit, wir müssen nur-"
"Nein vergiss es!" Unterbricht mich Sara, "Das war unsere letzte Chance. Ich bin schon 30 Jahre alt und ich habe in meinem Leben noch nichts gutes erreicht. Ty, du magst das anders sehen, du bist ja auch 5 Jahre jünger als ich, aber ich kann nicht weiter machen. Das hier ist unsere letzte Chance. Und wenn Michael fahren muss, dann muss er eben fahren. Wir bringen das zu Ende!"

Verblüfft sehe ich Sara an. Ich merke Michaels verletze Blicke im Rücken, aber ich kann nicht widersprechen, weil ich die Sehnsucht in Saras großen Augen sehen kann.
Ich sehe allerdings auch wie blas und schwach Michael aussieht und ich muss kein Arzt sein, um zu wissen, dass er so nicht durchhalten wird.
Und ohne, dass ich noch weiter darüber nachdenken kann, platzt es aus mir heraus.

"Rufen wir Josh an. Er kann Michael am Schlagzeug ersetzen."

Joshua Dun | JoshlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt